Dysarthrie

Von , Medizinredakteurin und Biologin
und , Medizinjournalistin
Martina Feichter

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

Sabine Schrör

Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.

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Eine Dysarthrie ist eine neurologisch bedingte Sprechstörung, die zum Beispiel Atmung, Lautbildung, Tonlage oder Sprechrhythmus betrifft. Das Sprachverständnis leidet aber nicht: Dysarthrie-Patienten haben keine Probleme beim Satzbau, bei der Wortfindung oder beim Lesen und Schreiben. Lesen Sie hier mehr über Entstehung der Dysarthrie, wie sie sich äussert und welche Untersuchungen mitunter notwendig sind.

Dysarthrie, logopädin, sprachtraining

Was ist Dysarthrie?

Bei einer Dysarthrie ist per Definition die Sprechmotorik gestört. Die Betroffenen wissen zwar genau, was und wie sie etwas sagen möchten. Doch die für das Sprechen zuständigen Nerven- und Muskelstrukturen sind nicht in der Lage, die entsprechenden Befehle der Grosshirnrinde korrekt auszuführen.

Das geschieht, wenn die für die Sprechmotorik zuständigen Nerven- und/oder Muskelstrukturen etwa aufgrund eines Schlaganfalls, einer Hirnhautentzündung, durch Parkinson oder Alkoholmissbrauch beschädigt wurden. Die Betroffenen haben dann auch Probleme beim Kauen und Schlucken. Zudem ist ihre Mimik eingeschränkt.

Eine Dysarthrie gibt es in unterschiedlich starken Ausprägungen. Am deutlichsten beeinträchtigt sie die Lautbildung. Daneben sind meist Sprechtempo, Sprechmelodie, Sprechatmung und Stimmbildung verändert. Manchmal wird gleichbedeutend der Begriff Dysarthrophonie verwendet. Dieser bedeutet wörtlich, dass sowohl die Aussprache (Artikulation) als auch die Stimme (Phonation) eingeschränkt sind. Die schwerste Form der Dysarthrie, bei der die Betroffenen gar nicht mehr fähig dazu sind, zu artikulieren, heisst Anarthrie.

Unterschied zur Sprachstörung

Von Sprechstörungen (Dysarthrien) zu unterscheiden sind Sprachstörungen (Aphasien): Bei diesen sind die Betroffenen nicht in der Lage, Sprache richtig zu verstehen und zu verarbeiten. Zudem haben sie Probleme, die richtigen Worte zu finden und korrekte, sinnvolle Sätze zu bilden. Bei Dysarthrien sind diese höheren Hirnleistungen dagegen nicht beeinträchtigt.

Wie äussert sich eine Dysarthrie?

Die Symptome einer Dysarthrie sind abhängig von ihren Ursachen und der Form der Sprechstörung, die sich daraus ergibt. Mediziner unterscheiden sechs Formen der Dysarthrie:

Spastische (hypertone) Dysarthrie

Kennzeichnend ist eine erhöhte Muskelspannung (Hypertonie) der Sprechmuskeln, die sich deshalb nur eingeschränkt bewegen lassen. Dies wirkt sich auf Atmung, Stimmbildung und Artikulation aus. Typisch ist eine gepresste, raue Stimme. Die Betroffenen artikulieren sich zudem nur stossweise und undeutlich.

Hypotone Dysarthrie

Im Gegensatz zur spastischen Dysarthrie ist bei der hypotonen Sprechstörung die Muskelspannung verringert – die Muskeln sind schlaff und kraftlos. Die Betroffenen ermüden schnell beim Sprechen und artikulieren sich nur undeutlich. Zudem sind Lautstärke und Sprechmelodie oft verändert.

Hyperkinetische Dysarthrie

Typisch hierfür sind übertriebene, explosionsartig wirkende Sprechbewegungen. Lautstärke, Tonhöhe und Artikulation variieren stark. Manchmal schneiden die Betroffenen zudem unwillkürlich Grimassen, schlängeln oder schnalzen mit der Zunge.

(Rigid-)Hypokinetische Dysarthrie

Hierbei sind Atmungs-, Kehlkopf-, Zungen- und Gesichtsmuskulatur nur eingeschränkt beweglich. Dadurch verkürzt sich die Atmung, die Sprechlautstärke und der Tonhöhenumfang sind eingeschränkt. Die Betroffenen sprechen mit monotoner Stimme und artikulieren sich undeutlich. Auch die mimischen Fähigkeiten sind teilweise stark beeinträchtigt.

Ataktische Dysarthrie

Menschen mit ataktischer Dysarthrie sprechen sehr ungleichmässig, das heisst Lautstärke, Tonhöhe und die Genauigkeit der Artikulation variieren stark; das gesamte Sprechen ist durch unwillkürliche, unangemessene Veränderungen von Atmung, Stimme und Artikulation geprägt.

Gemischte Dysarthrien

In vielen Fällen lässt sich eine Dysarthrie nicht eindeutig einer der genannten Gruppen zuordnen. Denn oft sind mehrere Bereiche des Gehirns geschädigt, so dass die Betroffenen zum Beispiel sowohl ataktische als auch spastische Dysarthrie-Symptome zeigen.

Dysarthrie: Wann zum Arzt?

Bei Sprechstörungen empfiehlt es sich immer, diese ärztlich abklären zu lassen – unabhängig davon, ob sie sich langsam entwickeln (wie bei Parkinson oder Multipler Sklerose) oder plötzlich auftreten (wie bei einem Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma). Das gilt insbesondere dann, wenn zusätzliche Symptome auftreten; zum Beispiel Auffälligkeiten in der Mimik oder bei Bewegungen des Körpers, Verwirrtheit sowie Schwierigkeiten beim Schlucken.

Dysarthrie: Untersuchungen und Diagnose

Bei einer plötzlich auftretenden Dysarthrie infolge eines Schlaganfalls oder Schädel-Hirn-Traumas ist die Ursache klar. Hier steht die medizinische Erstversorgung des Patienten im Vordergrund.

Ansonsten startet die Diagnostik mit einem ausführlichen Arzt-Patienten-Gespräch zur Krankengeschichte (Anamnese). Gegebenenfalls werden Angehörige in das Gespräch mit einbezogen. Der Arzt erkundigt sich zum Beispiel, wann die Sprechstörung erstmals aufgetreten ist, wie häufig sie sich bemerkbar macht, welche Beschwerden im Vordergrund stehen und wie es um die allgemeine Leistungsfähigkeit des Patienten bestellt ist.

Daran schliesst sich eine neurologische Untersuchung an mit dem Ziel, die der Dysarthrie zugrunde liegende Erkrankung und den genauen Ort der Hirnschädigung festzustellen.

Weitere Untersuchungen sind möglich, zum Beispiel die Messung der elektrischen Hirnaktivität (EEG), bildgebende Verfahren wie Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) sowie die Entnahme und Analyse einer Probe der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit (Liquordiagnostik).

Bei einer logopädischen Untersuchung werden schliesslich Artikulation, Stimmbildung (Phonation) und Atmung überprüft. Dies ist wichtig für die Therapieplanung (Sprachtherapie).

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autoren:

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

Sabine Schrör
Sabine Schrör

Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.

Quellen:
  • Deutsche Gesellschaft für Sprachheilpädagogik e. V.: Dysarthrophonie, unter: www.dgs-ev.de (Abrufdatum: 14.06.2022)
  • Deutscher Bundesverband für Logopädie e. V.: Dysarthrie, unter: www.dbl-ev.de (Abrufdatum: 14.06.2022)
  • Grunst, S.: Pflege konkret: Neurologie Psychiatrie. Elsevier/Urban & Fischer Verlag, 2010
  • Informationsblatt für Patienten und Angehörige: Sprechstörungen bei Parkinson. Paracelsus-Elena-Klinik, Kassel
  • Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie: Neurogene Sprechstörungen (Dysarthrien), Stand: August 2018, unter: www.register.awmf.org (Abrufdatum: 14.06.2022)
  • Otto, K. & Wimmer, B.: Unterstützte Kommunikation. Schulz-Kirchner Verlag, 5. Auflage, 2017
  • Reuter, H.: Differenzialdiagnose für Heilpraktiker. Foitzick Verlag, 2010
  • Schaps, K.-P. W. et al.: Das Zweite – kompakt: Gesundheitsstörungen – GK2. Springer Verlag, 2008
  • Schubert, A.: Dysarthrie: Diagnostik, Therapie, Beratung. Schulz-Kirchner Verlag, 2011
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