Windpocken-Impfung
Die Varizellen-Impfung (Windpocken-Impfung) schützt davor, sich mit den hochansteckenden Varicella-Zoster-Viren anzustecken. Der Schweizerische Impfplan empfiehlt sie als Basisimpfung für alle Säuglinge und als Nachholimpfung für alle Ungeimpften bis 39 Jahre, die noch nie die Windpocken hatten. Lesen Sie hier alles Wichtige über die Windpocken-Impfung.
Warum impfen?
Windpocken (Varizellen) verlaufen zwar bei vielen Patienten harmlos. Es besteht jedoch bei jeder Erkrankung die Gefahr von Komplikationen. Bei Windpocken ist das bei bis zu fünf Prozent aller Erkrankten der Fall. Dabei gilt: Je älter jemand ist, desto häufiger kommt es zu Komplikationen.
Zu diesen zählen beispielsweise bakterielle Hautinfektionen, Mittelohrentzündung und Bronchitis. Schwerwiegender, wenn auch seltener sind Komplikationen wie Lungenentzündung, Hirnhaut- und Gehirnentzündung (Meningitis, Enzephalitis), Herzmuskelentzündung, Gelenkentzündung und Entzündung der Nierenkörperchen (Glomerulonephritis).
Besonders anfällig für Komplikationen bei Windpocken sind Menschen mitgeschwächter Immunabwehr. Dabei kann eine solche Immunschwäche sowohl krankheitsbedingt als auch die Folge einer medizinischen Behandlung sein (z.B. immunsuppressive Therapie bei einer Autoimmunerkrankung oder nach einer Transplantation).
Gefährlich sind auch Windpocken bei schwangeren Frauen: Eine Erkrankung in der ersten Schwangerschaftshälfte kann bei bis zu zwei Prozent der Kinder unter anderem Hautveränderungen, Augenschäden sowie neurologische Erkrankungen und Fehlbildungen (wie einen Schwund von Hirngewebe = Hirnatrophie) hervorrufen (fetales Varizellensyndrom). Etwa drei von den zehn betroffenen Kindern sterben.
Ebenfalls gefürchtet ist eine Windpocken-Infektion beim Neugeborenen (neonatale Varizellen): Wenn Mütter um den Geburtstermin herum an Windpocken erkranken, erwischt es in etwa drei von zehn Fällen auch das Neugeborene. Die Erkrankung bricht bei ihnen zwischen dem 5. und 10. bis 12. Lebenstag aus. Ohne die Gabe von Windpocken-Antikörpern sterben bis zu 30 Prozent der betroffenen Kinder.
Mit einer Windpocken-Impfung kann man als nicht nur sich selbst schützen (vor möglichen Komplikationen), sondern zusätzlich auch vulnerable Risikogruppen – wie Immungeschwächte sowie neugeborene Babys.
Wer sollte sich wann impfen lassen?
In der Schweiz entwickelt die Eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF) in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) den Impfplan mit den aktuellen Impfempfehlungen.
Dieser sieht eine zweimalige Windpockenimpfung als Basisimpfung für alle Säuglinge vor. Bis zum 40. Lebensjahr sollten verpasste Impfungen nachgeholt werden. Die Kosten für diese Basis- und Nachholimpfungen trägt die Obligatorische Krankenpflegeversicherung.
Basisimpfung bei Säuglingen
Seit Januar 2023 sollten alle Säuglinge zweimal gegen Windpocken geimpft werden: einmal mit neun Monaten und einmal mit 12 Monaten.
Mediziner sollten dafür bevorzugt den Vierfachimpfstoff gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen (MMRV-Impfung) verwenden. Ist ein solcher nicht verfügbar, kann zum gleichen Termin ein Windpocken-Impfstoff und ein MMR-Impfstoff verabreicht werden - an zwei verschiedenen Körperstellen (z.B. linker und rechter Oberarm) oder an der gleichen Extremität in einem Abstand von mindestens 2,5 Zentimetern.
Nachholimpfung bis 39 Jahre
Bei Kindern ab 13 Monaten, Jugendlichen und Erwachsenen, die bislang keine oder nur eine Windpocken-Impfung erhalten haben und die Erkrankung auch nie hatten, sollte die Grundimmunisierung nachgeholt beziehungsweise vervollständigt werden.
Das heisst: Einmal Geimpfte erhalten die ausstehende zweite Impfdosis. Ungeimpfte bekommen wie Säuglinge zwei Impfdosen im Abstand von mindestens vier Wochen.
Wenn jemand noch nicht gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft wurde, sollten Mediziner für die Nachholimpfung einen MMRV-Impfstoff verwenden.
Ist unklar, ob jemand in der Vergangenheit schon eine Windpocken-Erkrankung durchgemacht hat, kann das Blut des Betroffenen auf Windpocken-Antikörper vom Typ Immunglobulin G (IgG) untersucht werden. Mediziner erwägen dies aber nur bei immungeschwächten Personen sowie bei Jugendlichen und Erwachsenen.
Beschäftigte im Gesundheitswesen
Beschäftigte im Gesundheitswesen sollten auf freiwilliger Basis einen fehlenden oder unvollständigen Windpocken-Impfschutz nachholen beziehungsweise vervollständigen. Auch hier ist dafür ein MMRV-Impfstoff empfohlen, wenn der Impfschutz gegen Masern, Mumps und Röteln ebenfalls unvollständig ist.
Sind Windpocken trotz Impfung möglich?
Einige Eltern fragen sich, ob ihr Kind trotz Impfung an Windpocken erkranken kann. Studien zufolge ist der Schutz vor Varizellen durch eine Impfung gegen Windpocken sehr hoch:
Die Windpocken-Impfung (zwei Impfdosen) kann mehreren Studien zufolge bei gesunden Geimpften in mehr als 80 Prozent der Fälle eine Windpocken-Erkrankung ganz verhindern und in mehr als 90 Prozent der Fälle eine schwere Erkrankung.
Wie lange dieser Schutz nach der Windpocken-Impfung gegeben ist, weiss man nicht genau. Nach bisherigen Erfahrungen hält er jedoch lange an.
Windpocken-Impfung in der Schwangerschaft?
Der Windpocken-Impfstoff ist ein Lebendimpfstoff. Er enthält also abgeschwächte Erreger, welche die Erkrankung nicht mehr auslösen.
Dennoch sind Lebendimpfstoffe während einer Schwangerschaft grundsätzlich nicht erlaubt. Der Grund ist, dass die Mutter das Impfvirus theoretisch auf das Kind übertragen kann. Deshalb sollten Frauen im gebärfähigen Alter, die sich gegen Windpocken impfen lassen, in den darauffolgenden vier Wochen möglichst nicht schwanger werden.
Wurde eine Frau versehentlich kurz vor oder während einer Schwangerschaft gegen Windpocken geimpft, ist dies aber keinesfalls ein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch! Bekannten Fällen nach zu urteilen hat die Impfung keinen schädlichen Einfluss auf das Kind.
Passive Immunisierung möglich
Was aber tun, wenn eine Schwangere, die keine IgG-Antikörper gegen Windpocken besitzt, in Kontakt mit einer an Windpocken erkrankten Person gekommen ist? Dann empfiehlt sich eine passive Immunisierung:
Die Frau bekommt fertige Antikörper gegen den Windpocken-Erreger gespritzt. Mehr zur dieser passiven Riegelungsimpfung lesen Sie unten im Abschnitt "Windpocken-Impfung nach (möglicher) Ansteckung".
Können bei der Windpocken-Impfung Nebenwirkungen auftreten?
In der Regel ist die Windpocken-Impfung gut verträglich. Wie bei jeder anderen Impfung treten möglicherweise auch hier vorübergehende Reaktionen an der Einstichstelle auf. Dazu zählen Hautrötung, Schwellung und Schmerzen.
Auch leichtes bis mässiges Fieber (unter 39,5 °C bei rektaler Messung), Kopf- und Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit und Übelkeit gehören zu den normalen Reaktionen auf eine Impfung. Die Beschwerden klingen in der Regel innerhalb von ein bis drei Tagen wieder ab.
Bei einigen Menschen entwickeln sich ein bis vier Wochen nach der Windpocken-Impfung abgeschwächte Symptome der Erkrankung auf (Impfkrankheit). Dazu zählen leichtes Fieber und ein schwach rötlicher, blasenähnlicher Hautausschlag.
Sehr selten reagieren Personen allergisch auf Inhaltsstoffe der Windpocken-Impfung.
Normalerweise sind Menschen nach einer Windpocken-Impfung nicht ansteckend. Die Übertragung des Impfvirus auf eine andere Person ist also extrem unwahrscheinlich. Sie wurde nur in sehr seltenen Einzelfällen beobachtet, und zwar bei immungeschwächten oder schwangeren Kontaktpersonen.
Windpocken-Impfung nach (möglicher) Ansteckung
Manchmal kommen Ungeschützte in Kontakt mit Erkrankten, wodurch sie sich möglicherweise mit den Windpocken-Viren anstecken. Etwa, wenn sie sich längere Zeit (mindestens eine Stunde) im gleichen Raum wie Erkrankte aufhalten oder mit diesen im gleichen Haushalt leben. Auch bei einem direkten Gesichtskontakt passiert leicht eine Virenübertragung.
In solchen Fällen gibt es die Möglichkeit, mit einer Riegelungsimpfung (postexpositionelle Varizellenimpfung) Windpocken doch noch zu verhindern oder zumindest den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen.
Diese Impfung nach Kontakt mit dem Krankheitserreger ist für empfängliche Personen vorgesehen. Damit sind Personen unter 40 Jahren gemeint, die keine Immunität gegen den Windpocken-Erreger besitzen, also die Erkrankung nie hatten oder keine IgG-Antikörper im Blut aufweisen.
Sie erhalten die "normale" (aktive) Windpocken-Impfung mit ein oder zwei Impfdosen. Begonnen werden sollte möglichst schnell nach dem Kontakt mit den Erregern – idealerweise innerhalb von drei Tagen (72 Stunden) danach, maximal innerhalb von fünf Tagen danach.
Schwangere, für die Lebendimpfungen ja verboten sind, erhalten als postexpositionelle Impfung fertige Antikörper gegen Varizellen (passive Windpocken-Impfung). Das geschieht idealerweise innerhalb von 72 bis 96 Stunden nach Kontakt mit Windpocken-Erregern. Ein positiver Effekt ist aber auch noch bei einer Antikörper-Gabe bis zehn Tage nach Kontakt nachweisbar.
Kann die Windpocken-Impfung eine Gürtelrose auslösen?
Manchmal erkranken auch gegen Varizellen geimpfte Personen an einer Gürtelrose. Diese wird durch die zwar abgeschwächten, aber immer noch lebenden Viren des Impfstoffs (Impfviren) ausgelöst. Wie die Windpocken-Wildviren können sie über Jahre in den Nervenzellen in einem "Schlummerzustand" verbleiben, aus dem sie unter Umständen wieder aufwachen und dann Herpes zoster hervorrufen.
Allerdings zeigen bisherige Erfahrungen, dass im Körper verbliebene Impfviren mit einer viel geringeren Wahrscheinlichkeit wieder aktiv werden als die Wildviren. Zudem nimmt eine Gürtelrose nach einer Windpocken-Impfung meist einen milderen Verlauf als die herkömmliche Form durch Varicella-Wildviren.
Deshalb nehmen Experten an, dass die Windpocken-Impfung in vielen Fällen zumindest vor schweren Gürtelrose-Verläufen schützt.
Entgegen mancher Mutmassungen erhöht die Windpocken-Impfung nach bisherigen Daten die Gürtelrose-Erkrankungsrate nicht!
Überdies gibt es eine eigene Gürtelrose-Impfung als Schutz gegen die Zoster-Erkrankung. Der schweizerische Impfplan sieht die Impfung bei Menschen mit intaktem Immunsystem ab einem Alter von 65 Jahren vor, bei bestehender oder absehbarer Immunschwäche dagegen schon früher. Mehr dazu lesen Sie im Beitrag Gürtelrose-Impfung.
Autoren- & Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
- Bundesministerium Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: Impfplan Österreich 2023 (Version 1.1 vom 23. Dezember 2022), unter: www.sozialministerium.at (Abrufdatum: 13.02.2023)
- Epidemiologisches Bulletin 2/2020: Empfehlung und wissenschaftliche Begrünfung für die Angleichung der beruflich indizierten Masern-Mumps-Röteln-(MMR-) und Varizellen-Impfung, unter: www.rki.de (Abrufdatum: 13.02.2023)
- Epidemiologisches Bulletin 4/2023: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut 2023, unter: www.rki.de (Abrufdatum: 13.02.2023)
- Kantonsspital St. Gallen: Guideline "Varizellen in der Schwangerschaft" (Stand: August 2022), unter: https://kssg.guidelines.ch (Abrufdatum: 13.02.2023)
- Robert Koch-Institut: RKI Ratgeber "Windpocken (Varizellen), Gürtelrose (Herpes zoster)" (Stand: 01.08.2017), unter: www.rki.de (Abrufdatum: 13.02.2023)
- Robert Koch-Institut (RKI): Schutzimpfung gegen Varizellen (Windpocken): Antworten auf häufig gestellte Fragen (Stand: 28.01.2021), unter: www.rki.de (Abrufdatum: 13.02.2023)
- Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Gesundheit: Impfung von Frauen im gebärfähigen Alter gegen Röteln, Masern, Mumps und Varizellen (Stand: März 2019), unter: www.bag.admin.ch (Abrufdatum: 13.02.2023)
- Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Gesundheit: "Neue Empfehlungen zur Impfung gegen Varizellen (Windpocken)", in: BAG-Bulletin 44 vom 31. Oktober 2022, unter: www.bag.admin.ch (Abrufdatum: 13.02.2023)
- Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Gesundheit: Schweizerischer Impfplan 2023, unter: www.bag.admin.ch (Abrufdatum: 13.02.2023)