Wirbelsäule

Von , Ärztin
Eva Rudolf-Müller

Eva Rudolf-Müller ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie hat Humanmedizin und Zeitungswissenschaften studiert und immer wieder in beiden Bereich gearbeitet - als Ärztin in der Klinik, als Gutachterin, ebenso wie als Medizinjournalistin für verschiedene Fachzeitschriften. Aktuell arbeitet sie im Online-Journalismus, wo ein breites Spektrum der Medizin für alle angeboten wird.

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Die Wirbelsäule ist das Rückgrat, die Stütze und bewegliche Achse des Rumpfes bei Menschen und Wirbeltieren. Sie ist mit verschiedenen Teilen des Skeletts verbunden (Kopf, Becken, Arme etc.) und umschliesst das Rückenmark. Lesen Sie alles Wichtige über die Wirbelsäule: Aufbau, Funktion sowie wichtige Erkrankungen und Verletzungen!

Was ist die Wirbelsäule?

Die Wirbelsäule ist das knöcherne Achsenskelett, das den Rumpf trägt und dessen Bewegungen ermöglicht. Sie ist von vorne betrachtet gerade. Von der Seite betrachtet hat sie dagegen eine doppelte S-Form:

Im Hals- und Lendenbereich ist sie nach vorne gekrümmt (Hals- und Lendenlordose), im Brust- und Sakralbereich ist sie nach hinten gekrümmt (Brust- und Sakralkyphose). Diese Wirbelsäulen-Anatomie ist wichtig für das aufrechte Stehen und Gehen sowie das Abfedern von Belastungen.

Wie viele Wirbel hat ein Mensch?

Die menschliche Wirbelsäule besteht aus 33 bis 34 Wirbeln. Sie ist unterteilt in fünf Wirbelsäulenabschnitte, die aus jeweils mehreren Wirbeln bestehen:

Halswirbelsäule (HWS)

Sie ist aus den sieben sieben Halswirbeln (Zervikalwirbel, C1- C7) aufgebaut. Mehr über diesen obersten Abschnitt der Wirbelsäule lesen Sie im Beitrag Halswirbelsäule.

Brustwirbelsäule (BWS)

Mehr über den längsten Abschnitt der Wirbelsäule, der aus den 12 Brustwirbeln (Thorakalwirbel, Th1 - Th12) aufgebaut ist, lesen Sie im Beitrag Brustwirbelsäule.

Lendenwirbelsäule (LWS)

Der dritte Wirbelsäulen-Abschnitt setzt sich aus fünf Wirbeln zusammen (Lumbalwirbel, L1 - L5). Mehr dazu erfahren Sie im Beitrag Lendenwirbelsäule.

Kreuzbein (Os sacrum)

Während der Entwicklung wachsen die fünf Kreuzbeinwirbel (Sakralwirbel, S1 - S5) zu einem einheitlichen Knochen zusammen. Mehr darüber lesen Sie im Beitrag Kreuzbein.

Steissbein (Os coccygis)

Auch der letzte Abschnitt der Wirbelsäule besteht aus verwachsenen Wirbeln, und zwar vier bis fünf an der Zahl. Mehr zum Thema erfahren Sie im Beitrag Steissbein.

Die 24 Hals-, Brust- und Lendenwirbel bleiben ein Leben lang beweglich – ausser in Krankheitsfällen oder durch Verletzungen.

Der Wirbel-Aufbau variiert

Die Wirbel sind prinzipiell nach einem einheitlichen Grundschema aufgebaut. In den verschiedenen Wirbelsäulenabschnitten gibt es aber in Anpassung an die Funktion und Belastung einen etwas variierenden Aufbau: Wirbel, die mehr statische Funktionen erfüllen, unterscheiden sich in ihrer Grösse und Form von denen, die verstärkt dynamische Aufgaben haben.

Deshalb sind die Wirbel der Halswirbelsäule, die mit dem Kopf nur relativ wenig Gewicht tragen, dafür aber eine grosse Beweglichkeit zulassen müssen, anders geformt und kleiner als die Lendenwirbel. Letztere müssen ein deutlich grösseres Gewicht tragen und daher kräftiger sein, aber nur einen geringeren Bewegungsumfang zulassen.

Der Wirbelkörper

Die Grundform aller Wirbel ist ein Ring oder Hohlzylinder. Der vordere Teil eines jeden Wirbels – mit Ausnahme des ersten und zweiten Halswirbels – ist ein massiver, zylindrisch geformter Knochen mit einer Grund- und einer Deckplatte, der Wirbelkörper (Corpus vertebrae).

Der Wirbelkörper ist der eigentlich tragende und stützende Teil der Wirbelsäule. Er hat eine dünne kompakte Aussenschicht und im Inneren eine starke Spongiosa, ein schwammartiges System aus feinen Knochenbälkchen, das mit rotem Knochenmark gefüllt ist. Der zentrale Bereich der Ober- und Unterfläche der Wirbelkörper ist porös, und nur die Randleisten sind aus festem Knochen gebaut.

Nur der erste Halswirbel (Atlas), der den Kopf trägt, besitzt keinen Wirbelkörper. Er ist mit dem zweiten Wirbelkörper (Axis) über ein Gelenk (Articulatio atlantoaxialis) verbunden.

Die Bandscheiben

Zwischen je zwei benachbarten Wirbelkörpern liegen druckelastische Zwischenwirbelscheiben aus Knorpelgewebe, die Bandscheiben. Mehr darüber lesen Sie im Beitrag Bandscheibe.

Der Wirbelbogen und die Fortsätze

Der hintere Teil eines jeden Wirbels ist der Wirbelbogen (Arcus vertebrae), der schmaler und schwächer als der Wirbelkörper gebaut ist. Vom Wirbelbogen gehen mehrere Fortsätze ab:

Dazu gehören vier Gelenkfortsätze (Processus articulares), von denen zwei nach oben und zwei nach unten gerichtet sind. Sie bilden die echten Gelenke zwischen den Wirbeln. Der paarige Querfortsatz (Mehrzahl: Processus transversi) geht rechts und links vom Wirbelbogen ab und dient als Hebelarm für ansetzende Muskeln. An den Wirbelbögen der Brustwirbelsäule (Th2 bis Th10) setzen die Rippen an. Nach hinten geht ein einzelner Dornfortsatz (Processus spinosus) ab.

Dornfortsatz

Mehr über diesen Wirbelfortsatz lesen Sie im Beitrag Dornfortsatz.

Bänder zur Stabilisierung

Zwischen den Wirbelbögen – vom zweiten Halswirbel bis hinunter zum ersten Sakralwirbel – sind jeweils Bänder aus elastischem Bindegewebe gespannt (Ligamenta flava), die zusammen mit Muskeln die Wirbelsäule stabilisieren. Ihre Dicke nimmt von oben nach unten zu.

Diese Bänder der Wirbelsäule beginnen jeweils seitlich im Inneren des Wirbelkanals im vorderen Bereich auf der Höhe der Gelenkfortsätze, ziehen dann nach hinten bis zum Dornfortsatz, wo sie sich treffen und das Zwischenwirbelloch (Foramen intervertebrale) nach hinten abgrenzen.

Der Wirbelkanal

Das Loch im knöchernen Ring der Wirbel ist das Wirbelloch. Alle Wirbellöcher zusammen bilden den Wirbelkanal (Canalis vertebralis), in dem das Rückenmark (Medulla spinalis) mit den umgebenden Rückenmarkshäuten vom Gehirn ausgehend bis hinunter in den Sakralbereich verläuft. Der Wirbelkanal wird von oben nach unten immer enger, weil auch das Rückenmark im Inneren nach unten hin immer schmäler wird.

Welche Funktion hat die Wirbelsäule?

Die Funktion der Wirbelsäule besteht darin, den Rumpf zu stabilisieren, eine aufrechte Körperhaltung und eine möglichst grosse Beweglichkeit zu gewährleisten. Die Wirbelsäule bietet zudem dem Rückenmark einen knöchernen Schutz vor Verletzungen.

Durch die doppel-S-förmige Krümmung der Wirbelsäule können Stösse, die bei Sprüngen, beim Gehen oder Fallen auf die Füsse auf die Wirbelsäule einwirken, abgefangen werden. Die Druckwelle wird dadurch nicht an den Kopf und das empfindliche Gehirn weitergeleitet. Durch die nach hinten gerichtete Wölbung (Kyphose) der Brustwirbelsäule, die Vorwölbung (Lordose) der Lendenwirbelsäule und die Biegung der Lendenwirbelsäule gegen das Kreuzbein liegt der Schwerpunkt der Körpers über den Füssen und ermöglicht so eine stabile aufrechte Haltung.

Den notwendigen Ausgleich, wenn der Bauch zu dick und schwer wird und damit die Lendenlordose zunimmt, kann man an schwangeren Frauen beobachten, die den Brust-, Hals- und Kopfbereich zum Ausgleich nach hinten verlagern.

Die Bänder zwischen den Wirbelbögen (Ligamenta flava) werden bei einer Beugung der Wirbelsäule gedehnt und helfen der Rückenmuskulatur durch ihre vorgegebene Spannung beim Wiederaufrichten der Wirbelsäule.

Die Beweglichkeit der Wirbelsäule

Die Beweglichkeit zwischen den einzelnen Wirbeln ist relativ gering. Die gesamte Bewegungsumfang aber, der sich aus der Kette der Wirbel ergibt, ist sehr gross. Die Möglichkeiten der Wirbelsäule, sich in der Form zu verändern, liegen in allen Ebenen des Raumes und werden noch verstärkt durch die Kombination der verschiedenen Bewegungen.

Ein Vorbeugen des Körpers erfolgt besonders über eine quere Achse in der Hals- und Lendenwirbelsäule, wobei in letzterer das Beugen in geringerem Ausmass möglich ist als das Strecken nach hinten. In der Brustwirbelsäule hingegen ist die Möglichkeit der Beugung deutlich grösser als die der Streckung. Die Möglichkeit einer Streckung und Beugung nach hinten ist besonders gross zwischen den unteren Halswirbeln, dem elften Brust- und dem ersten Lendenwirbel sowie zwischen dem vierten Lendenwirbel und dem Kreuzbein.

Eine Seitwärtsneigung ist etwa gleich weit möglich in der Hals- und der Lendenwirbelsäule. In der Brustwirbelsäule ist sie am grössten und wird nur durch die Bänder der Wirbelsäule und die Rippen begrenzt.

Eine Drehung um die senkrechte Achse ist am weitesten im Halsbereich möglich, da der Kopf mit seinen Hauptsinnesorganen Auge und Ohr eine möglichst grosse Beweglichkeit braucht. Die Möglichkeit der Drehung um die senkrechte Achse nimmt nach unten zunehmend ab und ist am geringsten in der Lendenwirbelsäule.

Wo befindet sich die Wirbelsäule?

Die Wirbelsäule liegt, wenn man den Rumpf im Querschnitt betrachtet, im hinteren Bereich des Körpers. Die Fortsätze der einzelnen Wirbel liegen dicht übereinander unter der Haut des Rückens, wo man sie bei schlanken Menschen sehen und tasten kann.

Welche Probleme kann die Wirbelsäule verursachen?

Angeborene oder erworbene Veränderungen an der Wirbelsäule können ihre Funktion beeinträchtigen. Es können zum Beispiel einzelne Wirbelkörper, Wirbelbögen oder Wirbelfortsätze in ihrer Form verändert sein. Manchmal variiert auch die Zahl der Wirbel:

Ist etwa der erste Halswirbel mit dem Hinterhauptbein verwachsen, spricht man von Atlasassimilation. Ist ein zusätzlicher (sechster) Lendenwirbel vorhanden, wird dies Lumbalisation genannt. Wenn der letzte (fünfte) Lendenwirbel mit dem Kreuzbein verwachsen ist, liegt eine Sakralisation vor.

Aufgrund von Muskelverspannungen oder aus anderen Ursachen können einzelne Wirbel in ihrer Beweglichkeit blockiert sein.

Der Begriff Spina bifida („offener Rücken“) bezeichnet eine angeborene Fehlbildung der Wirbelsäule oder des Rückenmarks: Das in der Embryonalphase angelegte Neuralrohr, aus dem sich Wirbelsäule und Rückenmark entwickeln, verschliesst sich normalerweise vollständig. Bei einer Spina bifida ist dieser Verschluss unvollständig.

Morbus Scheuermann ist eine angeborene Erkrankung der Brust- und Lendenwirbelsäule, die sich in der Jugend manifestiert. Die Wirbelkörper werden durch einseitige Abflachung keilförmig und tragen so zur Entstehung eines Buckels (Kyphose, Rundrücken) bei – meist im Bereich der Brustwirbelsäule. Ausserdem bilden sich an den Abschlussplatten der Wirbel unregelmässige Knorpelknötchen (Schmorlsche Knorpelknötchen). Ein leichter Buckel, Rückenschmerzen und eine Bewegungseinschränkung im betroffenen Abschnitt der Wirbelsäule sind Anzeichen der Erkrankung.

Eine seitliche Krümmung der Wirbelsäule, die zusätzlich auch in sich verdreht sein kann, bezeichnet man als Skoliose.

Morbus Bechterew (Spondylarthritis ankylosans) ist eine chronische, fortschreitende, rheumatische Erkrankung, bei der vor allem die Gelenke der Wirbelsäule sowie die Kreuzbein-Darmbein-Gelenke entzündet sind.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Vorlage:
Dr. med. Felicitas Witte
Autor:
Eva Rudolf-Müller
Eva Rudolf-Müller

Eva Rudolf-Müller ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie hat Humanmedizin und Zeitungswissenschaften studiert und immer wieder in beiden Bereich gearbeitet - als Ärztin in der Klinik, als Gutachterin, ebenso wie als Medizinjournalistin für verschiedene Fachzeitschriften. Aktuell arbeitet sie im Online-Journalismus, wo ein breites Spektrum der Medizin für alle angeboten wird.

Quellen:
  • Guillou, I. et al.: Medizin für Heilpraktiker. Haug Verlag. 2012
  • Kirsch, J. et al.: Taschenlehrbuch Anatomie. Georg Thieme Verlag. 1. Auflage, 2010
  • Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. Walter de Gruyter Verlag. 262. Auflage, 2002
  • Waldeyer, A.: Anatomie des Menschen. Walter de Gruyter Verlag. 17. Auflage, 2002
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