Warum Nachtmenschen häufiger Diabetes entwickeln
Nachtmenschen haben es schwer: Ob Schul- oder Arbeitsbeginn - in unserer Gesellschaft ticken die Uhren gegen ihren Biorhythmus. Das könnte gesundheitliche Auswirkungen haben: Wie Daten von mehr als 60.000 Personen zeigen, ist das Risiko für ausgeprägte Nachtmenschen, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, um 72 Prozent erhöht, für gemässigte Nachtmenschen immerhin um 21 Prozent.
Leben gegen die innere Uhr
Dabei ist es wohl weniger der Chronotyp selbst beziehungsweise die zugrundeliegenden Gene, die das Risiko für die Stoffwechselerkrankung in die Höhe treiben, sondern das Leben gegen die persönliche innere Uhr. Denn Nachtmenschen stecken häufig in einem dauernden Jetlag, sind entsprechend erschöpfter und wohl auch gestresster.
Für die Studie hatten Forschende des Brigham and Women's Hospital und der Harvard Medical School Daten von mehr als 63.000 Krankenschwestern im Alter von 45 bis 62 Jahren ausgewertet. Diese hatten zum Studienbeginn im Jahr 2009 keine Vorgeschichte von Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes. Fast 2000 von ihnen entwickelten in den nachfolgenden acht Jahren einen Diabetes.
Nachteulen leben ungesünder
Auffällig war, dass Teilnehmerinnen, die angaben, abends besonders leistungsfähig zu sein und gern spät zu Bett gehen, mit um 54 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit einen ungesunden Lebensstil pflegten. Hierin dürfte die Hauptursache für das erhöhte Diabetesrisiko liegen, mutmassen die Forschenden.
Schlechter Schlaf: Nachteulen, deren Tag-Nachtrhythmus mutmasslich häufig nicht mit der inneren Uhr im Einklang stand, schlafen schlechter als Morgenmenschen. Eine schlechte Schlafqualität und Schlafmangel sind Faktoren, die bereits in verschiedenen früheren Untersuchungen mit Übergewicht und Diabetes in Zusammenhang gebracht wurden.
Wenig Bewegung: Zudem bewegten sich die Nachtmenschen unter den Teilnehmerinnen weniger. Dass hierfür die Energie fehlt, sofern man chronisch übermüdet ist, leuchtet unmittelbar ein. Bewegungsmangel aber begünstigt naturgemäss Übergewicht und Diabetes.
Mehr Zigaretten: Ausserdem rauchten die eher nachtaktiven Frauen häufiger. Verschiedenen Untersuchungen zufolge verdoppelt Rauchen das Diabetesrisiko. Mediziner vermuten, dass Nikotin und Kohlenmonoxid das Ansprechen der Körperzellen auf das blutzuckersenkende Hormon Insulin reduziert. Das wiederum ist die Basis für einen Typ-2-Diabetes.
Gestörter Glukose- und Lipidstoffwechsel?
Neben dem Lebensstil könnten auch physiologische Prozesse das Diabetesrisiko von Nachteulen, die gegen die innere Uhr leben müssen, erhöhen. So könnte unter anderem der Zucker- und Fettstoffwechsel gestört sein und eine Insulinresistenz begünstigt werden.
Der chronische Jetlag könnte zudem oxidativen Stress, Entzündungen und Unregelmässigkeiten im Hormonhaushalt fördern. Oxidativer Stress ist eine Stoffwechsellage, bei der sehr viele schädliche Sauerstoffverbindungen (freie Radikale) im Körper vorliegen.
Die Forschenden schlagen vor, dies bei der Einteilung in Arbeitsschichten zu berücksichtigen. Bei der untersuchten Gruppe der Krankenschwestern und anderen Schichtarbeitenden wäre das sicher für manche eine lohnende Option. In andern Berufssparten dürfte es deutlich schwieriger sein, den Arbeitsrhythmus an den Lebensstil anzupassen.
Schwäche der Studie
Das Forschungsteam weist selbst auf eine Schwäche der Studie hin: Die untersuchte Gruppe (Krankenschwestern) ist sehr einheitlich. Daher müssen weitere Untersuchungen zeigen, ob die gefundenen Zusammenhänge auch für Männer und andere berufs- und soziale Gruppen gelten.
Gene bestimmen den Chronotyp
Zu welcher Tages- oder Nachtzeit ein Mensch besonders wach und leistungsfähig ist, wird von den Genen bestimmt. Für diese Erkenntnis erhielten die US-Wissenschaftler Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young 2017 den Medizin-Nobelpreis. Rund acht Prozent der Bevölkerung gehören Schätzungen zufolge dem Abendchronotyp (“Nachtmenschen”) an.
Autoren- & Quelleninformationen
- Rauchen und Passivrauchen verursachen Typ 2 Diabetes Deutsches Krebsforschungszentrum, Stabsstelle Krebsprävention, 2008
- Sina Kianersi et al.: Chronotype, Unhealthy Lifestyle, and Diabetes Risk in Middle-Aged U.S. Women, https://doi.org/10.7326/M23-0728