Cannabis in der Schwangerschaft: Riskant fürs Kind?
Schwangere Frauen sollten vorsichtshalber auf Cannabis verzichten: Studien an Rhesusaffen liefern erneut Hinweise darauf, dass der Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol) die Entwicklung des ungeborenen Kindes nachhaltig stören könnte.
Cannabis ist bekannt dafür, dass es den Appetit anregt und Übelkeit lindern kann, zum Beispiel während einer Chemotherapie. Von diesem Effekt erhoffen sich auch manche Schwangere einen Nutzen: Vor allem in den ersten Monaten der Schwangerschaft leiden viele von ihnen unter zum Teil heftigem Unwohlsein. Cannabis erscheint manchen Frauen als natürliches Heilmittel.
Unklare Auswirkungen auf den Fötus
„Cannabis ist eine der am meisten verbreiteten Drogen, sodass allgemein angenommen wird, dass ihr Konsum völlig sicher ist“, sagt Dr. Lyndsey Shorey-Kendrick von der Oregon Health & Science University. Die potenziellen Auswirkungen des vorgeburtlichen Cannabiskonsums auf die Entwicklung des Fötus seien jedoch nach wie vor unbekannt, so die Forscherin.
Tatsächlich haben frühere Studien bereits einen Zusammenhang von Cannabis in der Schwangerschaft und neurologischen Störungen beim Kind nahegelegt.
Die Forscherin und ihr Team haben nun untersucht, ob und inwiefern Cannabinoide das Erbgut des Nachwuchses trächtiger Rhesusäffinnen beeinflussen. Ein Teil der Versuchstiere bekam täglich eine Dosis von 2,5 mg Cannabinoide pro 7 kg Körpergewicht ins Futter gemischt, die übrigen Tiere erhielten ein Placebo.
Veränderte Genregulierung
Im genetischen Code der Föten fanden die Forscher daraufhin zwar keine auffälligen Veränderungen – wohl aber auf der sogenannten epigenetischen Ebene. Hier regulieren unter anderem bestimmte Methylgruppen, die sich an den DNA-Strang anlagern, welche Gene abgelesen werden und welche nicht.
Derartige epigenetische Muster werden unter anderem durch den Lebensstil geprägt – aber auch schon vor der Geburt durch Einflüsse im Mutterleib. In dieser Phase ist die Entwicklung des Nachwuchses sehr anfällig für Störungen. Ungünstige oder fehlerhafte epigenetische Muster können dabei während der Zellteilung an die neu entstehenden Tochterzellen weitergegeben werden.
Auswirkungen auf Plazenta und Gehirn
Veränderte epigenetische Muster fand das Team vor allem im Bereich der Plazenta, die die Entwicklung der Föten massgeblich mitbestimmt, sowie in deren Gehirnen. Die Veränderungen entsprachen jenen, die schon früher bei neurologischen Verhaltensstörungen wie Autismus und ADHS beobachtet wurden.
Bei den Affen, die lediglich ein Placebo erhielten, fanden die Forschenden derartige Veränderungen nicht.
Es ist daher nicht auszuschliessen, dass der Konsum von Cannabis in der Schwangerschaft die Entwicklung des ungeborenen Kindes nachhaltig stören kann. Eine vorgeburtliche THC-Exposition über einen längeren Zeitraum könne die neuronale und sensomotorische Entwicklung sowie das spätere soziale und emotionale Verhalten des Kindes stören, schreiben die Forschenden.
Nimmt der Cannabiskonsum in der Schwangerschaft künftig zu?
Bedenklich ist das vor allem vor dem Hintergrund, dass mit der Legalisierung von Cannabis in vielen US-Bundesstaaten auch schwangere Frauen häufiger THC-haltige Substanzen konsumieren. „Der Cannabiskonsum unter Schwangeren, insbesondere während des kritischen Entwicklungsfensters in den ersten drei Monaten, hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt“, schreiben die Autorinnen und Autoren. „Die Hälfte derjenigen, die Cannabis konsumieren, wird dies auch während der gesamten Schwangerschaft tun.“
Autoren- & Quelleninformationen
- Lyndsey E. Shorey-Kendrick et al.: Prenatal delta-9-tetrahydrocannabinol exposure is associated with changes in rhesus macaque DNA methylation enriched for autism genes, Clin Epigenet, 6. Juli 2023, https://doi.org/10.1186/s13148-023-01519-4