Ampullen für einen Bluttest

Schilddrüsenhormone: Einmal Testen ist nicht genug!

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Viele Menschen in der Schweiz schlucken täglich Schilddrüsenmedikamente. Sie enthalten das Hormon Thyroxin, das für zahlreiche Körperfunktionen, etwa den Stoffwechsel, lebenswichtig ist. Endokrinologen sehen die hohen Verschreibungszahlen jedoch skeptisch.

„Ein Teil der Patientinnen und Patienten erhalten sie unnötig“, schätzte Prof. Joachim Feldkamp vom Universitätsklinikum Bielefeld Mitte, kürzlich auf einem Pressegespräch der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. „Manche bekommen seit Jahren Hormone, ohne zu wissen, warum sie sie einnehmen“, weiss der Endokrinologe aus der Praxis.

Hormone nicht ohne Rücksprache absetzen!

Natürlich gibt es viele Patientinnen und Patienten, bei denen der Nutzen der Ersatztherapie ausser Frage steht, weil beispielsweise ihre Schilddrüse aufgrund einer Krebserkrankung entfernt oder durch eine Radiojodbehandlung zerstört wurde. „In solchen Fällen ist es klar, dass die Hormone notwendig sind“, sagt Feldkamp. Hormone auf eigene Faust abzusetzen, ist dementsprechend riskant.

Auch bei einer Unterfunktion des Organs ist die Einnahme der Medikamente in vielen Fällen nötig. Zu den häufigsten Ursachen zählt die Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis, die mit einer Unterfunktion einhergehen kann.

Einen Hinweis darauf, dass die Schilddrüse nicht ausreichend arbeitet, ist der TSH-Wert im Blut. TSH steht für „Thyreoidea-stimulierendes Hormon“, ein Botenstoff der Hirnanhangsdrüse, der die Aktivität der Schilddrüse reguliert. Sind die TSH-Werte erhöht, weist das auf eine Unterfunktion hin. Doch ein einzelner Wert kann auch Ärzte schnell in die Irre führen.

TSH-Wert hängt von vielen Faktoren ab

Denn dass der TSH-Wert schwankt, ist normal. Tatsächlich wird er durch zahlreiche Faktoren beeinflusst. Das beginnt schon mit der Tageszeit der Blutentnahme: „Nachts und am frühen Morgen sind die Werte deutlich höher“, sagt der Endokrinologe. Und auch im Winter schwimmt etwas mehr TSH im Blut als im Sommer. Das liess sich nicht nur bei Arktisforschenden beobachten: Auch in gemässigteren winterlichen Breiten steigt der TSH-Wert im Winter.

Doch auch krankhaftes Übergewicht (Adipositas) kann den TSH-Wert verändern: „Er passt sich an den erhöhten Bedarf an. Das sollte nicht mit Schilddrüsenhormonen behandelt werden“, sagt Feldkamp. Nehmen die Menschen ab oder erhalten sie eine Magenoperation, fällt auch der TSH-Wert spontan ab.

Weitere Faktoren, die den TSH-Wert beeinflussen, sind akuter Schlafmangel, körperliche Anstrengung und Infektionen.

Höhere Werte bei Kindern und im Alter

Wichtig ist auch, das Alter zu berücksichtigen: Kinder und Jugendliche haben höhere Werte als Erwachsene – die Richtwerte seien daher auf sie nicht übertragbar, sagt Feldkamp. Auch im Alter steigen die Werte wieder natürlich an. Mit einer Hormontherapie müsse man dann vorsichtig sein: Werden die Schilddrüsenhormone überdosiert, können Nebenwirkungen wie Knochenabbau und Herzrhythmusstörungen auftreten.

Und dann wäre da noch die Sache mit dem Biotin. Der Wirkstoff wird als Nahrungsergänzungsmittel verkauft. Das nehmen viele ein, die beispielsweise unter Haarausfall leiden. Allerdings verfälscht die Einnahme die Laboruntersuchungen – und zieht so Fehldiagnosen nach sich.

„Einzelmessungen sind mit Vorsicht zu geniessen“

„Es ist eine Herausforderung, Werte von Hormonspiegeln richtig zu interpretieren“, sagt Feldkamp. Einzelne Messungen seien daher mit grosser Vorsicht zu geniessen. „Sie rechtfertigen fast nie eine Therapieentscheidung“, so Feldkamp.

Er empfiehlt, die Therapie nicht nach einmaliger Blutuntersuchung einzuleiten. „Ein leicht erhöhter TSH-Wert sollte erneut überprüft werden – nach mindestens zwei, besser sechs Monaten. In 50 bis 60 Prozent der Fälle normalisieren sich die Werte auch ohne Behandlung“, so der Endokrinologe.

In der Praxis sieht das häufig anders aus: Weil der Arzt oder die Ärztin hinter jedem hohen TSH-Wert gleich eine krankhaft bedingte Schilddrüsenunterfunktion vermutet, werden Schilddrüsenhormone mitunter vorschnell verschrieben.

Symptome sagen mehr aus als ein Messwert

Für die Gabe von Hormonen sollten Ärzte zudem berücksichtigen, ob der Patient oder die Patientin überhaupt unter entsprechenden Symptomen leidet. Dazu gehören eine depressive Stimmungslage, ein vermehrtes Schlafbedürfnis und Antriebslosigkeit. Aber auch Gewichtszunahme, Konzentrationsprobleme und Haarausfall sind mögliche Anzeichen einer Schilddrüsenunterfunktion.

Bei solchen Symptomen empfiehlt Feldkamp dann auch eine Überprüfung der Werte. Ein anlassloses routinemässiges Überprüfen der TSH-Werte befürwortet er nicht.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • PK Deutsche Endokrinologische Gesellschaft, 20. September 2023
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