Adipöse Frau

Unterschätztes Übergewicht: Der BMI liegt oft daneben

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Der Body Mass Index (BMI) ist zur Einordnung des Gewichts verbreitet. Doch die Einschätzung ist sehr ungenau: Viele, die laut BMI als normalgewichtig gelten, sind in Wirklichkeit zu dick.

Für die Berechnung des BMIs benötigt man nur Körpergrösse und Gewicht - Masse, die leicht zu ermitteln sind und die viele Menschen von sich kennen. Darum ist die Methode so erfolgreich. Ab einem BMI von 25 gilt man als übergewichtig, ab 30 beginnt die Fettleibigkeit (Adipositas). Allerdings ist der BMI allein sehr unpräzise.

Um das zu illustrieren, wird gern das Beispiel vom Bodybuilder herangezogen: ein Mann mit viel Muskelmasse, topfit, kraftstrotzend mit wenig Fettmasse und gesundem Stoffwechsel – aber laut BMI übergewichtig.

Normalgewichtig mit dickem Bauch

Gefährlicher ist es, wenn Menschen laut BMI als normalgewichtig durchgehen, obwohl sie viel zu viel Fettmasse eingelagert haben. Riskant ist insbesondere das viszerale Fett im Bauchraum, das die Entstehung von Folgeerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Leiden oder Diabetes fördert.

Forschende von der Rutgers Robert Wood Johnson Medical School in New Brunswick haben überprüft, wie hoch der Anteil der Personen ist, die laut BMI normalgewichtig sind – in Wirklichkeit aber zu dick.

Dazu nutzte das Team um Aayush Visaria sogenannte Ganzkörper-DXA-Messungen. Damit lassen sich präzise die Anteile an Fett- und Muskelgewebe, Knochengewebe und Wasser im Körper bestimmen. Die untersuchten Personen waren zwischen 20 und 59 Jahre alt und hatten an der National Health and Nutrition Examination Survey teilgenommen.

Die Forschenden stuften Männer ab einem Körperfettanteil von 25 Prozent als fettleibig ein. Frauen, die von Natur aus mehr Fettgewebe haben, galten ab einem Köperfettanteil von 36 Prozent als adipös.

Die Hälfte der Fettleibigen fällt beim BMI durchs Raster

Der Abgleich mit den BMI-Werten ergab: 36 Prozent der Teilnehmenden waren bereits laut BMI fettleibig. Dem Body-Scan zufolge aber waren es mehr als doppelt so viele – nämlich 74 Prozent. Hochgerechnet auf die Bevölkerung wären das nahezu drei von vier Erwachsenen.

Besonders gross war die Diskrepanz bei den asiatisch- und hispanisch-stämmigen Teilnehmern: 49 Prozent der Teilnehmer, die laut BMI noch normalgewichtig waren, bescheinigte der Body-Scan Fettleibigkeit. Bei ihnen entfiel ein grösserer Teil des Körpergewichts in Form von Fettgewebe auf den Rumpf.

Von den europäisch-stämmigen Teilnehmern mit BMI-Normalwerten waren 44 Prozent adipös.

Am geringsten war die Diskrepanz beim Körperbau von schwarzen Studienteilnehmenden mit einem BMI im Normbereich: Von ihnen waren nur 29 Prozent laut Körperscan fettleibig.

Körperfettwaagen und Bauchumfang

Die Forschenden fordern angesichts der Ergebnisse, bei der Einstufung von Übergewicht präziser vorzugehen. Da ein DEXA-Scan aufwendig, teuer und daher in der Breite unrealistisch ist, schlagen sie eine Messung des Körperfettanteils mit entsprechenden Waagen vor, die bereits vergleichsweise günstig zu haben sind.

Ebenfalls aussagekräftiger wäre eine Messung des Bauchumfangs. Bei Frauen sollte dieser maximal 80 cm betragen, bei Männern maximal 94 cm. Als fettleibig gelten Frauen ab einem Taillenumfang von 88 Zentimetern und Männer ab einem Bauchumfang von 102 cm.

Visaria fordert: „Klinische Einschätzungen sollten nicht ausschliesslich vom BMI abhängen, sondern vielmehr von einer Gesamtschau der Körperzusammensetzung und der Körperfettverteilung."

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Pressemitteilung zur Jahrestagung der Endocrine Society in Chicago, 16. Juni 2023
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