Appetitlosigkeit

Von , Zahnärztin
Hanna Rutkowski

Hanna Rutkowski ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.

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Stress oder physische Anspannung kann sich in Appetitlosigkeit (Anorexia) niederschlagen. Meist sind der mangelnde Appetit und der damit verbundene Gewichtsverlust dann aber nur vorübergehend: Fallen die Auslöser weg, nimmt der Appetit (und der Betroffene) meist wieder zu. Appetitlosigkeit kann aber auch Symptom einer Erkrankung sein – mit mehr oder weniger dramatischen Folgen. Lesen Sie hier mehr zu Ursachen und Behandlung von Appetitlosigkeit!

Appetitlosigkeit

Kurzübersicht

Appetitlosigkeit: Ursachen

Im Gegensatz zum Hunger, der von verschiedenen Botenstoffen wie dem Hormon Serotonin im Gehirn hervorgerufen wird, hat Appetit eine psychologische Komponente. Er entsteht nicht im Hypothalamus (wie das Hungergefühl), sondern in einem anderen Teil des Gehirns – unter anderem durch Sinneseindrücke. So lässt sich erklären, dass jemand unter anderem dadurch den Appetit verlieren kann, weil ihm Konsistenz, Geschmack oder Optik bestimmter Lebensmittel nicht zusagen. Oftmals empfinden Menschen zum Beispiel schleimige oder breiige Speisen als wenig appetitlich oder sogar eklig.

Auch Stress, psychische Anspannung, Liebeskummer und Sorgen können auf den Magen schlagen und Appetitlosigkeit (medizinisch: Anorexie) hervorrufen. Trotz Hunger schmecken viele Speisen dann nicht mehr, Betroffene stochern nur lustlos im Essen herum. Hält dieser Zustand an, führt die Appetitlosigkeit letztlich zum Gewichtsverlust, da sich die Nahrungsaufnahme meist nur noch auf das Nötigste beschränkt – und auch nur dann erfolgt, wenn einen der Hunger richtig plagt.

Letzten Endes kann die Appetitlosigkeit sogar das Hungergefühl reduzieren: Hat jemand schon lange nichts mehr gegessen und auch keinen Appetit, hat er auch nur noch selten Hunger. Der Organismus gewöhnt sich an die geringere Energiezufuhr. Trotzdem ist die stressbedingte Appetitlosigkeit oft nur vorübergehender Natur.

Übrigens: Dass so viele ältere Menschen wenig Appetit haben, liegt wohl unter anderem an einem nachlassenden Geschmacks- und Geruchssinn.

Appetitlosigkeit durch Medikamente

Auch die Einnahme bestimmter Medikamente kann sich negativ auf den Appetit auswirken und diesen erheblich hemmen. Dazu zählen:

  • Digitalis (Herzmedikament)
  • Vitamin A (Retinol)
  • Vitamin D (in Überdosierung)
  • Antibiotika
  • Morphin (starkes Schmerzmittel)
  • Appetitzügler

Appetitlosigkeit: Welche Krankheiten könnten dahinterstecken?

Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust begleiten zudem viele Krankheiten. Sowohl körperliche als auch psychische Leiden können Appetitlosigkeit zum Dauerzustand werden lassen. Die Gefahr dabei ist, dass der Betroffene untergewichtig wird oder sogar verhungert, wie es bei manchen Magersüchtigen der Fall ist.

Folgende Krankheiten können Appetitlosigkeit als Symptom haben:

Entzündungen im Mund- und Rachenraum

Bakterien, Viren und Pilze können schmerzhafte Entzündungen im Mund- und Rachenraum verursachen. Wenn jeder Bissen zur Qual wird und nur mit Mühe den Rachen hinunterrutscht, kann das auf den Appetit schlagen. Schmerzhafte Aphthen (kleine Bläschen im Mundraum und an der Zunge), Halsschmerzen oder entzündetes Zahnfleisch stehen ganz oben auf der Liste der häufigsten Appetitverderber. Viele bakterielle Infektionen wie die Mandelentzündung (Tonsillitis) oder Rachenentzündung (Pharyngitis) haben Begleitsymptome (z. B. Fieber), die ebenfalls zur Appetitlosigkeit führen.

Krankheiten der Verdauungsorgane

Viele Erkrankungen von Magen, Darm, Leber und Gallenblase verursachen neben zahlreichen anderen Symptomen Appetitlosigkeit:

  • Magenschleimhautentzündung (Gastritis): Meistens verursacht das Bakterium Helicobacter pylori die Entzündung der Magenschleimhaut. Magenschmerzen, Appetitlosigkeit bis hin zum Erbrechen, Teerstuhl (Blut im Stuhl) und Magenblutungen sind häufige Anzeichen.
  • Reizmagen (funktionelle Dyspepsie): Typische Symptome sind wiederkehrende Magenschmerzen mit Appetitlosigkeit, Sodbrennen, Durchfall, Erbrechen und anderen Beschwerden des Verdauungsapparates ohne erkennbare Ursache. Möglicherweise spielen hier psychische Faktoren, Bewegungsstörungen des Magens, eine erhöhte Empfindlichkeit des Magens gegenüber Magensäure oder eine ungesunde Ernährung/Lebensweise eine Rolle.
  • Magen-Darm-Grippe (Gastroenteritis): Diese infektiöse Entzündung des Magen-Darm-Traktes wird von Bakterien, Viren oder Parasiten (z.B. Salmonellen, Noroviren, Rotaviren) verursacht. Die typischen Symptome - Übelkeit, Erbrechen, Durchfall - werden meist von Appetitlosigkeit begleitet.
  • Lebensmittelvergiftung: Der Genuss verdorbener oder von Natur aus giftiger Lebensmittel kann Vergiftungserscheinungen hervorrufen, die von Appetitlosigkeit, Schwindel, Erbrechen und Übelkeit bis hin zu Halluzinationen, Kreislaufversagen und sogar zum Tod führen können. Beispiele dafür sind Vergiftungen mit Pilzen, Tollkirsche oder Kugelfisch.
  • Nahrungsmittelunverträglichkeiten: Dazu zählen beispielsweise Laktoseintoleranz, Fruktoseintoleranz, Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) und Histaminintoleranz. Je nach Art und Ausmass der Unverträglichkeit können zum Beispiel Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen, Durchfall oder Nesselsucht und Juckreiz auftreten.
  • Krebs und Krebstherapie: Tumore im Magen-Darm-Trakt machen sich oft durch Verdauungsbeschwerden wie Appetitlosigkeit bemerkbar. Eine häufige Auswirkung dieser Tumoren ist die Tumorkachexie (Auszehrung), die den Patienten stark abmagern lässt. Auch die Behandlung von Krebsgeschwüren (Operation, Chemo-, Strahlentherapie) kann als Nebenwirkung Appetitlosigkeit verursachen.
  • Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür: Stress, zu viel Alkohol, Nikotin und Kaffee, der Magenkeim Helicobacter pylori sowie bestimmte Medikamente sind häufige Ursachen von Magen-Darm-Geschwüren. Mögliche Anzeichen sind zum Beispiel Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Völlegefühl und Appetitlosigkeit.
  • Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Eine Colitis ulcerosa und ein Morbus Crohn können sich durch wässrige Durchfälle, Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen und Übelkeit äussern.
  • Leberentzündung (Hepatitis): Eine akute Hepatitis macht sich anfangs meist mit unspezifischen Symptomen wie Appetitlosigkeit, Oberbauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen sowie Fieber bemerkbar, später kommt Gelbsucht (Ikterus) – also eine Gelbfärbung der Haut und Schleimhäute – hinzu, oft begleitet von Juckreiz.
  • Leberzirrhose: Sie ist das Endstadium vieler chronischer Lebererkrankungen. Es wird dabei zunehmend funktionsfähiges Lebergewebe in knotiges Narbengewebe umgewandelt. Appetitlosigkeit, Wasserbauchsucht (Ansammlung von Flüssigkeit in der Bauchhöhle) und Gelbsucht bis hin zum Leberkoma sind die Folgen.
  • Gallensteine: Verstopfen Gallensteine den Gallengang, äussert sich dies durch stärkste kolikartige Oberbauchschmerzen. Gelbsucht, Übelkeit, Erbrechen, entfärbter Stuhl und Appetitlosigkeit sind weitere Anzeichen.
  • Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis): Auch die Entzündung der Bauchspeicheldrüse verursacht stärkste gürtelförmige Schmerzen im Oberbauch sowie Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen.
  • Blinddarmentzündung: Symptome der akuten Blinddarmentzündung sind starke Schmerzen, Fieber, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen.

Psychische Ursachen

  • Depression: Sie ist meist durch tiefe Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Appetitlosigkeit und Lustlosigkeit gekennzeichnet.
  • Magersucht (Anorexia nervosa): Das Hauptsymptom der Magersucht ist das freiwillige Hungern, meist begleitet von gesteigerter körperlicher Aktivität. Die Erkrankten empfinden sich trotz Untergewichtes noch immer als "zu fett" und hungern weiter, was lebensbedrohliche Formen annehmen kann. Das starke Hungern hemmt auch den Appetit und führt zu Appetitlosigkeit.
  • Suchtkrankheiten: Die Abhängigkeit von Alkohol und/oder anderen Drogen wirkt sich auf den Appetit aus. Amphetamine und Kokain kamen anfangs sogar als Appetitzügler auf den Markt.

Infektionskrankheiten

Verschiedenste Erreger können den Appetit verschwinden lassen, wenn sie sich im Körper einnisten. Weitere mögliche Symptome sind Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder Fieber. Beispiele für Infektionskrankheiten mit Auswirkungen auf den Appetit sind:

Sonstige Krankheiten

  • Diabetes: Neben starkem Durst ist auch Appetitlosigkeit ein häufiges Symptom der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus). Bei den Betroffenen ist das blutzuckersenkende Hormon Insulin nicht in ausreichender Menge vorhanden oder nicht ausreichend wirksam.
  • Demenzerkrankungen: Menschen mit Demenz leiden oft unter Appetitlosigkeit und vergessen auf das regelmässige Essen. Untergewicht und Organschäden können die Folgen sein.
  • Addison-Krankheit: Bei Morbus Addison liegt eine chronische Funktionsschwäche der Nebennierenrinde vor. Daraus resultiert ein Mangel an wichtigen Hormonen wie Cortisol. Typische Symptome der Erkrankung sind Braunfärbung der Haut, Salzhunger, niedriger Blutdruck, Appetitlosigkeit, starker Gewichtsverlust, Übelkeit, Erbrechen und Schwächegefühl.
  • Nierenkrankheiten: Nierenschwäche und Nierenversagen (Niereninsuffizienz) können ebenfalls mit Appetitlosigkeit einhergehen.
  • Herzkrankheiten: Gerade Herzschwäche (Herzinsuffizienz) und Herzinnenhautentzündung (Endokarditis) verringern den Appetit.
  • Hypothyreose: Die Unterfunktion der Schilddrüse führt zu einem Mangel an Schilddrüsenhormonen, die wesentlich für die Stoffwechselaktivität sind. So leiden die Betroffenen oft unter Appetitlosigkeit und essen deshalb weniger. Trotzdem nehmen sie zu, weil der Stoffwechsel krankheitsbedingt verlangsamt ist.
  • Migräne: Die starken, anfallsartigen Kopfschmerzen können Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen auslösen.

Appetitlosigkeit: Was hilft?

Liegen der Appetitlosigkeit keine ernsten Ursachen zugrunde, können folgende Massnahmen die Lust aufs Essen wieder ankurbeln:

  • Sinneswahrnehmung und Appetit: Geschmack, Geruch und die Optik von Lebensmitteln beeinflussen den Appetit. Versuchen Sie daher, Mahlzeiten so zuzubereiten und anzurichten, dass sie Lust darauf bekommen. Streuen Sie zum Beispiel frisch geschnittenen Schnittlauch auf Ihr Butterbrot.
  • öfters kleine Mengen essen: Viele kleine Mahlzeiten sind besser als wenige grosse. Bereiten Sie sich Zwischenmahlzeiten vor, die Sie zu beliebigen Zeiten essen können. Neigen Sie dazu, das Essen zu vergessen, setzen Sie sich eine Erinnerung, zum Beispiel im Smartphone.
  • bei Hunger essen: Meldet sich der Magen grummelnd zu Wort, dann essen Sie ruhig das, was Ihnen schmeckt. Achten Sie nur darauf, sich nicht zu einseitig zu ernähren.
  • appetitanregende Kräuter und Gewürze: Der oben erwähnte Schnittlauch kann ebenso den Appetit anregen wie etwa Ingwer und Zimt.
  • Senf für zwischendurch: Sicher nicht jedermanns Geschmack, aber ein Teelöffel Senf zwischen den Mahlzeiten soll die Verdauungssäfte anregen und so den Appetit steigern.
  • den Appetit herbeitrinken: Ein Tee aus Kümmel, Schafgarbe, Löwenzahn und Zimt soll den Appetit steigern können.

Appetitlosigkeit: Das macht der Arzt

Für den Arzt gilt es zunächst, die Ursache für den anhaltenden Appetitverlust zu finden. Liegt diesem eine körperliche oder psychische Erkrankung zugrunde, wird der Mediziner sie entsprechend behandeln. Dann verschwindet meist auch die Appetitlosigkeit.

Zunächst befragt Sie der Arzt im Gespräch zu Ihrer Krankengeschichte (Anamnese). Mögliche Fragen dabei sind:

  • Seit wann leiden Sie unter Appetitlosigkeit?
  • Wie viel Gewicht haben Sie schon verloren?
  • Bestehen noch andere Symptome wie Fieber, Erbrechen, Durchfall?
  • Leiden Sie unter starkem Stress oder Schlaflosigkeit?
  • Nehmen Sie Medikamente?
  • Leiden Sie an bestimmten Krankheiten?

Danach folgen eine körperliche Untersuchung und Laboruntersuchungen. Für letzteres kann er Ihnen Blut abnehmen und/oder Sie um eine Urin- und Stuhlprobe bitten. Gegebenenfalls macht er zudem eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes, um Krankheiten der inneren Organe wie der Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse oder Gallenblase als Ursache der Appetitlosigkeit aufzudecken.

Bei Bedarf kommen noch andere Untersuchungen zum Einsatz, um den Grund für die Appetitlosigkeit aufzuspüren. Dazu zählen:

Appetitlosigkeit: Wann müssen Sie zum Arzt?

In sehr stressigen Phasen fällt es vielen Menschen gar nicht auf, dass sie weniger essen und unfreiwillig an Gewicht verlieren. Wenn Sie von Angehörigen, Freunden oder Kollegen auf die verlorenen Pfunde angesprochen werden, sollten Sie daher hellhörig werden und vermehrt auf das eigene Essverhalten achten. Lässt sich für die anhaltende Appetitlosigkeit und den Gewichtsverlust keine offensichtliche Ursache finden, sollten Sie immer zum Arzt gehen. Möglicherweise ist der Grund für die Appetitlosigkeit eine behandlungsbedürftige Erkrankung.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Hanna Rutkowski

Hanna Rutkowski ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.

Quellen:
  • Berufsverband Deutscher Internisten e.V.: Fieber; unter: www.internisten-im-netz.de (Abruf: 01.04.2020)
  • Berufsverband Deutscher Internisten e.V.: Reizmagen; unter: www.internisten-im-netz.de (Abruf: 01.04.2020)
  • Deutsches Grünes Kreuz – Informationsportal für Gesundheit: Toxizität; unter: www.dgk.de (Abruf: 01.04.2020)
  • Gesundheit.gov.at – Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Aphthen; unter: www.gesundheit.gov.at (Abruf: 01.04.2020)
  • Herold, G.: Innere Medizin, Herold 2019
  • Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): Mandelentzündung; unter: www.gesundheitsinformation.de (Abruf: 01.04.2020)
  • MSD Manual – Ausgabe für Patienten: Appetitlosigkeit; unter: www.msd-manuals.com (Abruf: 01.04.2020)
  • MSD Manual – Ausgabe für Patienten: Infektiöse Endokarditis; unter: www.msd-manuals.com (Abruf: 01.04.2020)
  • UGB – Vereine für unabhängige Gesundheitsberatung: Was ist Histamin und wo kommt es vor?; unter: www.ugb.de (Abruf: 01.04.2020)
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