Covid-19: Ansturm auf die Hausärzte
Verunsicherte Patienten eilen derzeit aus Furcht vor dem Coronavirus schon mit einem Schnupfen zum Hausarzt, den sie normalerweise selbst auskuriert hätten. Dabei ist die Sorge in den allermeisten Fällen unbegründet: Derzeit ist eine Erkältung oder ein grippaler Infekt um ein Vielfaches wahrscheinlicher als Covid-19. Wer wirklich mit dem Coronavirus infiziert ist, steckt andere so unnötig an und überlastet die Praxen.
Deutschlands Kassenärzte warnen eindringlich vor unnötigen Praxisbesuchen aus Sorge vor dem neuen Coronavirus. Andernfalls sehen sie die Versorgung der Bevölkerung als gefährdet an. "Umfangreichere Testung von klinisch Gesunden ist medizinischer Unfug", sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, am Dienstag in Berlin.
Erst anrufen, dann zum Arzt
Wer sich wirklich mit dem Virus infiziert hat, der wird so andere unnötig anstecken: „Erst mal anrufen und nicht direkt in die Praxis rennen“, sagt der Sprecher des Deutschen Hausärzteverbands, Christian Schmuck. „Denn wenn man nun wirklich daran erkrankt sein sollte, dann muss man das ja nicht unbedingt in ein voll besetztes Wartezimmer mit ohnehin schon geschwächten Immunsystemen reintragen.“
Eine Alternative zum Anruf beim Hausarzt ist, bei Fragen zu einer möglichen Infektion die bundesweite Rufnummer 116 117 des kassenärztlichen Notdienstes zu wählen. Allerdings war diese Nummer in den vergangenen Tagen zeitweise überlastet.
Das Virus ist weniger gefährlich als viele denken
Noch wichtiger ist, sich klar zu machen: das Virus ist für die meisten Menschen nicht übermässig gefährlich. Covid-19 sei eine milde Erkrankung, im Grunde eine Art Erkältung, die meist rasch überstanden oder von vornherein kaum zu spüren sei, betont der renommierte Virologe Christian Drosten.
Ältere oder Menschen mit Vorerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Leiden, Asthma, COPD oder Diabetes, entwickeln häufiger schwerere Verläufe, sollten die Hygieneregeln besonders beachten und sich gegen Grippe, Pneumokokken und Keuchhusten impfen lassen. Das bietet zwar keinen direkten Schutz vor Covid-19. Ist aber jemand bereits an der Lunge erkrankt, wäre für ihn eine Ansteckung mit Sars-CoV-2 besonders gefährlich, wie es etwa von der Berliner Gesundheitsverwaltung heisst.
Abgesagte Veranstaltungen sollen Lage entzerren
Messen und Sportveranstaltungen werden nicht abgesagt, weil das Virus so gefährlich ist. Hintergrund der Massnahmen ist ein anderer: Eine ungebremste Infektionswelle könnte unter anderem volle Wartebereiche und Arztpraxen, belegte Intensivbetten und überlastete Gesundheitsämter bedeuten. Je besser es gelinge, die Rate der Ansteckungen kleinzuhalten, desto geringer werde der Druck auf das Medizinsystem und die Gesellschaft, so Drosten. Es mache einen riesigen Unterschied, ob eine Ausbreitungswelle eine Bevölkerung binnen weniger Wochen oder auf zwei Jahre verteilt zu grossen Teilen erfasse.
Einrichtung zentraler Abklärungsstellen geplant
In den nächsten Tagen wird die Zahl der Infektionen absehbar weiter deutlich steigen - und damit die Besorgnis in Teilen der Bevölkerung wird eher noch zunehmen. Um die Hausärzte zu entlasten und mögliche infizierte von anderen fernzuhalten werden daher zentrale Stellen zum Abklären einer möglichen Infektion mit dem Coronavirus geplant. Sie sollen in Gesundheitsämtern, Schwerpunktpraxen und Kliniken eingerichtet werden (cf/dpa). An der Berliner Charité soll die erste bereits morgen eröffnen.