Endoskop während einer Darmspiegelung

Darmkrebs: Was bringt KI bei der Darmspiegelung?

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Alle NetDoktor.ch-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Eine Darmspiegelung mit KI-Unterstützung entdeckt auch Polypen, die Arzt oder Ärztin übersehen hätte. Allerdings ist auch die Künstliche Intelligenz nicht perfekt.

Bei einer Darmspiegelung (Koloskopie) werden verdächtige Strukturen wie Darmpolypen (Adenome) direkt entfernt. Allerdings entgeht auch dem medizinisch geschärften Blick ein Teil der Tumoren: Im Schnitt übersehen Ärztinnen und Ärzte etwa jede vierte mögliche Krebsvorstufe. Mögliche Gründe sind ungünstige Bilder von der Dickdarmschleimhaut, aber auch menschliche Faktoren wie Ablenkung oder Müdigkeit der Untersuchenden.

Das ist problematisch, denn aus übersehenen Polypen können sich in der Zeit zwischen zwei Koloskopien Krebstumoren entwickeln. Untersuchungen legen nahe, dass etwa die Hälfte dieser sogenannten Interrimstumoren von übersehenen Polypen stammt.

Wie deutlich verbessert die KI die Trefferquote?

Mithilfe künstlicher Intelligenz soll sich die Trefferquote verbessern lassen. Entsprechende Geräte mit sogenannter Computer-assistierter Detektion (CAD) sind in den USA und Europa schon zugelassen. Bei der Fahrt der Kamera durch den Darm wertet die KI parallel die Bilddaten im Hintergrund aus. Verdächtige Strukturen markiert sie direkt. Die Dauer der Untersuchung bleibt dabei gleich.

Ein internationales Forschungsteam mit deutscher Beteiligung hat nun untersucht, ob die KI-gestützte Trefferquote tatsächlich höher ist als der ärztliche Blick allein.

Dazu rekrutierten die Forschenden mehr als 900 Kandidatinnen und Kandidaten für eine Darmspiegelung. Die Hälfte von ihnen unterzog sich einer konventionellen Darmspiegelung, die andere Hälfte erhielt eine CAD.

Bei eje einem Teil der Teilnehmenden beider Gruppen führten die Forschenden „Tandem-Untersuchungen“ durch: Die Teilnehmenden erhielten beide Untersuchungen am selben Tag– die Hälfte zuerst die Standardkoloskopie, die übrigen zuerst die CAD.

Mensch plus KI entdeckt 37 Prozent mehr Polypen

Das Ergebnis: Mit der Unterstützung von KI entdeckten die Medizinerinnen und Mediziner bei 449 Untersuchungen 314 mögliche Adenome – pro Untersuchung waren es im Schnitt damit 0,7 (Adenom Detection Rate, ADR).

Unter der konventionellen Koloskopie waren es 238 verdächtige Veränderungen auf 467 Koloskopien. Die durchschnittliche Rate der entdeckten Adenome pro Untersuchung lag damit deutlich niedriger, nämlich bei 0,51. Mit Hilfe der CAD-Koloskopie wurden demnach 37 Prozent mehr Polypen entdeckt.

Allerdings ist nicht jede zunächst verdächtige Veränderung im Darm tatsächlich eine Krebsvorstufe. Dies stellt sich erst bei der anschliessenden Zelluntersuchung heraus.

Darum werteten die Forschenden zusätzlich aus, bei wie vielen der entfernten verdächtigen Veränderungen es sich tatsächlich um eine Krebsvorstufe handelte. Dieser Anteil war bei der konventionellen Darmspiegelung mit 66 Prozent etwas höher als bei der CAD (59 Prozent).

Das spricht dafür, dass der ärztliche Blick potenziell gefährliche Veränderungen seltener übersieht als harmlose. Allerdings reicht die Zahl der Teilnehmenden nicht aus, um dies mit Sicherheit sagen zu können.

Auch mit KI-Unterstützung wird nicht jeder Polyp entdeckt

Untermauert wird die Überlegenheit der CAD durch die Tandemuntersuchungen: Im Rahmen der konventionellen Koloskopie übersahen die Ärztinnen und Ärzte 16 von 45 Adenomen (35 Prozent). Diese wurden erst beim zweiten Durchgang mit der CAD entdeckt und entfernt.

Wurde zuerst die CAD-Untersuchung durchgeführt, rutschten nur 11 von 59 Veränderungen (19 Prozent) durchs Fahndungsraster. Sie wurden bei der anschliessenden konventionellen Darmspiegelung aufgespürt und entfernt.

Ob sich mit Hilfe der KI-gestürzten Untersuchungen am Ende tatsächlich mehr Interrimstumore und Darmkrebstodesfälle verhindern lassen, lässt sich aus den Studiendaten nicht ableiten, betonen die Autorinnen und Autoren. Dazu sind grössere Untersuchungen und längere Beobachtungszeiträume nötig.

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Autor:

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Michiel H J Maas et al.: A computer-aided polyp detection system in screening and surveillance colonoscopy: an international, multicentre, randomised, tandem trial, The Lancet Digital Health, 2024, doi: 10.1016/S2589-7500(23)00242-X
Teilen Sie Ihre Meinung mit uns
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie NetDoktor einem Freund oder Kollegen empfehlen?
Mit einem Klick beantworten
  • 0
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
0 - sehr unwahrscheinlich
10 - sehr wahrscheinlich