Anamnese

Von , Ärztin
Valeria Dahm

Valeria Dahm ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte an der Technischen Universität München Medizin. Besonders wichtig ist ihr, dem neugierigen Leser Einblick in das spannende Themengebiet der Medizin zu geben und gleichzeitig inhaltlichen Anspruch zu wahren.

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Die Anamnese (griechisch: Erinnerung) gilt als Schlüssel zur Diagnostik von Krankheiten. Im Anamnesegespräch erfährt der Arzt die Vorgeschichte des Patienten und kann durch gezielte Fragen wichtige zusätzliche Hinweise und Informationen gewinnen. Lesen Sie hier, welche Arten der Anamnese es gibt, was alles dazugehört und wie ein Anamnesegespräch abläuft.

Anamnese

Was ist eine Anamnese?

Die Definition der Anamnese lautet "Vorgeschichte einer Krankheit". Mit Hilfe offener und konkreter Fragen erhält der Arzt oder das medizinische Fachpersonal nicht nur Informationen über die derzeitigen Beschwerden eines Patienten, sondern auch über seine medizinische Vorgeschichte und Lebensumstände. Die Erstanamnese ist besonders ausführlich, damit sich der Arzt ein umfassendes Bild von seinem Patienten machen kann.

Findet das Anamnesegespräch mit dem Patienten selbst statt, spricht man von einer Eigenanamnese. Werden andere Personen wie beispielsweise enge Angehörige befragt, nennt man dies Fremdanamnese. Ausserdem können die Anamnesen in verschiedene Untergruppen eingeteilt werden, wenn sie sich nach einem bestimmten Gegenstand oder Thema richten.

Anamnese

Inhalt

Zweck

Pflegeanamnese

  • Pflegebedarf des Patienten
  • Ziele und Massnahmen der Pflege
  • Probleme bei der Pflege
  • Informationen vor allem für das Pflegepersonal
  • Überprüfung und Evaluierung des Pflegebedarfs

Familienanamnese

  • Erkrankungen von Blutsverwandten
  • Todesursachen und Sterbealter von Blutsverwandten
  • Rückschlüsse auf genetisch bedingte Erkrankungen
  • Hinweis auf familiär gehäufte und oft auftretende Krankheiten (wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck)

Sozialanamnese

  • Beruf
  • Soziales Umfeld
  • Kulturelle Hintergründe
  • Einschätzung der Lebenssituation des Patienten
  • Hinweise auf Berufserkrankungen
  • Pflege ausserhalb des Krankenhauses

Vegetative Anamnese

  • Appetit und Durst
  • Stuhlgang und Wasserlassen
  • Gewichtsveränderungen
  • Fieber, Infekte und Allergien
  • Schlafqualität
  • bei Frauen: Monatszyklus
  • Überblick über die körperlichen Beschwerden

Schmerzanamnese

  • Lokalisation, Häufigkeit, Art und Stärke der Schmerzen
  • Beginn und Veränderungen der Schmerzen
  • erfolgte Massnahmen bei Schmerzen
  • schmerzbedingte Behinderung im Alltag
  • Einschätzung der Schmerzen des Patienten
  • Hinweise auf Krankheiten
  • Planung der Schmerztherapie

Biografische Anamnese (Psychosomatik und Psychiatrie)

  • Lebensgeschichte des Patienten
  • Persönliche Erfahrungen und Konflikte
  • Kennenlernen des Patienten
  • Hintergründe für die Planung einer geeigneten Therapie

Ernährungsanamnese

  • Essgewohnheiten
  • Art und Menge von Nahrungsmitteln und Getränken
  • Allergien und Unverträglichkeiten
  • Überblick über die Ernährungssituation des Patienten
  • Feststellen von Mangel- oder Überversorgung

Medikamentenanamnese

  • Name und Art von eingenommenen Medikamenten
  • Häufigkeit der Einnahme
  • Wirkung und Nebenwirkungen
  • Aufschluss über mögliche Einflüsse der Medikamente auf den Gesundheitszustand
  • Fortführung einer erfolgreichen Therapie
  • Verbesserung der Dosierung oder Ersatz des Medikamentes

Wann macht man eine Anamnese?

Eine gründliche Anamnese steht am Beginn jeder Diagnostik (Massnahmen zum Erkennen einer Krankheit). Vor dafür notwendigen Untersuchungen macht sich der Arzt im Anamnesegespräch ein umfassendes Bild vom Patienten, seinen Beschwerden und wie er sie wahrnimmt. Die daraus gewonnen Informationen geben Hinweise auf die möglichen Ursachen (Verdachtsdiagnosen), die nun ausgeschlossen oder bestätigt werden müssen. Welche Anamneseformen jeweils zum Einsatz kommen, hängt von der medizinischen Fragestellung und dem persönlichen Bedarf des Patienten ab.

Was macht man bei einer Anamnese?

Zu Beginn wird der Arzt Sie fragen, warum Sie sich an ihn wenden. Damit er sich ein besseres Bild machen kann, stellt er auch genauere Fragen zu Ihren aktuellen Beschwerden. Typische Anamnesefragen können etwa sein:

  • Was führt Sie zu mir?
  • Wo und seit wann haben Sie die Beschwerden?
  • Haben sich die Beschwerden über die Zeit verändert?
  • Wurde bereits etwas unternommen?

Damit Ihr Arzt sowohl Sie als auch Ihre Krankengeschichte besser kennenlernt, bespricht er mit Ihnen auch Vorerkrankungen, bereits stattgefundene Operationen, Risikofaktoren und Allergien, etwa:

  • Waren Sie schon einmal im Krankenhaus?
  • Leiden Sie unter Bluthochdruck?
  • Haben Sie Allergien?

Auch der aktuelle Gesundheitszustand liefert wichtige Informationen im Sinne der vegetativen Anamnese:

  • Hat sich Ihr Appetit oder Durst verändert?
  • Schwitzen Sie häufig nachts?
  • Haben sich Ihr Stuhl- oder Schlafgewohnheiten geändert?
  • Bei Frauen: Wann hatten Sie Ihre letzte Periode?

Zu einem ausführlichen Anamnesegespräch gehören ausserdem die Medikamenten-, Familien- und Sozialanamnese. Mögliche Fragen dabei sind:

  • Nehmen Sie Medikamente?
  • Hatten Ihre Eltern gesundheitliche Beschwerden?
  • Wer kümmert sich um Sie, wenn es Ihnen schlecht geht?

Mit Hilfe weiterer Fragen grenzt Ihr Arzt die möglichen Ursachen Ihrer Beschwerden immer mehr ein. Bestimmte Themen wie Ihre Essgewohnheiten, die körperliche Betätigung oder psychosoziale Belastungsfaktoren können verstärkt ergründet werden.

Ein Anamnesegespräch kann zwar eine bestimmte Struktur und einen klaren Ablauf haben, wird allerdings an Ihre Beschwerden angepasst und bei Bedarf ausgeweitet. Erst dann folgen die körperliche Untersuchung und weitere diagnostische Schritte wie beispielsweise ein Röntgenbild oder eine Blutabnahme.

Wenn Sie möchten, können Sie zur (Erst-)Anamnese einen Verwandten oder engen Freund mitbringen.

Welche Risiken birgt eine Anamnese?

Die Anamneseerhebung als solches birgt in der Regel keine Risiken und dient auch dazu, den vertrauensvollen Kontakt zwischen Arzt und Patient herzustellen. Die Informationen, die Sie dem Arzt oder medizinischen Fachpersonal dabei geben, unterliegen der Schweigepflicht.

In seltenen Fällen kann es zu Missverständnissen kommen, die Sie durch präzise Angaben beziehungsweise der Arzt durch genaues Nachfragen verhindern können.

Was muss man bei einer Anamnese beachten?

Die Anamnese dient der Diagnosefindung und sollte deswegen so detailliert wie möglich erfolgen. Erzählen Sie Ihrem Arzt auch Dinge, die Ihnen vielleicht in Bezug auf Ihre Beschwerden oder Erkrankung zunächst nicht wichtig erscheinen. Sie brauchen sich für nichts zu schämen und können offen mit Ihrem Arzt kommunizieren.

Sofern Sie den Arztbesuch vorher geplant haben, sollten Sie sich auf die zu erwartenden Fragen vorbereiten. Zum Beispiel, indem Sie sich in Ihrer Familie nach ähnlichen Beschwerden erkundigen, oder indem Sie die Namen, Dosierungen und Einnahmezeitpunkte Ihrer Medikamente aufschreiben. Auch eventuell existierende Allergieausweise, Impfbücher sowie – bei Schwangeren – der Mutterpass können die Anamnese erleichtern.

Sollte Ihnen während der Anamnese etwas unklar sein oder Sie sich unwohl fühlen, sagen Sie dies sofort. Im Falle einer sprachlichen Barriere kann jederzeit ein Dolmetscher das Anamnesegespräch übersetzen. 

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Valeria Dahm
Valeria Dahm

Valeria Dahm ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte an der Technischen Universität München Medizin. Besonders wichtig ist ihr, dem neugierigen Leser Einblick in das spannende Themengebiet der Medizin zu geben und gleichzeitig inhaltlichen Anspruch zu wahren.

Quellen:
  • Abt-Zegelin, A. et al.: Pflegeassistenz: Lehrbuch für Gesundheits- und Krankenpflegehilfe und Altenpflege, Thieme-Verlag, 1. Auflage 2011
  • Dahmer, J.: Anamnese und Befund: Die symptom-orientierte Patientenuntersuchung als Grundlage klinischer Diagnostik, Thieme-Verlag, 10. Auflage 2006
  • Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.: Schmerzanamnese, unter: www.schmerzgesellschaft.de (Abruf: 07.10.2021)
  • Füeßl, H. & Middeke, M.: Anamnese und Klinische Untersuchung, Thieme-Verlag, 6. Auflage 2018
  • Pschyrembel Online, Klinisches Wörterbuch: www.pschyrembel.de (Abruf 07.10.2021)
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