Schüssel voll Beeren

Alterndes Gehirn: Esst mehr Beeren!

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Flavanole färben Obst und Gemüse bunt. Die Stoffe könnten insbesondere für die Gedächtnisleistung älterer Menschen wichtig sein.

Das menschliche Gehirn büsst mit zunehmendem Alter an Leistungsfähigkeit ein – das eine mehr, das andere weniger schnell. Da wir die genetischen Faktoren nicht grundsätzlich beeinflussen können, wird der Lebensstil zum wichtigsten Hebel, um das Denkorgan möglichst lange fit zu halten. Ein Aspekt davon ist die Ernährung.

Brauchen ältere Gehirne spezielle Nährstoffe?

„Möglicherweise benötigt das alternde Hirn spezifische Nährstoffe für eine optimale Gesundheit“, mutmasst Neuropsychologe Prof. Adam Brickman von der Columbia University. Vergleichbar sei das mit der inzwischen gut belegten Notwendigkeit bestimmter Nährstoffe für die gesunde Hirnentwicklung von Kindern, so der Forscher.

Schon früher haben Untersuchungen bestimmte Wirkstoffe ins Visier genommen, die Alterungsprozessen im Gehirn entgegenwirken könnten: Flavanole. Sie kommen ausschliesslich in Pflanzen vor und färben diese rot, blau, gelb oder violett. Vor allem aber haben sie gesundheitsfördernde Effekte, die bislang nur in Teilen verstanden sind.

Flavanole fördern Nervenwachstum

Unter anderem ergaben vorangegangene Experimente mit Mäusen, dass Flavanole - insbesondere eine bioaktive Substanz namens Epicatechin - das Wachstum von Neuronen und Blutgefässen im sogenannten Hippocampus förderten und so das Gedächtnis der Tiere verbesserten. Dabei handelt es sich um eine Hirnregion, die für das Abspeichern neuer Erinnerungen zuständig ist.

Das Team um Brickman hat den Effekt von Flavanolen nun mithilfe von mehr als 3500 über 60-Jährigen untersucht. Diese füllten zunächst einen umfangreichen Fragebogen zu ihrer Ernährung aus und absolvierten einen Gedächtnistest. Anschliessend erhielt ein Teil von ihnen eine Dosis von 500 mg Flavanolen am Tag, darunter 80 mg Epicatechin. Die übrigen erhielten ein Placebo.

Falvanolcheck im Urin

Mehr als ein Drittel der Teilnehmer gab ausserdem Urinproben ab, anhand derer die Forschenden den über Nahrung und Nahrungsergänzungsmittel zugeführten Flavanolgehalt objektiv bestimmen konnten. Dazu nutzten sie einen bestimmten Biomarker, den sie im Vorfeld gefunden hatten.

Ein solches Vorgehen ist eine Besonderheit und wertet die Aussagekraft der Studie erheblich auf: Viele Studien zur Ernährung stützen sich ausschliesslich auf die Angaben der Teilnehmenden, die entsprechend verzerrt sein können.

Verbesserte Gedächtnisleistung

Nach einem Jahr testeten die Forschenden erneut die Gedächtnisleistung ihrer Probanden: Teilnehmende, die angegeben hatten, sich schlechter zu ernähren und deren Flavanol-Werte anfangs niedrig lagen, verbesserten ihre Gedächtniswerte unter der Flavanol-Einnahme im Vergleich zur Placebo-Gruppe um durchschnittlich 10,5 Prozent.

Mehr noch: Auch im Vergleich zu ihrer Gedächtnisleistung bei Studienbeginn schnitten sie besser ab. Ihre Werte steigerten sich um durchschnittlich 16 Prozent. Jährliche kognitive Tests zeigten zudem, dass die nach einem Jahr beobachtete Verbesserung mindestens zwei weitere Jahre anhielt.

Wer sich gesund ernährt braucht keine Nahrungsergänzungsmittel

Personen jedoch, die aufgrund ihrer Ernährung bereits gut mit Flavanolen versorgt waren, verbesserten ihre Gedächtnisleistung auch mithilfe der Nahrungsergänzungsmittel nicht. Das bedeutet: Wer sich gesund ernährt, braucht keine Nahrungsergänzungsmittel.

Die Ergebnisse deuteten stark darauf hin, dass Flavanol-Mangel zu einem altersbedingten Gedächtnisverlust beitragen könnte, schreiben die Autorinnen und Autoren. Allerdings könne man aus ethischen Gründen keine Gegenprobe machen. Diese würde darin bestehen, Personen mit guten Flavoanol-Ausgangswerten diese für längere Zeit zu entziehen.

Alternder Hippocampus schwächt das Gedächtnis

Vorangegangene Untersuchungen der Gruppe um Brickman hatten einen Zusammenhang zwischen altersbedingtem Gedächtnisverlust und Veränderungen in einem speziellen Areal im Hippocampus, dem sogenannten Gyrus dentatus, gezeigt. Flavanole scheinen die Funktion genau in dieser Hirnregion zu verbessern.

Buntes Obst, Gemüse und Kakao liefern Flavanole

Flavanole sind insbesondere in bunten Gemüsen und Obst enthalten: Beeren, Apfelschalen, rote und gelbe Paprika. Das Flavanol Epicatechin findet sich vor allem in Kakao, Weintrauben und Tee.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Adam M. Brickman et al.: Dietary flavanols restore hippocampal-dependent memory in older adults with lower diet quality and lower habitual flavanol consumption, PNAS, 30. Mai 2023, https://doi.org/10.1073/pnas.2216932120
  • Sekundäre Pflanzenstoffe und Gesundheit, Deutsche Gesellschaft für Ernährung, www.dge.de, Abruf 03.07.2023
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