Frau im Wartezimmer

Social Freezing: Nicht die Karriere ist der Grund

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Frauen, die vor dem Kinderkriegen Karriere machen wollen, legen ihre Eizellen kurzerhand aufs Eis? Was häufig vermutet wird, ist aber eher die Ausnahme. Die meisten Frauen, die sich zu diesem Schritt entschliessen, haben schlicht keinen Partner an ihrer Seite, der als Vater infrage käme. Dieses Schicksal trifft Singlefrauen ebenso wie solche, deren Partner nicht bereit ist für die Vaterschaft.

Seit das Einfrieren von Eizellen möglich ist, machen immer mehr Frauen davon Gebrauch. Als „Social Freezing“ bezeichnet man das Verfahren, wenn es nicht gesundheitsbedingt ist – wie beispielsweise vor einer Chemotherapie. Findige Arbeitgeber subventionieren die Methode sogar, um ihre jungen Angestelltinnen länger bei der Stange zu halten und sie lieber später als früh in den Mutterschutz zu verabschieden.

Es fehlen die passenden Partner

Doch das Karriereargument zieht offenbar weniger als viele glauben: „Meist liegt es daran, dass ihnen eine stabile Partnerschaft mit Männern fehlt, die bereit sind, Verantwortung für ein Kind zu übernehmen“, erklärt Dr. Marcia Inhorn von der Yale University.

Die Wissenschaftlerin hat Tiefeninterviews mit 150 Frauen geführt, die Eizellen in einer Fertilitätsklinik einfrieren liessen. Davon stammten 114 aus den USA und 36 aus Israel. Die Forscher befragten Sie sie ausführlich zu ihrer Lebenssituation, ihren Vorstellungen zum Kinderkriegen, ihren Motiven, ihren Hoffnungen und Befürchtungen.

85 Prozent der Befragten waren zur Zeit der Vitrifikation, wie das extrem schnelle Einfrieren von Eizellen genannt wird, ohne Partner. Sie waren Singles, geschieden, lebten in Scheidung oder hatten sich getrennt. Einige waren Singlemütter aus freien Stücken, andere entschlossen sich zu diesem Schritt, bevor sie ins Ausland gingen.

Die 15 Prozent, die einen Partner, nannten folgende Gründe: dass dieser noch nicht bereit sei, Vater zu werden oder die Vaterschaft ganz ablehne, die Partnerschaft noch zu neu oder zu unsicher sei, oder der Partner weitere Partnerinnen hätte.

Karriereplanung nur selten der Grund

Der am seltenste genannte Beweggrund in beiden Gruppen war die Karriereplanung. „Die meisten Frauen waren in ihren späten 30ern. Sie hatten ihre Ausbildung abgeschlossen und ihre Karriereziele erreicht“, sagt Inghorn. „Diese Frauen hoffen, später einen geeigneten Partner kennenzulernen oder durch künstliche Befruchtung Mutter zu werden“, so die Wissenschaftlerin. Ihre Eizellen einzufrieren ermöglichte ihnen weiterhin die Chance auf ein Kind.

Keine Garantie für ein Kind

Allerdings ist die Konservierung von Eizellen keine Garantie für Nachwuchs. Das zeigt eine aktuelle Auswertung des Brüsseler Zentrums für Reproduktionsmedizin. Nur ein gutes Drittel der befruchteten und eingepflanzten Eizellen mündete tatsächlich in eine Schwangerschaft. Ob es klappt, hängt auch davon ab, in welchem Alter sich die Frauen zu diesem Schritt entschliessen.

Ein Grossteil dieser unter durchaus belastenden Umständen gewonnenen und teuer konservierten Eizellen kommt ohnehin nie soweit: Nur 7,6 Prozent der 563 Frauen sind bislang wiederaufgetaucht und haben ihre Eizellen befruchten und einsetzen lassen. Wie viele der übrigen Frauen in Zukunft das noch tun werden, ist offen.

Schonendes Schockfrosten

Eizellen enthalten sehr viel Wasser. Beim Einfrieren kann es Kristalle bilden, die das Ei beschädigen. Früher hat man zur Kältekonservierung auf Slow Freezing gesetzt. Die Eizelle wurde langsam eingefroren, gleichzeitig entzog man ihr Wasser. Allerdings waren mit dieser Methode nach dem Auftauen nur noch die Hälfte der Eizellen tatsächlich verwendbar.

Mit der Entwicklung der sogenannten Vitrifikation hat sich das geändert: Die Eizellen werden bei 196 Grad Celsius schockgefrostet. Dabei gehen sie sofort in einen glasähnlichen Zustand über. Sie bleiben so über viele Jahre hinweg intakt. 95 Prozent der so gewonnenen Einzellern sind fürs Einpflanzen geeignet.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Only 7 percent of social egg freezers have returned for fertility treatment at a large European center Pressemitteilung European Society of Human Reproduction and Embryology, 3.07.2018
  • Partnership problems and not career planning mainly explain why women are freezing their eggs, Pressemitteilung European Society of Human Reproduction and Embryology, 2.07.2018
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