Parkinson; Hand

Impfung gegen Parkinson

Von , Medizinredakteurin
Lisa Vogel

Lisa Vogel hat Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Medizin und Biowissenschaften an der Hochschule Ansbach studiert und ihre journalistischen Kenntnisse im Masterstudiengang Multimediale Information und Kommunikation vertieft. Es folgte ein Volontariat in der NetDoktor-Redaktion. Seit September 2020 schreibt sie als freie Journalistin für NetDoktor.

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„Meine Hand hat mir nicht mehr gehorcht, meine Sprache war weg - ich war am Boden zerstört“, sagt Michael Hofmann. Während der 78-Jährige erzählt, klemmt er seine rechte Hand unter die linke Achsel – eben die Hand, die ihm immer wieder Probleme bereitet. Michael Hofmann hat Parkinson.

Vor etwa zehn Jahren ging es los. Auf seinem Bauernhof war er zuvor sehr aktiv, erzählt er. Doch irgendwann wollte die Hand nicht mehr so recht gehorchen. „Mir ist der Hammer aus der Hand gefallen“, berichtet der Landwirt auf einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) in München. Die Diagnose Parkinson - ein Schock. Bewegen konnte er sich bald nur noch sehr langsam, auch die Verdauung streikte. Sein liebstes Hobby musste er aufgeben – an Orgelspielen war mit der Hand nicht mehr zu denken.

Parkinsonfälle mehr als verdoppelt

Mit diesen Beschwerden ist Michael Hofmann nicht allein. In Deutschland leben etwa 400000 Menschen mit der Krankheit, die man auch Schüttellähmung nennt. Und es werden immer mehr: „Zwischen 1990 und 2016 ist die Zahl der Betroffenen weltweit von 2,5 Millionen auf 6,1 Millionen gestiegen“, sagt Prof. Günter Höglinger, erster Vorsitzender der DPG und Oberarzt der Neurologischen Klinik und Poliklinik am Klinikum rechts der Isar München.

Kein Dopamin, keine Bewegung

Die Erkrankung entsteht im Gehirn – in der sogenannten schwarzen Substanz, der Substantia nigra. Hier ansässige Nervenzellen produzieren den Botenstoff Dopamin. Es spielt bei der Steuerung von Bewegungen eine wichtige Rolle. Bei Parkinson-Patienten sterben aus ungeklärten Ursachen immer mehr der Dopamin-produzierenden Nervenzellen ab, das Dopamin reicht nicht mehr aus. Das äussert sich unter anderem in plötzlicher Bewegungshemmung, Muskelsteifheit und dem auffälligen Zittern.

„Die derzeitige Behandlung lindert nur die Symptome“, sagt Prof. Karla Eggert, zweite Vorsitzende der DPG. Bislang bekommen Patienten einen Ersatz für das fehlende Dopamin. Das mildert die Auswirkungen – eine Heilung ist das aber nicht. Zudem treten als Folge einer mehrjährigen Behandlungsdauer oft andere, typische Bewegungsstörungen auf . „Jetzt haben wir erstmals die Möglichkeit ein Therapieverfahren einzusetzen, das gegen die Ursache der Erkrankung vorgeht“, sagt Eggert.

Fehlerhaftes Eiweiss infiziert Nervenzellen

Ziel der Behandlung sind verklumpte Eiweisse, die sich in den abgestorbenen Nervenzellen von Parkinson-Patienten finden lassen. Diese sogenannten Lewy-Körper bestehen aus Anhäufungen des Proteins Alpha-Synuklein. Auch ausserhalb der Zellen kommen die Eiweissverklumpungen vor. Sie entstehen durch eine fehlerhafte Faltung des Proteins.

Irgendwann verlassen die Verklumpungen die Zelle und befallen dann die nächste – fast wie ein Virus. „Das ist der Grund für das Fortschreiten der Erkrankung“, sagt Eggert, „der Zell zu Zell Transport von krankmachendem Alpha-Synuklein“.

Antikörper fangen Verklumpungen ab

Die Oberärztin der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Giessen und Marburg ist an der Erforschung neuer Behandlungsmöglichkeiten beteiligt. Der Ansatz: Man setzt Antikörper auf das verklumpte Eiweiss an – wie bei einer Impfung. Sie sollen die Verklumpungen ausserhalb der Zellen abfangen und Parkinson so stoppen.

Derzeit laufen drei Studien und erforschen diesen Mechanismus. In Österreich entwickelt eine Studiengruppe eine aktive Immunisierung. Den Studienteilnehmern werden – wie etwa bei einer Grippeimpfung – DNA-Schnipsel des Synukleins injiziert. Darauf reagiert das Immunsystem und produziert selbst Antikörper, die das Eiweiss bekämpfen.

Studien testen Wirksamkeit

In Deutschland laufen zwei Studien, die die Möglichkeiten einer passiven Immunisierung untersuchen. Hier werden den Versuchspersonen direkt massgeschneiderte Antikörper injiziert. In der einen Untersuchung war das der Wirkstoff Prasinezumab, in der anderen ein Wirkstoff mit dem sperrigen Namen BIIB054. Die Antikörper sollen die Eiweiss-Moleküle abfangen, sobald sie eine Zelle verlassen und so verhindern, dass sie weitere Zellen befallen.

Beide Studien befinden sich in der zweiten Phase. Darin wird Sicherheit des Stoffs an gesunden Teilnehmern geprüft. Jetzt untersuchen die Forscher, ob die Antikörper tatsächlich über die Blutbahn ins Gehirn, also zu den betroffenen Nervenzellen gelangen. Die ersten Ergebnisse liegen voraussichtlich in zwei, beziehungsweise drei Jahren vor. „Unser Ziel: Nachweisen, dass die motorischen Fähigkeiten der Patienten, die diese Antikörper bekommen, sich weniger stark verschlechtern als bei Pateinten ohne die Behandlung“, sagt Neurologin Eggert.

Zielgenaue Therapie

Eine grosse Herausforderung für die Entwickler der neuen Therapie ist die nötige Zielgenauigkeit. Die Antikörper dürfen nur das krankmachende Alpha-Synuklein bekämpfen. „Das nicht verklumpte Eiweiss erfüllt eine wichtige Funktion – wahrscheinlich in der Botenstofffreisetzung und der Umstrukturierung des Gehirns“, erklärt die Oberärztin. Darum darf es von den Antikörpern nicht attackiert werden.

Wann eine solche Therapie für Parkinson-Patienten verfügbar ist, ist noch nicht absehbar. Bis dahin gilt es weiterhin, die Symptome der Erkrankung zu behandeln. Wie bei Michael Hofmann. Alle paar Monate lässt er sich von Höglinger checken und die Medikation anpassen. „Es braucht manchmal ein bisschen Korrektur, aber dann läuft das wieder“, sagt der 78-Jährige zufrieden. Bislang sind Symptome immer wieder so weit zurückgegangen, dass er sogar wieder Orgel spielen kann.

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Lisa Vogel hat Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Medizin und Biowissenschaften an der Hochschule Ansbach studiert und ihre journalistischen Kenntnisse im Masterstudiengang Multimediale Information und Kommunikation vertieft. Es folgte ein Volontariat in der NetDoktor-Redaktion. Seit September 2020 schreibt sie als freie Journalistin für NetDoktor.

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