Frau macht eine Pause von ihrem Training im Freien

Sport: Wirksamer als ein Antidepressivum?

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Bewegung ist nicht nur für den Körper, sondern auch für die Seele wichtig – darüber ist man sich in der Wissenschaft schon lange einig. Eine grosse Übersichtsstudie zeigt nun: Die Heilkraft von Sport ist bei Depressionen sogar noch grösser als bislang gedacht. Demnach könnte eine Sporttherapie sogar bis zu 1,5-mal wirksamer als Medikamente oder eine Psychotherapie sein.

Die Forschenden um Ben Singh von der University of South Australia hatten 97 Übersichtsstudien zu dem Thema mit fast 130.000 Teilnehmenden ausgewertet. „Wir haben festgestellt, dass alle Arten von körperlicher Aktivität und Bewegung von Vorteil sind, einschliesslich aerober Übungen wie Gehen, Krafttraining, Pilates und Yoga“, sagt Studienleiter Singh.

Sport als gleichwertige Therapie anerkennen

Die Forschenden betonen, dass körperliche Aktivität nicht nur als Ergänzung, sondern als gleichwertiger Ansatz zur Behandlung von Depressionen und Angsterkrankungen gewertet werden sollte.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine weitere Übersichtsstudie der Universität Potsdam, die 41 Studien mit mehr als 2000 Teilnehmenden verglich.

Sport normalisiert die Stressreaktion

Auf welchem Wege Sport Depressionen lindern könnte, dazu gibt es verschiedene Erklärungsansätze. So scheint körperliche Aktivität die Stressreaktion über die sogenannte Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHN-Achse) zu normalisieren. Dadurch sinkt die Konzentration des Stresshormons Cortisol im Körper.

Eine Forschungsgruppe der Ruhr-Uni Bochum hat zudem gezeigt, dass durch Sport die sogenannte Neuroplastizität des Gehirns steigt. Dabei handelt es sich um die Fähigkeit des Denkorgans, sich an Herausforderungen anzupassen, indem es neue Nervenverbindungen herstellt. Bei Menschen mit Depressionen ist diese Fähigkeit herabgesetzt.

Sport scheint ausserdem Überaktivitäten im präfrontalen Kortex zu reduzieren, die bei vielen Personen mit Depressionen beobachtet werden. Hier sehen Forschende einen Zusammenhang mit den typischen Grübelschleifen aus negativen Gedanken, von denen Menschen mit Depressionen häufig geplagt sind.

Psychotherapie und Medikamente helfen nicht allen Betroffenen

Tatsächlich verlaufen die klassischen Behandlungsansätze nicht immer erfolgreich: „Mit einer Psychotherapie werden nur Remissionsraten von 50 Prozent erreicht, und sie ist in der Regel kostenintensiv“, schreibt die Potsdamer Gruppe um Andreas Heissel. Bei der Behandlung mit Antidepressiva wiederum träten häufig Nebenwirkungen auf, und es komme nicht selten zu Rückfällen.

„Zudem erhielten zwei Drittel der Erwachsenen mit Depressionen gar keine angemessene Behandlung“, monieren die Autoren. Mit einer gezielten Sporttherapie könnte auch Personen geholfen werden, die eine Psychotherapie oder Antidepressiva ablehnen oder Letztere nicht vertragen.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Brüchle, W. et al.: Physical Activity Reduces Clinical Symptoms and Restores Neuroplasticity in Major Depression, in: Frontiers in Psychiatry , 09.06.2021
  • Heissel, A. et al: Exercise as medicine for depressive symptoms? A systematic review and meta-analysis with meta-regression, in: British Journal of Sports Medicine, 2023
  • Singh, B. et al.: Effectiveness of physical activity interventions for improving depression, anxiety and distress: an overview of systematic reviews, in: British Journal of Sports Medicine, 29.09.2023, doi: 10.1136/bjsports-2022-106195
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