Rehabilitation nach Schädel-Hirn-Trauma

Dank der medizinischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte überleben heute rund 70% der Patienten, allerdings häufig mit körperlichen und geistigen Einschränkungen. Eine frühzeitige und intensive Rehabilitation verbessert die Chancen auf eine weitgehende Wiederherstellung der geistigen und körperlichen Fähigkeiten.
Menschen, die Verletzungen des Gehirns erleiden, sind von unterschiedlichsten Veränderungen betroffen. Wahrnehmung, Beweglichkeit, Sprache und Gedächtnis sind oft schwer beeinträchtigt. Auch die Persönlichkeit kann sich durch das Trauma dauerhaft verändern.
Die Einteilung des Ausmaßes von Schädel-Hirn-Traumen erfolgt häufig nach der „Glasgow-Koma-Skala“ in 3 Schweregrade:
- leicht
- mittelschwer
- schwer
Neuroplastizität
Basis der Rehabilitation nach einem Schädel-Hirn-Trauma ist die sogenannte Neuroplastizität. Darunter versteht man die Fähigkeit des Gehirns, sich an veränderte Gegebenheiten anzupassen, Defizite zu kompensieren und durch Lernen seine Fähigkeiten zu erweitern. Nervenzellen in den nicht geschädigten Bereichen des Gehirns können durch gezieltes Training und Wiederholung der Übungen die durch die Hirnverletzung verloren gegangenen Funktionen zumindest teilweise ersetzen. Damit kann eine Rückbildung der Krankheitszeichen und der Behinderung bewirkt werden.
Behandlungsziele einer SHT-Rehabilitation
- Restitution: Wiederherstellung der betroffenen Körperfunktionen
- Kompensation: Beeinträchtigte oder verloren gegangene Funktionen werden durch andere Funktionen oder Ersatzstrategien ersetzt.
- Adaptation: Das private und berufliche Umfeld wird an die Bedürfnisse des Patienten angepasst.
- Emotionale Akzeptanz: Bewältigung der erschwerten Lebensumstände
Ganzheitliche Rehabilitation durch individuell abgestimmtes Therapiekonzept
Die Auswirkungen einer traumatischen Hirnschädigung sind von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Abhängig von den Defiziten – motorisch-neurologisch, psychologisch, sprachlich oder visuell – müssen die Rehabilitationsmaßnahmen den jeweiligen Bedürfnissen des betroffenen Patienten Rechnung tragen. Eine umfassende und ganzheitliche Neurorehabilitation bedarf immer einer engen Zusammenarbeit mehrerer Disziplinen. Die Zielsetzungen der therapeutischen Interventionen werden für jeden einzelnen Patienten fortlaufend angepasst, überprüft und modifiziert.
Voraussetzung für eine bestmögliche SHT-Rehabilitation ist jedenfalls ein frühzeitiger Rehabilitationsbeginn. In vielen Fällen verläuft die Erholung der Patienten nicht linear, sondern stufenförmig. Diese Entwicklung erfordert wiederholte stationäre Aufnahmen (Wiederholungstraining).
- Übende Verfahren
Im Mittelpunkt der Rehabilitation nach einem Schädel-Hirn-Trauma stehen individuell an die Bedürfnisse des Patienten angepasste Behandlungen aus den Bereichen Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Augenheilkunde (Orthoptik) sowie das neurophysiologische Hirnleistungstraining. Auch die Anpassung von Hilfsmitteln und das Erlernen von Kompensationsstrategien sind für Patienten mit SHT von besonderer Bedeutung.
- Kreativtherapien
Ergänzend zu den oben genannten Therapieformen können Kreativtherapien wie Mal- und Musiktherapien die Ausdrucks- und Kommunikationsfähigkeit fördern. Beide sind nonverbale Kommunikations- und Therapieformen und besonders für jene Patienten geeignet, die in diesen Bereichen noch Defizite aufweisen. Sie dienen zudem der Krisenbewältigung und fördern sowohl die Selbstständigkeit als auch die Persönlichkeitsentwicklung.
Phasen der Rehabilitation nach SHT
Die Behandlung eines Patienten nach SHT erfolgt in verschiedenen Abschnitten. Jede der Phasen benötigt ein auf den Patienten individuell abgestimmtes Therapiekonzept. Der Übergang von einer Phase in die andere ist fließend. Nicht grundsätzlich jede Phase des Rehabilitationsprozesses wird durchlaufen, auch Rückfälle in frühere Phasen sind möglich. Dank modernster medizinischer und therapeutischer Behandlungsmöglichkeiten gibt es auch noch nach Wochen und Monaten im Koma eine Chance auf eine erfolgreiche Neurorehabilitation.
- Phase A
Phase A bezeichnet den Zeitraum der akutmedizinischen Versorgung, meist auf der Intensivstation. Im Vordergrund stehen die Erhaltung und Stabilisierung der Lebensfunktionen. Auch gezielte Rehabilitationsmaßnahmen sollten möglichst schon in dieser Phase beginnen.
- Phase B
In dieser Phase soll so früh wie möglich die Reorganisation des Gehirns (Neuroplastizität) durch gezielte Maßnahmen gefördert werden. Die Patienten befinden sich in der Regel in einem minimalen Bewusstseinszustand oder im Koma, allen gemeinsam ist die vollständige Abhängigkeit von pflegerischer und therapeutischer Hilfe. Die Phase der Frührehabilitation steht ganz im Zeichen der Förderung der Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Bewegungsfähigkeit (basale Stimulation) sowie der Vermeidung von Komplikationen. Ziel ist zudem die Mobilisierung des Patienten.
- Phase C
In Phase C ist der Patient weitgehend bewusstseinsklar und bereits kommunikationsfähig. Einfachen Anforderungen kann nachgekommen werden. Voraussetzung für den Eintritt in diese Phase ist die Fähigkeit und Bereitschaft des Patienten, täglich an mehreren Therapiemaßnahmen teilzunehmen. Ziel dieser Phase ist die stetige Verbesserung der Alltagskompetenzen wie Körperpflege, Toilettengang, Nahrungsaufnahme und Ankleiden.
- Phase D und E
In diesen beiden Phasen besteht bereits weitgehende Selbstständigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens, gegebenenfalls mit Unterstützung durch Hilfsmittel.
- Phase F: Langzeitpflege
Trotz aller medizinischen und therapeutischen Bemühungen bleiben bei einem Teil der Patienten schwere Funktionsstörungen zurück, die eine lebenslange zustandserhaltende Therapie nötig machen.
Autoren:
Mag. Astrid Leitner
Medizinisches Review:
Univ.Prof. Dr. Walter Oder
Redaktionelle Bearbeitung:
Nicole Kolisch
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