Aktivkohle

Von , Apotheker und Pharmazie-Journalist
Mag. pharm. Christopher Waxenegger

Christopher Waxenegger studierte Pharmazie an der Universität Wien. Es folgten die erfolgreiche Fachprüfung für den Apothekerberuf sowie die freie Mitarbeit in einer Arztpraxis mit dem Schwerpunkt Medikationsanalyse. Seit 2020 widmet er sich dem Fachjournalismus und verfasst Sachtexte zu verschiedenen Gesundheitsthemen. Im Urlaub erkundet Christopher gerne die schottischen Highlands und genießt die Ruhe der Natur.

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Mit Aktivkohle behandelt man hauptsächlich akute Durchfallerkrankungen und Vergiftungen. Während bei der Durchfall-Behandlung wenige Gramm ausreichen, verwendet man bei Vergiftungen Mengen im dreistelligen Bereich. Weil Aktivkohle auch die Wirkung von Arzneimitteln aufhebt (neutralisiert), sollte man sie nicht gleichzeitig mit anderen Medikamenten einnehmen. Erfahren Sie mehr über Aktivkohle, ihre Wirkweise und Anwendungsgebiete!

Hand mit Kohletabletten

Was ist Aktivkohle?

Aktivkohle ist ein geschmack- und geruchloses schwarzes Pulver. Durch seine vielen Poren hat es eine sehr grosse Oberfläche. Aktivkohle wird aus pflanzlichen, tierischen, mineralischen oder petrochemischen Stoffen (z.B. Braun- und Steinkohle) gewonnen.

Aktivkohle: Wirkweise

Aktivkohle bindet andere Stoffe an ihre Oberfläche (es adsorbiert sie). Adsorbierte Stoffe gelangen durch diese Bindung nicht oder zumindest schlechter in den Blutkreislauf und werden unverändert über den Stuhl ausgeschieden. Das macht man sich bei Durchfallerkrankungen und Vergiftungen zunutze.

Aktivkohle wirkt rein physikalisch durch ihre grosse Oberfläche. Sie bindet also die Giftstoffe (Toxine) an sich, ohne jedoch selbst in den Blutkreislauf aufgenommen zu werden. Bei diesen Giftstoffen kann es sich um organische und anorganische Stoffe, Bakterien oder Medikamente handeln.

Es gibt aber auch Situationen, in denen Aktivkohle keine Wirkung hat. Etwa bei Stoffen, die aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Giftigkeit (Toxizität) erst in Dosen über 50 Gramm schädlich sind (wichtigstes Beispiel ist Ethanol, also Alkohol).

Anwendungsgebiete

Mit Aktivkohle behandelt man vor allem akute unspezifische Durchfälle. Vor allem bei Reisen in Ländern mit niedrigem Hygienestandard ist Aktivkohle ein bewährtes Mittel bei Durchfall.

In der Medizin benutzt man Aktivkohle auch bei Vergiftungsnotfällen, um oral aufgenommene Gifte aus dem Organismus zu entfernen.

Richtige Anwendung

Aktivkohle gibt es in verschiedenen Darreichungsformen. Am häufigsten sind gepresste Tabletten (sogenannte Compretten).

Aktivkohle gegen Durchfall

Die übliche Dosis für Erwachsene, Jugendliche und Kinder ab zwei Jahren gegen akuten unspezifischen Durchfall sind dreimal täglich jeweils vier Tabletten (zu je 250 Milligramm Aktivkohle). Das entspricht einer Tagesdosis von 3000 Milligramm (drei Gramm). Die Tabletten werden entweder zerkaut oder unzerkaut mit reichlich Flüssigkeit eingenommen.

Wenn Sie Aktivkohle einem Kleinkind geben wollen, zerkleinern Sie die Tabletten gründlich und mischen Sie das entstandene Pulver mit zähflüssiger oder breiiger Nahrung. Das erleichtert die Einnahme.

Aktivkohle wird so lange eingenommen, bis der Stuhlgang wieder normal ist. Hält der Durchfall länger als drei Tage an, ist ein Arztbesuch empfehlenswert.

Unspezifische Durchfälle sind meist harmlos und verlaufen selbstlimitierend, sie hören also von alleine wieder auf. Oft sind Viren oder eine veränderte, ungewohnte Ernährung (z.B. im Urlaub) die Ursache. Wird der Durchfall von Fieber, Schmerzen oder Blut im Stuhl begleitet, ist ärztliche Hilfe gefragt.

Aktivkohle bei Vergiftung

Bei einer akuten Vergiftung ist es wichtig, die Aktivkohle so früh wie möglich einzunehmen. Die erforderliche Dosis orientiert sich am Körpergewicht der vergifteten Person.

Wenn Sie glauben, dass sich Ihr Kind oder Sie selbst vergiftet haben, kontaktieren Sie schnellstmöglich die Giftnotrufzentrale!

Fachgesellschaften empfehlen bei Erwachsenen mit 50 bis 100 Gramm Aktivkohle zu starten und anschliessend alle zwei bis vier Stunden weitere 25 bis 50 Gramm einzunehmen. Bei Kindern beginnt man in der Regel mit ein bis zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht und fährt mit 0,25 bis 0,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht alle zwei bis vier Stunden fort.

Unter ärztlicher Aufsicht oder in Absprache mit einem Spezialisten wird so lange weiter behandelt, bis es der betroffenen Person deutlich besser geht. Vor allem bei Giften, die länger im Körper zirkulieren, ist eine wiederholte Einnahme der Aktivkohle über 24 Stunden sinnvoll (z.B. bei einer Vergiftung durch Amatoxin aus dem Knollenblätterpilz).

Aktivkohle für die Zähne

Seit einigen Jahren gibt es immer mehr Kosmetik- und Pflegeprodukte mit Aktivkohle. Peelings, Duschgele und Gesichtsmasken werden besonders gerne damit angereichert.

Zahnpasta mit Aktivkohle („schwarze Zahnpasta“) soll die Zähne weisser machen und Verfärbungen abtragen. Wirklich nachgewiesen ist das aber nicht. Einige Mediziner raten sogar ausdrücklich vom Gebrauch schwarzer Zahnpasta ab, da sie den Zahnschmelz angreifen kann.

Aktivkohle gegen Bauchfett

Schwarze Lebensmittel („Black Food“) sollen den Körper beim Abnehmen und Entgiften unterstützen. Bei diesem aus den USA und Japan kommenden Trend werden Lebensmittel mit Aktivkohle schwarz gefärbt. In Europa muss dies durch die E-Nummer E153 auf der Zutatenliste gekennzeichnet werden.

Die beworbene Wirkung ist wissenschaftlich jedoch nicht nachgewiesen. Aktivkohle adsorbiert darüber hinaus nicht nur schädliche Stoffe, sondern alle – darunter auch lebenswichtige Nährstoffe, Vitamine und Mineralien. Regelmässig konsumiert sind also Mangelerscheinungen möglich.

Da auch Medikamente (z.B. die Pille) gebunden werden, sollten Menschen, die ein Medikament dauerhaft einnehmen (Dauermedikation) vorsichtshalber gänzlich auf Aktivkohle verzichten.

Nehmen Sie Aktivkohle zeitlich versetzt zwei Stunden vor oder mehrere Stunden nach der Einnahme von anderen Medikamenten ein. Wenn Sie regelmässig Medikamente einnehmen müssen, sollten Sie generell auf Aktivkohle verzichten.

Nebenwirkungen

Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Aktivkohle gehören eine ungefährliche Schwarzfärbung des Stuhls, Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung.

Die wiederholte Einnahme kann den Elektrolyt- und Wasserhaushalt beeinflussen. Eine sehr selten beschriebene Aspiration, also das Einatmen von Kohle, kann tödlich enden.

Mehr Informationen zu den möglichen Nebenwirkungen finden Sie in der Packungsbeilage Ihres Aktivkohle-Medikaments. Wenden Sie sich an Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder fragen Sie in Ihrer Apotheke, wenn Sie Nebenwirkungen vermuten.

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Nehmen Sie Aktivkohle nicht gleichzeitig mit anderen Medikamenten ein, weil das zu einem Wirkungsverlust führen kann. Beispielsweise wird die Aufnahme von Mitteln gegen Herzschwäche (herzwirksame Glykoside wie Digitoxin) durch Aktivkohle um bis zu 90 Prozent gehemmt.

Abgabevorschriften

In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist Aktivkohle rezeptfrei in Apotheken erhältlich.

Wann darf man Aktivkohle nicht anwenden?

Aktivkohle darf man im Allgemeinen nicht anwenden, wenn man überempfindlich oder allergisch auf den Wirkstoff oder einen anderen Bestandteil des Medikaments reagiert.

Weil Aktivkohle verstopfend wirkt, ist es auch bei Magen-Darm-Verschluss (gastrointestinaler Verschluss) und Verdacht auf Darmverschluss (Ileus) nicht geeignet.

Menschen mit Bewusstseinstrübung ohne ausreichenden Schluckreflex, Magen-Darm-Verätzung (infolge der Vergiftung) oder mit starkem Erbrechen dürfen ebenfalls keine Aktivkohle erhalten.

Geschichte

Die Verwendung von Holzkohle als Arzneimittel lässt sich bis ins Jahr 1500 v. Chr. in Ägypten zurückverfolgen. Damals wurde sie verwendet, um schlechte Gerüche aus Wunden zu neutralisieren. Um 400 v. Chr. verwendeten die Phönizier Holzkohle, um den Geschmack des auf Schiffen gelagerten Wassers zu verbessern, indem sie das Wasser in verkohlten Fässern aufbewahrten.

Aktivkohle in ihrer heutigen Form wurde im 18. Jahrhundert entwickelt und erstmals bei der Zucker-Raffinierung verwendet. Der medizinische Einsatz begann vor etwa 150 Jahren. Ein oft zitiertes Experiment zur Demonstration der Eigenschaften von Aktivkohle wurde 1831 durchgeführt: Dabei wurde eine tödliche Dosis Strychnin (hochgiftige Substanz) mit Aktivkohle gemischt und geschluckt, ohne dass Vergiftungssymptome auftraten.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Christopher Waxenegger
Mag. pharm.  Christopher Waxenegger

Christopher Waxenegger studierte Pharmazie an der Universität Wien. Es folgten die erfolgreiche Fachprüfung für den Apothekerberuf sowie die freie Mitarbeit in einer Arztpraxis mit dem Schwerpunkt Medikationsanalyse. Seit 2020 widmet er sich dem Fachjournalismus und verfasst Sachtexte zu verschiedenen Gesundheitsthemen. Im Urlaub erkundet Christopher gerne die schottischen Highlands und genießt die Ruhe der Natur.

Quellen:
  • Derlet, R. W., & Albertson, T. E. Activated charcoal--past, present and future. The Western journal of medicine, 145(4), 493–496 (1986).
  • Fachinformation zu Aktivkohle-Präparaten, unter: www.basg.gv.at (Abrufdatum: 18.12.2023)
  • Fachinformation zu Aktivkohle-Präparaten, unter: www.portal.dimdi.de (Abrufdatum: 18.12.2023)
  • Geisslinger, G. et al.: Mutschler Arzneimittelwirkungen – Pharmakologie, Klinische Pharmakologie, Toxikologie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 11. Auflage, 2020
  • Karow, T. et Lang-Roth, R.: Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie, Thomas Karow Verlag, 29. Auflage, 2021
  • McGill University, Office for Science and Society: „Charcoal is one of the most important substances ever discovered“, unter: https://www.mcgill.ca (Abrufdatum: 13.01.2023)
  • Zellner, T. et al.: The Use of Activated Charcoal to Treat Intoxications, in: Deutsches Ärzteblatt international, 116(18), 311–317 (2019)
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