Man mit Businesstasche geht

Bewegungshäppchen senken Blutdruck und Blutzucker

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Der Mensch ist für viel Bewegung gemacht – in der Realität verbringen viele den grössten Teil des Tages aber im Sitzen. Auch eifriges Sporttreiben in der Freizeit kann die negativen Effekte nicht vollständig ausgleichen, zeigen verschiedene Studien. Experten empfehlen daher regelmässig Bewegungspausen einzulegen.

Wie viel Bewegung ist nötig?

Doch wie viel Bewegung muss sein, damit sie wirkt? Dieser Frage gingen US-amerikanische Wissenschaftler auf den Grund. Sie simulierten achtstündige Büroarbeitstage, indem sie elf Teilnehmende auf ergonomischen Stühlen sitzen liessen. Diese durften dabei lesen, sich am Computer beschäftigen oder anderen sitzenden Tätigkeiten nachgehen.

Aufstehen und Herumgehen aber waren streng reglementiert. An jeweils einem von vier Tagen folgten die Teilnehmenden folgenden Bewegungsmustern:

  • alle 30 Minuten für 5 Minuten Bewegung
  • alle 30 Minuten für 1 Minute Bewegung
  • alle 60 Minuten für 5 Minuten Bewegung
  • alle 60 Minuten für 1 Minute Bewegung

Blutdruck und Blutzuckerwerte wurden während des Experiments engmaschig kontrolliert. Zudem wurde überwacht, dass sich die Teilnehmer nicht mehr bewegten als vorgesehen. Nur der Gang zur Toilette war ausserhalb der Reihe möglich.

Blutdruck senken in einer Minute

Das Ergebnis zeigte, dass der Blutdruck bereits bei einer stündlichen Unterbrechung erheblich profitierte. Schon eine Minute alle 60 Minuten auf dem Laufband reichte dann aus, um die Werte signifikant zu senken. Das war sogar etwas mehr als bei Teilnehmenden mit einer 5-minütigen Bewegungseinheit alle 30 Minuten.

„Warum das so ist, ist eine gute Frage“, gibt Studienleiter Prof. Keith Diaz, PhD, von der Columbia University auf Nachfrage von NetDoktor zu. Allerdings betrage der Unterschied weniger als einen Punkt. „Ich würde also nicht unbedingt sagen, dass die eine Variante einer anderen überlegen ist“, sagt der Physiologe.

Im Vergleich zum achtstündigen Dauersitzen bewirkten alle Bewegungshäppchen eine signifikante Abnahme des Blutdrucks um 4 bis 5 mmHg. "Das ist eine beträchtliche Senkung, vergleichbar mit der, die man erwarten würde, wenn man sechs Monate lang täglich Sport treiben würde", sagt Diaz.

Ist die Durchblutung der Beine der Hebel?

Warum schon so wenig Bewegung reicht, um eine Blutdrucksenkung zu bewirken, dazu haben die Forschenden eine Hypothese: „Durch die Sitzhaltung entstehen Krümmungen und Verengungen in den Blutgefässen der Beine. Dies verändert letztendlich den Blutfluss und kann eine Blutdrucksteigerung bewirken“, erklärt Diaz.

Regelmässige kurze Spaziergänge normalisierten den Blutfluss in den Beinen und beugten so Blutdruckschwankungen vor. „Wir vermuten, dass der Blutfluss in den Beinen sich schnell normalisiert und keine grossen Mengen an körperlicher Aktivität erfordert“, so der Wissenschaftler.

2 x 5 Minuten gegen Blutzuckerspitzen

Der Blutzuckerspiegel hingegen ist anspruchsvoller: Hier muss man etwas mehr Bewegungszeit investieren, um relevante Erfolge zu erzielen. Solche gab es der Studie zufolge nur an Tagen, an denen die Teilnehmenden sich alle halbe Stunde für fünf Minuten bewegten. Eine Minute Bewegung brachte zwar ebenfalls einen kleinen Effekt, gesundheitlich war dieser aber eher irrelevant.

Bei diesem Muster aus 30-minütigen Sitzzeiten und 5-minütigen Bewegungshäppchen fielen auch die Blutzuckerspitzen nach den Mahlzeiten deutlich flacher aus. Auch dies ist eine dem Stoffwechsel und der allgemeinen Gesundheit höchst zuträgliche Tendenz.

Auch die Stimmung steigt

Während des Experiments testeten die Forschenden zudem die Stimmung, Müdigkeit und kognitive Leistung der Teilnehmer. Mit Ausnahme des Musters „einminütige Bewegungspause alle 60 Minuten“ verringerten alle Gehprogramme deutlich die Müdigkeit und hoben die Stimmung. Die kognitiven Fähigkeiten hingegen verbesserten sich durch die Bewegungshäppchen nicht.

"Die Auswirkungen auf Stimmung und Müdigkeit sind wichtig", sagt Diaz. "Menschen neigen dazu, Verhaltensweisen zu wiederholen, die ihnen ein gutes Gefühl geben und die ihnen Spass machen".

"Wir wissen jetzt, dass man sich für eine optimale Gesundheit regelmässig bei der Arbeit bewegen muss, zusätzlich zu einem täglichen Sportprogramm", fasst Diaz die Ergebnisse zusammen.

Viele kleine Spaziergänge, grosser Effekt

Der Empfehlung in dem oft eng getakteten Büroalltag dann auch zu folgen, dürfte zwar eine Herausforderung sein – aber sich lohnen. Diaz: "Das mag zwar unpraktisch klingen, aber unsere Ergebnisse zeigen, dass selbst kleine, über den Arbeitstag verteilte Spaziergänge das Risiko für Herzkrankheiten und andere chronische Krankheiten deutlich senken können."

Derzeit testen die Columbia-Forscher den Effekt an einer grösseren Gruppe Teilnehmenden und mit insgesamt 25 Mustern von Bewegungsintervention.

Autoren- & Quelleninformationen

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Andrea T. Duran et al.: Breaking Up Prolonged Sitting to Improve Cardiometabolic Risk: Dose-Response Analysis of a Randomized Cross-Over Trial, Medicine & Science in Sports & Exercise ():10.1249/MSS.0000000000003109, 12. January 2023, DOI: 10.1249/MSS.0000000000003109
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