Wie süchtig macht das Internet?

Internetabhängigkeit ist keine klar definierte Krankheit. Typische Symptome wurden aber bereits 1995 beschrieben.
Eine intensive Mediennutzung ist noch keine Sucht. Das gezückte Smartphone steht längst nicht mehr für die Abhängigkeit vereinzelter Tech-Junkies oder Onlinespiele-Nerds: Es bedeutet aktive Teilhabe an der modernen Welt.
Wir verwalten unsere Termine, überprüfen sportliche Aktivitäten und kontrollieren die Garzeit des Sonntagsbratens mittels Handys. Es erinnert uns an Geburtstage – und sollten wir tatsächlich einmal einen vergessen, so unterstützt es uns beim Auftreiben eines Last-Minute-Geschenks. Kurz: Elektronische Devices und Medien sind fixer Bestandteil unseres Alltags.
"Eine Internetnutzung von sechs Stunden täglich ist ganz normal", sagt der Sucht-Experte Dr. Roland Mader vom Anton-Proksch-Institut. Überhaupt: "Von der Nutzungsdauer lässt sich nicht auf die Abhängigkeit schließen. Aber wenn psychische oder soziale Probleme bestehen, können diese durch Internetnutzung verstärkt bzw. gefördert werden."
+++ Mehr zum Thema: Mediensucht +++
Was ist Internetsucht?
Der Begriff "Internetsucht" wurde erstmal 1995 vom amerikanischen Psychiater Ivan Goldberg beschrieben. Es gibt jedoch bis heute keine klare Definition, da das Internet viele menschliche Bedürfnisse abdeckt und eine Abhängigkeit – entsprechend der jeweiligen Persönlichkeit des Betroffenen – eher von einzelnen Aspekten besteht, als allgemein vom "Internet". Anders gesagt: Bei Spielsucht, Pornografiesucht, Sucht nach Anerkennung, Kommunikationssucht, FOMO ("Fear of Missing Out") etc. sind Abhängigkeiten, die allesamt auch "offline" bestehen können und durch Internetnutzung zwar verstärkt, aber nicht ursächlich begründet werden.
Im ICD-10, dem internationalen System zur statistischen Klassifikation von Krankheiten, fällt Internetsucht in die allgemeinere Kategorie der "substanzungebundenen Abhängigkeiten" (z.B. pathologische Spielsucht) bzw. unter "Störungen der Impulskontrolle" (z.B. Kleptomanie oder exzessives Nägelkauen).
+++ Mehr zum Thema auf gesundheitstrends.com: Was hilft gegen Nägelkauen? +++
Internetnutzung in Österreich
"In Österreich haben 89% aller Haushalte einen Internet-Anschluss. Bei Familien mit Kindern sind es sogar 100%", weiß Mader. Die meisten Nutzer finden sich in der Steiermark, die Verteilung zwischen Stadt und Land ist ausgeglichen.
Typ | Anteil | Wer? |
---|---|---|
Analoge | 29% | Mehrheitlich gut gebildete, weibliche Jugendliche, die analoge Medien wie Bücher und Briefe weiterhin nutzen |
Computerfreaks | 10% | Mehrheitlich männliche Jugendliche mit einer starken Vorliebe für Computerspiele und Filme, digital gut vernetzt, nutzen den Computer intensiv und innovativ |
Informationsorientierte | 24% | Ländlich lebende Jugendliche, für die das Internet den Zugriff auf Information erleichtert |
Musiker | 6% | Ältere, urban lebende meist männliche Jugendliche, die oft Instrumente spielen und Musik am Computer bearbeiten und produzieren |
Unterhaltungsorientierte | 31% | Mehrheitlich weibliche Jugendliche mit eher niedrigem Bildungsniveau, schauen oft fern und nutzen Internet und Social Media zur Unterhaltung |
(Quelle: Anton Proksch Institut)
Abhängigkeit und Resilienz
Unter Resilienz versteht man die psychische Widerstandsfähigkeit von Kindern gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken. Sie ist eine Art "Schutzmantel", der uns befähigt, auch mit widrigen Lebensumständen (und Rückschlägen) zurechtzukommen. Ob Jugendliche suchtgefährdet sind, hängt stark damit zusammen, wie resilient sie sind.
+++ Mehr zum Thema: Was bedeutet Resilienz? +++
Roland Mader: "Intensives Spielen am Computer ist oft eine Flucht aus der sozialen Realität und führt zunehmend zur Isolation." Auch die Weltgesundheitsorganisation sieht das als Gefährdung an und hat Computerspielsucht ("Gaming Disorder") deshalb im Jänner 2018 erstmals als Krankheit anerkannt. Spiel ist jedoch nicht gleich Spiel und was für den einen ein Risiko darstellt, bedeutet für den anderen oftmals schlicht Lebensfreude. Für resiliente Jugendliche, so der Experte, sei "Spielen eine soziale Tätigkeit. Sie spielen meist mit Freunden, soziale Vernetzung wird eher gestärkt."
Eine separate Kategorie stellt die Social-Media-Sucht dar.
Gefährdet das Internet die Gesundheit?
Unabhängig vom individuellen Suchtpotential birgt das ständige Online-Dasein auch andere Risiken:
- Cybermobbing
- Beeinflussung der Schlafqualität durch Nutzung vor allem am Abend und durch Präsenz im Schlafzimmer)
- Stress durch Multitasking (durch häufige Pop-Up-Nachrichten)
- Kurzsichtigkeit
- Orthopädische Erkrankungen ("Mausarm", "iPhone-Daumen", "Tablet-Schulter")
- Temporäre Smartphone Blindheit
+++ Mehr zum Thema: Machen elektromagnetische Felder krank? +++
Autoren:
Nicole Kolisch
Redaktionelle Bearbeitung:
Mag. Julia Wild
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