Insulin
Viele Diabetiker brauchen Insuline, um ihre Blutzuckerwerte unter Kontrolle zu halten. Das gilt für alle Typ-1-Diabetiker sowie für einige Typ-2-Diabetiker. Für die Insulin-Therapie stehen verschiedene Insulin-Präparate zur Verfügung, zum Beispiel kurzwirksame, langwirksame und intermediär wirksame Insuline. Lesen Sie hier mehr über Wirkung und Anwendung der verschiedenen Insuline bei Diabetes mellitus!
Was ist Insulin?
Das körpereigene Insulin ist ein blutzuckersenkendes Hormon, das in der Bauchspeicheldrüse produziert wird. Es spielt eine zentrale Rolle bei vielen Stoffwechsel-Prozessen im Körper, insbesondere bei dem des Blutzuckers. Daher ist es entscheidend bei Diabetes mellitus: Der krankhaft erhöhte Blutzuckerspiegel der Patienten beruht entweder darauf, dass im Körper zu wenig Insulin produziert wird oder darauf, dass das ausreichend hergestellte Insulin seine Wirkung nicht richtig entfaltet.
Im ersten Fall resultiert ein absoluter Insulinmangel. Er ist typisch für den Typ-1-Diabetes: Diese Form von Zuckerkrankheit lässt sich nur mit Insulin-Präparaten behandeln. Das heisst: Das fehlende Hormon muss regelmässig von aussen zugeführt werden (Insulin-Therapie). Dafür stehen verschiedene Insulin-Präparate zur Verfügung.
Wie wird das Insulin verabreicht?
Insulinpflichtige Diabetiker injizieren sich das Insulin heute bequem selbst mit hauchdünnen Nadeln und einem Insulin-Pen, der optisch einem Füller ähnelt. Seltener ersetzt eine automatisch arbeitende Insulin-Pumpe die händisch verabreichten Spritzen.
Es gibt verschiedene Insulin-Präparate und unterschiedliche Behandlungsschemata, wie die Spritzen verabreicht werden (Konventionelle Insulin-Therapie, Intensivierte Insulin-Therapie). Welche Therapie und welches Präparat für einen bestimmten Patienten passen, ist individuell unterschiedlich.
Was für Insulin-Arten gibt es?
Die in der Diabetes-Therapie verabreichten Insuline müssen die notwendige Hormonwirkung im Körper der Patienten nachahmen. Nur so lassen sich erhöhte Blutzuckerspiegel senken und Folge-Erkrankungen (wie diabetischer Fuss oder diabetische Retinopathie) vermeiden.
Die für die Diabetes-Therapie verwendeten Insuline lassen sich je nach ihrer Herkunft in tierische (wie Schweine-Insulin) und künstliche Insuline (Human-Insulin, Insulin-Analoga) einteilen.
Früher wurden Diabetiker mit Insulin behandelt, das man aus der Bauchspeicheldrüse von Schweinen und Rindern isoliert hatte (Schweine-Insulin, Rinder-Insulin). Das menschliche Immunsystem reagiert auf die fremde Substanz aber oft mit der Bildung von Abwehrstoffen. Das beeinträchtigt die Wirkung des Insulins. Deshalb werden Schweine- und Rinder-Insulin seltener verwendet als früher.
Das gentechnisch hergestellte Human-Insulin ist mit dem menschlichen Insulin identisch. Es ist das am häufigsten verwendete Insulin in der Diabetes-Therapie. Tierische Insuline und Human-Insuline (ohne Zusatz von wirkungsverlängernden Substanzen) werden auch als Normal-Insuline bezeichnet, weil sie die gleiche Struktur wie menschliches Insulin haben.
Ausserdem kommen auch Insulin-Analoga zur Behandlung von Zuckerkranken zum Einsatz. Sie werden wie Human-Insulin künstlich (gentechnisch) hergestellt, unterscheiden sich aber geringfügig in ihrem Aufbau. Je nachdem, wie ihre Struktur verändert wurde, wirken sie entweder schneller und kürzer als Normal-Insuline oder sie wirken, im Fall sogenannter NPH-Verzögerungsinsuline (Normal-Insuline mit NPH-Zusatz für eine verzögerte Wirkung), langsamer und länger.
Die verschiedenen Insuline werden auch nach ihrer Wirkdauer und dem Wirkprofil eingeteilt. Von diesen beiden Eigenschaften hängt es ab, wie und wann ein Insulin-Präparat angewendet wird.
Der Wirkeintritt eines Insulins hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem vom Ort der Injektion.
Kurzwirksame Insuline
Sie decken den Insulinbedarf zu den Mahlzeiten (Bolus). Daher sprechen Mediziner auch von Bolus-, Ess-, Mahlzeiten- oder Korrektur-Insulin.
Normal-Insulin (früher: Altinsulin)
Die Wirkung setzt nach etwa 15 bis 30 Minuten ein. Deshalb muss das Insulin eine halbe Stunde vor dem Essen gespritzt werden (Spritz-Ess-Abstand). Nach anderthalb bis drei Stunden erreicht die Wirkung ihren Höhepunkt. Die gesamte Wirkdauer beträgt etwa vier bis acht Stunden.
Insulin-Analoga
Die Wirkung tritt hier oft schon nach etwa fünf bis zehn Minuten ein. Im Gegensatz zum Normal-Insulin muss also kein Zeitintervall zwischen Spritzen und Essen eingehalten werden. Die maximale Wirkung wird nach einer bis anderthalb Stunden erreicht. Insgesamt wirken diese Insulin-Analoga kürzer als Normal-Insulin: Ihre Wirkdauer liegt bei etwa zwei bis drei Stunden.
Intermediär und langwirksame Insuline
Sie decken den nahrungsunabhängigen Grundbedarf an Insulin (Basis) und werden daher auch Basalinsuline genannt.
Intermediär-Insuline
Durch den Zusatz verschiedener Substanzen (Protamin, Zink, Surfen) lassen sich Wirkungseintritt und -dauer von Human-Insulin verzögern. Von Bedeutung sind heute hauptsächlich noch Verzögerungsinsuline mit Protamin-Zusatz, sogenannte NPH-Insuline (NPH = Neutrales Protamin Hagedorn). Ihre Wirkung setzt etwa zwei Stunden nach dem Spritzen ein und erreicht nach etwa vier bis sechs Stunden ihr Maximum. Danach flacht die Wirkung wieder ab. Die gesamte Wirkdauer von NPH-Insulinen beträgt etwa zwölf bis 14 Stunden.
NPH-Insulin lässt sich mit Normal-Insulin in jedem Verhältnis stabil mischen. Es gibt daher auf dem Markt zahlreiche Insulin-Präparate mit konstanten NPH-/Normal-Insulin-Mischungen. Häufig werden beide Komponenten aber auch erst unmittelbar vor der Injektion in der Spritze miteinander vermischt.
Die Wirkung der Intermediär-Insuline verläuft nicht gleichmässig. Dadurch kommt es mitunter zu nächtlichen Unterzuckerungen, wenn das Insulin sein Wirkungsmaximum erreicht. Morgens, wenn die Wirkung nachlässt, sind dagegen erhöhte Zuckerwerte möglich.
Langwirkende Insulin-Analoga
Die Wirkdauer der langwirksamen Insulin-Analoga beträgt in der Regel bis zu 24 Stunden. Deshalb müssen sie nur einmal am Tag gespritzt werden. Im Gegensatz zu den Intermediär-Insulinen wirken diese Insulin-Analoga über den gesamten Zeitraum relativ gleichmässig und weisen kein Wirkungsmaximum auf. Daher ist die Gefahr von nächtlichen Unterzuckerungen geringer und auch morgens bleiben die Zuckerwerte gesenkt.
Insulin-Analoga sind einfacher in der Anwendung als verzögerte Human-Insuline. Sie liegen als klare, gelöste Flüssigkeit vor, sind dadurch gut dosierbar und stellen den Blutzucker sehr gleichmässig ein. Human-Insuline dagegen setzen sich als Kristalle in der Ampulle ab (Suspension). Daher müssen sie vor jedem Spritzen sorgfältig gemischt werden, um Dosis-Schwankungen zu vermeiden.
Misch-Insuline
Mischinsuline sind fertige Mischungen aus einem kurzwirksamen und einem intermediär- oder langwirksamen Insulin. Es gibt sie in verschiedenen Mischungsverhältnissen. Für manche Menschen mit Diabetes mellitus sind solche festen Mischungen bequemer. Aber dadurch ist der Diabetiker auch in ein starreres Konzept gebunden als bei individuellen Kombinationen.
Wie wirkt Insulin?
Die gesunde Bauchspeicheldrüse schüttet gleichmässig über den Tag verteilt niedrige Insulin-Mengen aus. Sie decken den Basisbedarf an Insulin und erhalten so lebenswichtige Stoffwechselvorgänge aufrecht (Basalrate).
Ausserdem setzt die Bauchspeicheldrüse zu jeder Mahlzeit zusätzliches Insulin frei, um den Zucker aus der Nahrung zu verwerten (Bolus). Welche Mengen Insulin die Bauchspeicheldrüse ausschüttet, hängt von den Ernährungsgewohnheiten, der körperlichen Aktivität, Tageszeit und anderen Umständen (wie akuten Erkrankungen) ab.
Wie viel Insulin sich ein Diabetiker spritzen muss, um Basalrate und Bolus abzudecken, ist individuell verschieden. Die Menge richtet sich auch nach den über die Nahrung aufgenommenen Kohlenhydraten, die in Broteinheiten (BE) oder Kohlenhydrateinheiten (KHE) angegeben werden.
Mehr Informationen zu Insulin und BE finden im Artikel Diabetes – Broteinheiten.
Insulin und Fettstoffwechsel
Insulin spielt eine wichtige Rolle im Fettstoffwechsel. Es hemmt den Abbau von Fett und verbessert die Aufnahme von Fett im Gewebe. Viele Diabetes-Patienten berichten daher über eine Gewichtszunahme durch die Insulin-Therapie. An den Extra-Kilos und der vermeintlich gedrosselten Fettverbrennung ist das Insulin aber nur teilweise schuld. Auch die verbesserte Stoffwechsellage sorgt häufig für Gewichtszuwachs. Der Arzt bespricht mit übergewichtigen Diabetikern, welches Insulin zu welcher Zeit zum Abnehmen am besten geeignet ist.
Überdosierung von Insulin
Ziel der Therapie mit Insulin bei Diabetes ist es, den Blutzuckerspiegel zu normalisieren. Wird Insulin überdosiert, droht eine Unterzuckerung – sie verläuft in schweren Fällen sogar tödlich.
Autoren- & Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
- Deutsche Diabetes Hilfe: Bei schwerer Unter- oder Überzuckerung sofort Notarzt rufen, unter: www.diabetesde.org (Abruf: 06.05.2022)
- Deutsche Diabetes Hilfe: Macht Insulin dick?, unter: www.diabetesde.org (Abruf: 06.05.2022)
- Herold G. Innere Medizin. Selbstverlag. 2022
- Hien P. et al. Diabetes-Handbuch, Springer-Verlag. 7. Auflage, 2013
- Hiort O. et al. Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie. Springer-Verlag. 2. Auflage, 2020