Covid-19: Begünstigt die Blutgruppe schwere Verläufe?
Bei vielen Infizierten verläuft eine Sars-CoV-2 Infektion leicht oder sogar symptomfrei, manche jedoch erkranken schwer oder sterben. Dabei spielen Risikofaktoren wie Alter, Vorerkrankungen Übergewicht und Rauchen eine Rolle. Doch auch jüngere, ansonsten gesund Menschen können schwer erkranken.
Risikofaktor Blutgruppe A
Nun zeigt sich: Eine Schlüsselrolle für den Krankheitsverlauf könnte auch die Blutgruppe spielen. Patienten mit der Blutgruppe A haben möglicherweise ein bis zu 50 Prozent höheres Risiko für einen schweren Verlauf. Das geringste Risiko tragen offenbar Menschen mit der Blutgruppe Null.
Das berichtet ein Forscherteam um Andre Franke von der Universität Kiel und Tom Karlsen von der Universität Oslo in einer Vorabveröffentlichung ihrer Studie.
Auffällige Genvarianten im Erbgut schwer Erkrankter
Die Forscher hatten das Erbgut von rund 1600 schwer an Covid-19 Erkrankten aus Spanien und Italien untersucht, die eine Sauerstofftherapie benötigten oder sogar beatmet werden mussten. Dieses verglichen sie mit der DNA von mehr als 2000 gesunden Menschen. Dabei stiessen sie auf zwei kurze Genabschnitte, sogenannte Snippets, deren Varianten das Risiko für schwere Verläufe erhöhen.
Eines davon lag in der Nähe des genetischen Bauplans für ACE2– jenes Oberflächenmolekül, das Sars CoV-2 als Einfallspforte in die Zellen nutzt. Das Zweite aber betraf die Region, die über die Blutgruppe eines Menschen entscheidet.
Chinesische Forschung bestätigt Zusammenhang
Schon vorangegangene Untersuchungen lieferten Hinweise darauf, dass die Blutgruppe eine Rolle im Krankheitsverlauf spielen könnte: Bereits im März waren chinesische Wissenschaftler nach Untersuchung von 2000 Pateinten zu dem Schluss gekommen, dass Menschen mit der Blutgruppe A häufiger schwer erkranken.
Darüber hinaus könnte auch der Rhesusfaktor wichtig sein: Eine US-amerikanische Untersuchung bestätigt ebenfalls ein höheres Risiko für Menschen mit der Blutgruppe A – allerdings vor allem dann, wenn sie zusätzlich Rhesus-positiv waren.
Auf welchem Wege die Blutgruppe den Covid-19-Verlauf beeinflussen könnten, ist noch ungeklärt. Doch es gibt Hypothesen.
Entzündungsreaktionen werden befeuert
Zum Einen könnte die kritischen Genvariante Entzündungsreaktionen befeuern. Eine massive Immunrektion, ein sogenannter Zytokinsturm, ist die Ursache für viele schwere oder tödliche Verläufe von COVID-19.
Ein weiterer möglicher Faktor ist die Blutgerinnung. Das genetische Snippet, das über die Blutgruppe entscheidet, ist den Wissenschaftlern zufolge mit gerinnungsfördernden Faktoren verbunden. Bei Sars-CoV-2 ist die Blutgerinnung verstärkt, sodass sich häufiger Blutgerinnsel bilden. Wandern diese in die Lunge oder das Gehirn, sind potenziell tödliche Lungenembolien oder Schlaganfälle die Folge.
Der Einfluss der Gerinnungsneigung
Menschen mit Blutgruppe Null haben von Haus aus eine weniger starke Gerinnungsneigung. Das könnte dazu beitragen, dass bei ihnen Covid-19 seltener schwer verläuft.
Für die Therapie könnte eine Berücksichtigung der Blutgruppe sinnvoll sein. So könnte man erkrankte Menschen mit Blutgruppe A engmaschiger überwachen und möglicherweise zukünftig schon früher mit Medikamenten wie mit dem auch in Deutschland vor der Zulassung stehenden Remdesivir behandeln.
So verbreitet sind die Blutgruppen
In Deutschland ist die mit Sars-CoV-2-Infektionen in Verbindung stehende Blutgruppe A mit 43 Prozent am häufigsten vertreten dicht gefolgt von Blutgruppe 0 mit 41 Prozent, deren Besitzer vor schweren Verläufen eher geschützt scheinen. Blutgruppe B haben nur 11 Prozent der Menschen, die Blutgruppe AB nur fünf Prozent.
Autoren- & Quelleninformationen
- David Ellinghaus et al.: The ABO blood group locus and a chromosome 3 gene cluster associate with SARS-CoV-2 respiratory failure in an Italian-Spanish genome-wide association analysis, medRxiv preprint, https://doi.org/10.1101/2020.05.31.2011499, 02.06.2020