Röntgenaufnahme einer Hüftfraktur

Vegetarier erleiden häufiger Hüftfrakturen

Alle NetDoktor.ch-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Eine vegetarische Ernährung bietet einige gesundheitliche Vorteile. Allerdings steigt damit das Risiko, sich eine Hüftfraktur zuzuziehen. Sowohl Männer als auch Frauen, die sich fleischlos ernähren, haben ein um 50 Prozent höheres Risiko für einen Bruch der Hüfte als Menschen, die regelmässig Fleisch verzehren, zeigt eine grosse britische Studie.

Niedriger BMI ist ein Risikofaktor

Die Gründe für diesen Zusammenhang sind derzeit noch nicht vollständig geklärt. Ein möglicher Faktor: Vegetarier sind im Schnitt schlanker als Menschen, die auch Fleisch essen. „Ein niedrigerer Body-Mass-Index (BMI) bei Vegetariern erklärt etwa ein Viertel ihres höheren Risikos für Hüftfrakturen“, erklärt Studienleiter James Webster von der Universität Leeds auf Nachfrage von NetDoktor.

Dass zumindest schlankere Frauen häufiger einen Hüftbruch erleiden als fülligere, hat schon eine frühere Untersuchung des britischen Forschungsteams gezeigt. Fettleibige Frauen waren dabei sogar noch besser vor Hüftfrakturen geschützt als solche, die lediglich übergewichtig waren.

Eine mögliche Erklärung ist, dass das Gewicht permanenten Zug auf die Knochen ausübt und so einen Reiz zur Verdichtung der Knochenmasse aussendet. Hinzu kommt die tatsächliche Pufferwirkung des Fettgewebes bei einem Sturz.

Welche Rolle spielen Proteine?

Doch das erklärt erst einen Teil des Phänomens. „Weitere Gründe könnten eine geringere Proteinaufnahme über die Nahrung sein“, so Webster. Der Anteil der Personen, die die empfohlenen Verzehrmengen von Proteinen nicht erreichten, war in der Gruppe der Vegetarier um 17 Prozent höher als unter den Fleischessern.

„Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Proteine aus Pflanzen für den menschlichen Körper etwas weniger gut geeignet sind als solche aus tierischen Quellen“, erklärt Webster gegenüber NetDoktor. Dafür fehlten allerdings noch sichere Belege.

Auch eine geringere Versorgung mit Vitamin D und Kollagen bei vegetarischer Kost könne laut Webster eine Rolle spielen. Doch auch hierfür reichten die Belge noch nicht aus.

Fischverzehr fast ebenso wirksam wie Fleischmahlzeiten

Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen hatte der Forscher Daten von fast 414.000 Männern und Frauen ausgewertet, die zwischen 2006 und 2010 in der UK Biobank gesammelt worden waren. Die Teilnehmenden waren damals zwischen 40 und 69 Jahre alt und hatten unter anderem Angaben zu ihrer Ernährung gemacht.

  • Als regelmässige Fleischesser stufte das Forschungsteam Teilnehmende ein, die angaben, wöchentlich fünfmal oder öfter Fleisch zu verzehren.
  • Als gelegentliche Fleischesser wurden all jene klassifiziert, die seltener als fünfmal pro Woche Fleisch assen.
  • Hinzu kamen Pescetarier, die Fisch, aber kein Fleisch zu sich nahmen.
  • Die vierte Gruppe stellten Vegetarier, die Milchprodukte assen, aber auf Fisch und Fleisch verzichteten.

Die Zahl der Veganer, die auf alle tierischen Nahrungsmittel verzichteten, war für eine statistische Erfassung zu gering: „Es waren nur rund 400 Personen“, berichtet Webster.

Bis zum Jahr 2021 erlitten 3503 (0,8 Prozent) der Teilnehmenden den Krankenhausdaten zufolge eine Hüftfraktur. Damit war das Gesamtrisiko zwar gering. Vegetarier traf es aber erheblich öfter: Sowohl die Männer als auch Frauen, die sich fleischlos ernährten, erlitten mit um 50 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit einen solchen Bruch als Fleischesser.

Fleisch schützt auch bei gelegentlichem Verzehr

Dabei spielte es keine Rolle, ob die Personen nur gelegentlich oder regelmässig Fleisch verzehrten. Das Hüftfraktur-Risiko für Pescetarier war gegenüber dem von Fleischessern nur leicht erhöht, nämlich um 8 Prozent.

Konkret bedeutet das, dass innerhalb von zehn Jahren 9,5 von 1000 Vegetariern eine Hüftfraktur erlitten, 7 von 1000 Pescetariern und 6,5 von 1000 Fleischessern.

Insgesamt überwögen die gesundheitlichen Vorteile einer vegetarischen Ernährung deutlich die Risiken, betont Webster. Um Knochen und Muskeln gesund zu erhalten, müssten Vegetarier allerdings besonders darauf achten, dass sie sich ausgewogen und mit genügend Protein ernähren. Für Veganer könne das in einem noch höheren Masse gelten, so der Wissenschaftler.

Sport ist wichtiger als Körpermasse

Einen wichtigeren Hebel, um Hüftfrakturen vorzubeugen, haben zudem frühere Untersuchungen herausgearbeitet: Sport. Er schützt noch wirksamer vor Hüftfrakturen als Übergewicht.

Körperliches Training schützt die Knochen gleich zweifach: Es wirkt dem Verlust von Knochenmasse entgegen. Ausserdem verbessert es Muskelkraft und Balance und verringert so die Gefahr, überhaupt zu stürzen.

Das Risiko für Hüftfrakturen nimmt mit dem Alter erheblich zu. Ein solcher Bruch kann Gesundheit, Selbstständigkeit und Lebensqualität der Betroffenen dauerhaft beeinträchtigen. In einer alternden Gesellschaft spielten vorbeugende Faktoren daher zunehmend eine Rolle, betont Webster.

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Quellen:
  • Webster, J. et al.: Risk of hip fracture in meat-eaters, pescatarians, and vegetarians: a prospective cohort study of 413,914 UK Biobank participants. BMC Med 21, 278 (2023), 27. Juli 2023, DOI: 10.1186/s12916-023-02993-6
  • Webster, J. et al.: Risk of hip fracture in meat-eaters, pescatarians, and vegetarians: results from the UK Women’s Cohort Study. BMC Med 20, 275 (2022), 11 August 2022, DOI: 10.1186/s12916-022-02468-0
Teilen Sie Ihre Meinung mit uns
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie NetDoktor einem Freund oder Kollegen empfehlen?
Mit einem Klick beantworten
  • 0
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
0 - sehr unwahrscheinlich
10 - sehr wahrscheinlich