Hörtest

Von Lena Machetanz, Ärztin
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Bei einem Hörtest, auch Audiometrie genannt, wird mit verschiedenen Untersuchungsverfahren die Funktion des Gehörs überprüft. Erfasst werden unter anderem die Empfindlichkeit und das Auflösungsvermögen des Hörorgans. So erhält der HNO-Arzt genaue Informationen über die Lokalisation und das Ausmass einer Hörschädigung. Lesen Sie hier alles über den Hörtest.

Hörtest

Was ist ein Hörtest?

Um die Funktionsfähigkeit des Gehörs zu testen, stehen eine Vielzahl von Untersuchungsverfahren zur Verfügung. Man unterscheidet dabei subjektive Tests, bei denen der Patient mitarbeiten muss, von den objektiven Tests, die ohne aktive Mitarbeit des Patienten ablaufen. Die häufigsten subjektiven Hörtests sind:

  • Stimmgabeltest (Weber- und Rinne-Test)
  • Sprachaudiometrie
  • Tonschwellenaudiometrie (Tonaudiometrie)
  • überschwellige Testverfahren (Fowler-, SISI- oder Lüscher-Test)

Ein subjektiver Hörtest kann nur bei Patienten durchgeführt werden, die wach und ansprechbar sind und sich verständlich ausdrücken können. Für eingeschränkte Patienten (zum Beispiel bei Demenz) oder auch für kleine Kinder sind die objektiven Testverfahren besser geeignet. Dazu gehören:

  • Impedanzaudiometrie (Tympanometrie, Stapediusreflexmessung)
  • otoakustische Emissionen (OAE)
  • Hirnstammaudiometrie (BERA, brainstem evoked response audiometry)

Stimmgabeltest

Bereits einfache Hörtests mit einer Stimmgabel geben erste Aufschlüsse. Die gängigsten Verfahren sind der Weber-Test und der Rinne-Test. Mit diesen kann der Arzt häufig bereits entscheiden, ob beim Patienten die Übertragung von Schall (Schallleitungsstörung) oder die Schallempfindung gestört ist.

Sprachaudiometrie

Die Sprachaudiometrie ist der einzige Hörtest, der das Verstehen von Wörtern prüft. Es geht hierbei also nicht um die Fähigkeit, eine bestimme Lautstärke noch wahrzunehmen, sondern darum, bei vielen Nebengeräuschen noch Sprache zu verstehen. Dazu wird in der Regel der sogenannte „Freiburger Sprachtest“ verwendet. Voraussetzung ist, dass der Patient die deutsche Sprache beherrscht.

Tonaudiometrie im Hörschwellenbereich

Das Tonaudiogramm dient der Bestimmung der individuellen Hörschwelle des Patienten. Das ist die Wahrnehmungsgrenze, in welchem der Patient den Ton einer bestimmten Frequenz gerade noch wahrnehmen kann. Mit diesem Hörtest überprüft der Arzt die Funktionsfähigkeit des Innenohrs.

Tonaudiometrie: Überschwellige Testverfahren

Das gesunde Innenohr besitzt die Fähigkeit, leisere Töne zu verstärken und sehr laute Töne zu dämpfen. Der Verlust dieser Fähigkeit ist für Betroffene oft problematisch, da leise Töne nicht mehr wahrgenommen und laute Töne als sehr unangenehm empfunden werden.

Das Ausgleichen von Lautstärken überprüft der HNO-Arzt mit den sogenannten überschwelligen Tests: Das sind Untersuchungsverfahren, bei denen die angebotenen Geräusche so laut sind, dass sie deutlich vom Patienten wahrgenommen werden können. Zu diesen gehören zum Beispiel der sogenannte Fowler-Test, der SISI-Test (Short Increment Sensiticity Index, Empfindlichkeit für kurze Lautstärkeerhöhungen) und der Lüscher-Test.

Impedanzaudiometrie

Bei einer Impedanzaudiometrie misst der Arzt den akustischen Widerstand des Trommelfells, also den Schallanteil, der vom Trommelfell zurückgeworfen wird. Dieser Hörtest dient der Diagnose von Mittelohrschädigungen wie zum Beispiel Trommelfellrissen. Er setzt sich aus zwei Verfahren zusammen:

  • Tympanometrie (Messung des Widerstandes in Abhängigkeit vom Druck im Gehörgang)
  • Messung des Stapediusreflex

Der sogenannte Steigbügel ist eines der drei Gehörknöchelchen des Mittelohres. Er leitet die Schallenergie, die auf das Trommelfell trifft, vom Mittelohr auf das Innenohr weiter. Am Steigbügel befindet sich ein kleiner Muskel, der Musculus stapedius, der das Knöchelchen bei sehr lauten Geräuschen vom Trommelfell wegzieht, um deren Weiterleitung zu verhindern. Dies bezeichnet man als Stapediusreflex.

Otoakustische Emissionen (OAE)

Als otoakustische Emissionen bezeichnet man leiseste, nicht hörbare Töne, die aus dem Ohr abgegeben werden. Sie entstehen an den äusseren Haarzellen im Ohr: Diese schwingen bei leisen Tönen nach, um das Signal zu verstärken und an die inneren Haarzellen weiterzuleiten, wo das eigentliche Hören stattfindet.

Die äusseren Haarzellen geben darüber hinaus durch das Schwingen eigene Töne ab, die durch das Ohr nach aussen abgestrahlt werden und im Gehörgang mit einer Mikrofonsonde gemessen werden können. Man unterscheidet bei den OAE folgende Typen:

  • spontane OAE (leise Dauertöne, die ohne einen Reiz abgegeben werden)
  • transitorisch evozierte OAE (Entstehung nach kurzen Reizen)
  • OAE von Verzerrungstönen

Transitorisch evozierte OAE und OAE von Verzerrungstönen sind im Hörtest ab einem gewissen Hörverlust nicht mehr nachweisbar.

Hirnstammaudiometrie (BERA)

Dieser Hörtest prüft, wie gut der Hörnerv und der für das Hören zuständige Bereich des Gehirns auf Reize reagieren. Zu diesem Zweck misst der Arzt die elektrische Aktivität der Nerven und des Hirnstamms, ganz ähnlich wie die Messung der elektrischen Aktivität beim EKG des Herzens. Die Hirnstammaudiometrie kann auch beim schlafenden, komatösen oder narkotisierten Patienten angewandt werden.

Wann führt man einen Hörtest durch?

Grundsätzlich wird ein Hörtest immer dann durchgeführt, wenn Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung von Tönen und Geräuschen auftreten. Auch ein Hörsturz, Ohrgeräusche (Tinnitus) oder Schwindelereignisse erfordern eine Funktionsüberprüfung des Gehörs. Bei arbeitsmedizinischen Untersuchungen von Menschen, die in ihrem Beruf starkem Lärm ausgesetzt sind, ist ein regelmässiger Hörtest besonders wichtig.

Für Erwachsene ist der Hörtest Bestandteil der jährlichen Vorsorgeuntersuchung. Bei Kindern wird in der Regel ein Hörtest bei jeder Vorsorgeuntersuchung bis zum Alter von neun bis zehn Jahren durchgeführt.

Was macht man bei einem Hörtest?

Die verschiedenen Untersuchungsverfahren unterscheiden sich in ihrem Ablauf.

Hörtests mittels Stimmgabel

Beim Weber-Hörtest schlägt der Arzt eine Stimmgabel an und setzt diese auf die Mittellinie des Schädels. Der Ton wird nun über die Schädelknochen ans Ohr geleitet. Hört der Patient den Stimmgabelton auf beiden Seiten gleich laut ist er gesund oder die Hörstörung besteht auf beiden Ohren gleichermassen. Wird der Ton auf einer Seite lauter wahrgenommen, ist entweder die Schallleitung auf diesem Ohr oder aber die Schallempfindung der Gegenseite geschädigt.

Beim Rinne-Test vergleicht der Arzt die Luft- und die Knochenleitung des Ohres. Dazu schlägt er eine Stimmgabel an und setzt sie auf das Schläfenbein knapp hinter dem Ohr auf. Jetzt hört der Patient den Ton über die Knochenleitung. Sobald er ihn nicht mehr wahrnimmt, hält der Arzt die immer noch schwingende Stimmgabel vor das Ohr. Jetzt sollte der Patient den Stimmgabelton besser hören  können, ansonsten kann eine Schallleitungsstörung vorliegen.

Sprachaudiometrie

Dem Patienten werden über einen Kopfhörer vorgegebene Zahlen oder Wörter vorgelesen. Die Anzahl der verstandenen Worte oder Zahlen trägt der Arzt als Prozentwert in Abhängigkeit des verwendeten Schalldruckpegels in ein sogenanntes Sprachaudiogramm ein.

Tonaudiometrie im Hörschwellenbereich

Bei diesem Hörtest wird jedes Ohr gesondert getestet. Über einen Tongenerator werden dem Patienten über einen Kopfhörer Töne in verschiedenen Höhen (Frequenzen) vorgespielt. Diese variiert der Arzt in ihrer Lautstärke, beginnend mit einem ganz leisen Ton. Der Patient gibt an, sobald er den Ton hören kann. Die unterschiedlichen Tonhöhen werden zusammen mit ihrer hörbaren Frequenz in ein sogenanntes Tonaudiogramm eingetragen. Anhand dessen erklärt der Arzt dem Patienten den individuellen Befund.

Tonaudiometrie: Überschwellige Hörtests

Der Fowler-Test bietet sich für einseitige Hörstörungen an: Der Arzt vergleicht hierbei die Lautstärkeempfindung des geschädigten Ohres mit dem des anderen. Dazu spielt er dem Patienten einen Ton jeweils eine halbe Sekunde auf der einen, dann auf der anderen Seite vor. Der Patient empfindet den Ton auf dem geschädigten Ohr als lauter, da die Anpassung im Innenohr nicht funktioniert. Nun regelt der Arzt den Lautstärkepegel gesunden Ohr solange nach, bis der Patient beide Töne gleich laut wahrnimmt. Die Pegelwerte trägt der Arzt in ein spezielles Diagramm ein.

Der SISI-Test eignet sich hingegen für beidseitige Innenohrstörungen. Der Arzt prüft mit einem speziellen Audiometer das Unterscheidungsvermögen des Gehörs für Lautstärkeänderungen. Alle fünf Sekunden erhöht das Gerät die Lautstärke um ein Dezibel. Der Patient gibt jeweils an, wenn der Ton lauter geworden ist.

Ganz ähnlich verläuft der Hörtest nach Lüscher: Hier sucht der Arzt den kleinsten Wert, bei dem der Patient eine Änderung der Lautstärke gerade noch bemerkt. Dazu verändert er die Lautstärke eines Tons alle 250 Millisekunden. Sobald der Patient eine Lautstärkenänderung empfindet, gibt er dem Arzt Bescheid.

Impedanzaudiometrie (Tympanometrie, Stapediusreflexmessung)

Durch einen leichten Zug an der Ohrmuschel nach hinten streckt der Arzt den Gehörgang und führt eine Gehörgangssonde ein. Diese Sonde besteht aus einem Lautsprecher, einem Mikrofon zur Messung des zurückgeworfenen Schallanteils und einem Druckschlauch, der den Druck im Gehörgang regelt. Die Sonde dichtet den Gehörgang nach aussen ab und zeichnet ein Tympanogramm auf: Dazu wird der Druck im äusseren Gehörgang so weit erhöht, bis er genauso gross wie hinter dem Trommelfell ist. Unter diesen Bedingungen ist der Anteil des zurückgeworfenen Schalls am geringsten und der Arzt kann den Druck im Innenohr ermitteln.

Im Anschluss erfolgt die Stapediusreflexmessung: Mit derselben Sonde wie bei der Tympanometrie wird ein Ton in verschiedenen Frequenzen abgegeben und die Lautstärke so lange gesteigert bis der Stapediusreflex ausgelöst wird.

Hörtest mit otoakustischen Emissionen (OAE)

Wie bei der Impedanzaudiometrie führt der Arzt eine empfindliche Reiz- und Messsonde in den Gehörgang des Patienten ein. Diese Sonde gibt leise klickende Geräusche ab, die ins Innenohr geleitet werden. Darauf reagieren die äusseren Haarzellen und geraten in Schwingung. Die dabei entstehenden Töne werden an den Gehörgang abgegeben und von der Sonde registriert. Wird kein oder nur ein sehr schwaches Signal erfasst, kann das auf eine Störung der Sinneszellen im Ohr hindeuten.

Hirnstammaudiometrie (BERA)

Für die Hirnstammaudiometrie befestigt der Arzt drei Elektroden an unterschiedlichen Stellen am Kopf des Patienten. Es ist dafür nicht notwendig, die Kopfbehaarung zu rasieren! Über Kopfhörer werden verschiedene Töne eingespielt und die entstehenden Reize vom Hörnerv an das Hörzentrum im Gehirn geleitet und dort verarbeitet. Die Elektroden messen die dabei entstehende Hirnaktivität.

Welche Risiken birgt ein Hörtest?

Bei allen Hörtest-Verfahren ergeben sich für den Patienten keine Risiken oder Nebenwirkungen. Bei den subjektiven Hörtests kann es durch unzureichende Mitarbeit des Patienten zu falschen   Ergebnissen kommen, sodass eine Hörstörung nicht entdeckt und behandelt wird.

Was muss ich nach einem Hörtest beachten?

Da der Hörtest eine einfach und ungefährliche Untersuchung ist, müssen Sie danach keine Vorsichtsmassnahmen beachten. In der Regel kann Ihnen der Arzt direkt im Anschluss an den Hörtest den Befund erklären und eine Diagnose stellen. Für den Fall, dass bei Ihnen eine Hörschädigung festgestellt worden ist, erläutert Ihr Arzt Ihnen die Behandlungsmöglichkeiten, etwa die Versorgung mit einem Hörgerät.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Quellen:
  • Berbohm, H. et al.: Kurzlehrbuch Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Georg Thieme Verlag, 2012.
  • Dörfler, H. et al.: Medizinische Gutachte, Springer Verlag, 2. Auflage, 2015.
  • Hoth, S. et al.: Objektive Audiometrie im Kindesalter, Springer Verlag, 2015.
  • Hoth, S. & Neumann, K.: Das OAE-Handbuch, Georg Thieme Verlag, 2006.
  • Lenhardt, E. & Laszig, V.: Praxis der Audiometrie, Georg Thieme Verlag, 9. Auflage, 2009.
  • Mrowinski, D.: Audiometrie, Georg Thieme Verlag, 4. Auflage, 2011.
  • Reiß, M.: Facharztwissen HNO-Heilkunde, Springer Verlag, 2009.
  • Strutz, J. & Mann, W.: Praxis der HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Georg Thieme Verlag, 2. Auflage, 2010.
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