Atemtherapie

Von Lena Machetanz, Ärztin
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Die Atemtherapie umfasst Übungen und Techniken, die dem Patienten die Atmung erleichtern und seine bewusste Körperwahrnehmung fördern sollen. Sie ist ein Teilgebiet der Physiotherapie und wird zum Beispiel bei Patienten mit Asthma, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder Long-Covid angewandt. Lesen Sie alles Wichtige über die Atemtherapie, welche Übungen es gibt und welche Patienten davon profitieren.

Atemtherapie

Was ist eine Atemtherapie?

Die Atemtherapie oder auch Atemgymnastik ist ein Bereich der Physiotherapie. Sie zielt darauf ab, einem Patienten durch verschiedene Techniken das Atmen zu erleichtern (etwa durch eine Stärkung der Atemmuskulatur oder eine bestimmte Körperhaltung).

Richtig atmen beinhaltet auch, dass der Patient seine Körperwahrnehmung verbessert. Schwangere nutzen die Atemtherapie deshalb auch gerne bei der Geburtsvorbereitung.

Wann führt man eine Atemtherapie durch?

Beschwerden, die eine physiotherapeutisch angeleitete Atemtherapie notwendig machen, sind anfallartig auftretende oder dauerhaft bestehende Atemnot, Auswurf, Husten und Atemfunktionsstörungen. Solche Beschwerden treten zum Beispiel auf bei:

Hierbei ist die Atemtherapie auch eine wichtige Rehabilitations-Massnahme. Sie ist generell sinnvoll, wenn eine Person (längere Zeit) künstlich beatmet werden musste. Oder, wenn die Lungenfunktion nach einer akuten Krankheitsphase weiterhin eingeschränkt ist, wie bei Long-Covid nach Covid-19.

Was macht man bei einer Atemtherapie?

Welche Methoden im Einzelfall richtig sind, entscheidet der Atemtherapeut in Abhängigkeit der individuellen Therapieziele und der Verfassung des Patienten. Grundsätzlich werden alle Übungen zuerst vom Therapeuten beschrieben und eventuell vorgeführt.

Der Patient macht die Übung nach, wobei der Therapeut bei Bedarf unterstützt. Empfindet der Patient eine Bewegung während der Atemtherapie als schmerzhaft, kann er sie auch reduziert ausführen.

Atemtherapie: Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit

Häufig setzen Therapeuten zur Verbesserung der Beweglichkeit sogenannte Dreh-Dehnlagen ein. Dabei liegt der Patient in Rückenlage auf einer Isomatte und konzentriert sich auf einzelne Körperteile, die direkt der Matte aufliegen – zum Beispiel den Rücken oder das Gesäss. Dann soll er sich ganz entspannen und sich bewusst "sinken lassen".

Dann leitet der Therapeut die "untere Drehlage" an: Der Patient stellt die Knie mit sich berührenden Füssen auf und lässt die Knie zur Seite sinken. Die Arme legt er dabei in U-Form abgewinkelt über dem Kopf ab und dreht den Kopf in entgegengesetzter Richtung zu den Beinen. Jetzt werden die Beine abwechselnd nach rechts und links gekippt, wodurch der Rumpf in Richtung der Oberschenkellängsachse gedehnt wird.

Ein weiteres Beispiel ist der sogenannte Vierfüsslerstand. Der Patient bringt sich auf allen Vieren am Boden in Position (Knie direkt unter den Hüftgelenken, Hände direkt unter den Schultern). Nun macht er einen Katzenbuckel, beugt also die Wirbelsäule nach oben und senkt das Kinn dabei in Richtung Brust.

Dann folgt die Gegenbewegung: Der Patient drückt langsam und bewusst das Brustbein nach unten und geht so ins Hohlkreuz. Der Kopf wird dabei leicht in den Nacken gelegt. Das Ganze kann man mehrfach wiederholen.

Auch Variationen sind möglich, etwa indem man die Hände nicht unter den Schultern positioniert, sondern die Fingerspitzen unmittelbar vor den aufgestützten Knien auf dem Boden aufsetzt, um beim Beugen und Strecken des Rückens gezielt den Brustwirbelsäulenbereich zu trainieren.

Bei einer weiteren Variante setzt man nicht die Handfläche, sondern die Unterarme unter den Schultern am Boden ab. Bei diesem Übungsablauf wird vor allem die Lendenwirbelsäule trainiert.

Atemtherapie: Übungen zur Verbesserung der Atembewegung

Um die Atembewegung zu fördern, hilft der Therapeut zum einen dem Patienten bei der bewussten Wahrnehmung seiner Atembewegung. Zum anderen trainiert der Patient aktiv die Atembewegung beim Einatmen durch:

  • mehrmaliges Schnüffeln während der Einatemphase
  • langsames, tiefes Einatmen und kurzes Anhalten des Atems
  • Zuhalten eines Nasenlochs beim Einatmen durch die Nase

Auch die Ausatmung lässt sich durch die Atemgymnastik positiv beeinflussen. Dazu hilft es, das Ausatmen sichtbar zu machen, zum Beispiel indem man gegen einen Spiegel atmet.

Passiv unterstützt wird die Ausatmung durch die sogenannte manuelle Thoraxkompression: Hierbei liegt der Patient in Rückenlage mit seitlich aufgestellten Beinen auf einer Therapieliege. Der Therapeut legt seine Hände auf den Brustkorb und drückt ihn beim Ausatmen sanft, aber spürbar zusammen.

Der Patient soll dabei den Druck spüren, ihn aber nicht als anstrengend oder beengend empfinden.

Atemtherapie: Übungen für den geregelten Atemrhythmus

Um gleichmässiges Atmen zu üben, helfen Dehnübungen, wie sie auch beim Sport durchgeführt werden - zum Beispiel das freie Dehnen des ganzen Körpers im Stand. Während des Dehnens und Lösens soll ein Atemrhythmus eingehalten werden, bei dem der Atem zu keiner Übungsphase angehalten werden muss.

Auch passive Dehnübungen mit dem Therapeuten sind möglich: Der Patient liegt zum Beispiel in der Seitenlage auf einer Therapieliege und winkelt das untere Bein an. Das obere wird auf einem Lagerungskissen ausgestreckt abgelegt. Der Therapeut greift an die Innenseite des Knies, mit der anderen Hand umfasst er das Sprunggelenk.

Sobald der Patient einatmet, dehnt der Therapeut die Wadenmuskulatur (der Patient soll dabei ganz locker bleiben). Beim Ausatmen wird die Dehnung gelockert. Auch Arme, Füsse oder Hände können auf diese Weise behandelt werden.

Atemtherapie: Übungen zur Kräftigung der Atemmuskulatur

Zur Stärkung der Muskelgruppen, die an der Einatmung beteiligt sind, liegt der Patient auf dem Bauch. Dabei wird durch den Druck der Bauchorgane auf das Zwerchfell die Atmung erschwert und es muss mehr Arbeit aufgewendet werden, um tief einatmen zu können.

Für eine erleichterte Ausatmung empfehlen sich lockeres Training der Bauchmuskeln wie zum Beispiel Sit-ups oder einfaches Anspannen der Bauchmuskeln im Stand.

Atemtherapie: Übungen zum Reinigen und Weithalten der Atemwege

Bei einer Lungenentzündung oder bei der zystischen Fibrose (Mukoviszidose) sammeln sich Schleim und Sekrete in den Atemwegen und verlegen diese. Die  Atemtherapie kann hier mit verschiedenen schleimlösenden Übungen Abhilfe schaffen.

So kann man zum Beispiel beim Ausatmen "M" summen oder auf die Laute "P, T, K" Luft ausstossen, sodass der Brustkorb schwingt und der Schleim sich löst. Den gleichen Effekt hat es auch, wenn der Rücken über den betroffenen Abschnitten der Lunge fest mit den Fingern abgeklopft wird.

Um die Atemwege weit offen zu halten und so einen guten Gasaustausch zu ermöglichen, genügt häufig schon eine atemerleichternde Körperstellung:

  • Seitenlage mit leicht erhöhtem Oberkörper
  • Sitz mit nach hinten aufgestützten Armen
  • Stand mit an einem Gegenstand (z.B. Tisch) oder an der Wand abgestützten Armen
  • "Torwarthaltung" (im Stehen, Hände auf den Oberschenkeln gestützt)
  • „Kutschersitz“ (im Sitzen, Oberkörper nach vorne, mit Armen an Oberschenkeln abstützen)

Atemtherapie: Übungen zur Entspannung

Zur Entspannung und Entschleunigung der Atmung liegt der Patient auf dem Rücken und legt die Hände locker auf dem Bauch ab. Während er atmet, streicht er sanft mit seinen Händen über die Bauchdecke. Gleiches funktioniert auch im Sitzen, hier sollten die Hände auf den Rippen aufliegen. Diese Technik kann man leicht selbst durchführen.

Therapeutisch angeleitete Übungen sind zum Beispiel Schüttelungen. Dabei  greift der Therapeut den Arm des Patienten und hebt ihn in einer entspannten Stellung an. Dann zieht er wiederholt leicht daran und lässt wieder locker.

Reflektorische Atemtherapie

Bei der sogenannten reflektorischen Atemtherapie macht sich der Therapeut die Reaktion des Körpers auf Atemübungen zu Nutze. Die ganzheitliche Therapiemassnahme setzt sich aus drei Teilen zusammen:

  • Anwendung von intensiver Wärme
  • manuelle Behandlung
  • Atemtraining/therapeutische Körperstellungen

Zuerst umwickelt der Therapeut die Arme oder Beine mit heissen Tüchern. So werden die Muskulatur entspannt und auf die manuelle Therapie vorbereitet sowie Durchblutung und Atmung angeregt. Im Anschluss folgen spezielle physiotherapeutische Griffe, die – ähnlich wie eine Massage – die Muskeln dehnen und das Bindegewebe lockern sollen. Daran schliessen sich atemtherapeutische Übungen an.

Atemtherapie: Übungen für den Notfall

Um bei einem Asthmaanfall dem Zusammenfallen der Bronchien entgegenzuwirken, erlernen Patienten bei der Atemtherapie die sogenannte Lippenbremse: Bei einem Asthmaanfall atmen sie gegen den gespitzten, nur wenig geöffneten Mund aus. Dadurch wird die Ausatemluft in der Lunge gestaut und hält durch Druck die Bronchien offen.

Atemtherapie im Krankenhaus

Viele der oben genannten Übungen eignen sich auch für Patienten im Krankenhaus. Physiotherapeut und Patient machen die Dehn- und Atemübungen dann im oder am Krankenbett. Der entscheidende erste Schritt der Atemtherapie ist meist schon, dass der Betroffene seine Körperposition verändert.

Im Sitzen oder bei erhöhtem Oberkörper kann sich das Zwerchfell leichter Richtung Bauchraum bewegen, da sich die Organe nach unten verlagern. Zudem wird die Lunge dann in anderen Bereichen besser durchblutet und belüftet.

Atemtrainer

In der Atemtherapie setzen Physio- und Atemtherapeuten auch spezielle Hilfsmittel ein – sogenannte „Atemtrainer“. Das sind Geräte, mit denen Patienten beispielsweise ihre Atemmuskeln stärken können. Sie helfen zudem dabei, dass sich die Lungenbläschen entfalten und die Atemwege offen bleiben.

Es gibt unterschiedliche Formen von Atemtrainern. Sie sehen beispielsweise aus wie eine (Y-förmige) Plastikpfeife mit unterschiedlichen Aufsätzen, die das Ein- und Ausatmen gewollt erschweren. Oder sie bestehen aus (mehreren) Kunststoffröhren mit Bällen darin, die die Patienten mittels Atmung über einen Schlauch in der Luft halten.

Mehr zu Übungen und Techniken für eine verbesserte Atmung lesen Sie in unserem Beitrag „Atemübungen“.

Welche Risiken birgt eine Atemtherapie?

Die Atemtherapie ist ein sicheres Verfahren, wenn sie von einem qualifizierten Therapeuten durchgeführt wird. Unsachgemäss angewandte Atemtherapie hingegen kann zu gesundheitlichen Problemen führen: So kann es zum Beispiel durch eine abnormal tiefe und schnelle Atmung (Hyperventilation) zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff kommen.

Die Folge sind Muskelkrämpfe, Empfindungsstörungen, Brustschmerzen und Schwindel.

Was muss ich nach einer Atemtherapie beachten?

Für ein Atemtraining gibt es keine besonderen Verhaltensregeln. Wenn mit Ihrem Therapeuten vereinbart, führen Sie die Übungen auch zu Hause in regelmässigen Abständen durch.

Sollte sich eine Übung, die Sie bei der Atemtherapie erlernt haben, einmal als schmerzhaft erweisen, beenden Sie die Übung und berichten Sie Ihrem Hausarzt oder Atemtherapeuten von den Beschwerden. 

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Quellen:
  • Klarmann, S. et Filipovic, S.: Atem-Physiotherapie: Atemtrainer – eine unterstützende Maßnahme, in: DIVI - Zeitschrift für Notfallmedizin 2015; 6(1): 16-22
  • Online-Informationen des Vereins für Reflektorische Atemtherapie e.V.: Was versteht man unter der Reflektorischen Atemtherapie? (Abrufdatum: 06.10.2022)
  • Rutte, R. et Sturm, S.: Atemtherapie, Springer Verlag, 3. Auflage, 2018
  • Striebel, H. W.: Operative Intensivmedizin, Schattauer Verlag, 2. Auflage, 2014
  • Zalpour, C. (Hrsg.): Springer Lexikon Physiotherapie, Springer Verlag, 2. Auflage, 2013
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