Rehabilitation nach Bandscheibenvorfall

Oberste Ziele der Rehabilitation nach einem Bandscheibenvorfall sind die Schmerzlinderung und die Verbesserung der Beweglichkeit.
Kurzfassung:
- Mit einer Rehabilitation soll sowohl Schmerzlinderung als auch eine Verbesserung der Beweglichkeit erreicht werden.
- Die Rehabilitation erfolgt entweder als konservative Behandlungsmaßnahme oder als Anschlussheilbehandlung nach einer Operation.
- Eine Rehabilitation nach Bandscheibenvorfall dauert in der Regel drei bis vier Wochen.
- Es kommen viele unterschiedliche Maßnahmen zum Einsatz.
Langfristig soll Muskulatur aufgebaut werden, dies stärkt die Stabilität der Wirbelsäule und beugt so einem erneuten Bandscheibenvorfall vor. Aktivitäten des Alltags sollen so schnell wie möglich wieder aufgenommen werden; angestrebt wird auch eine rasche Wiedereingliederung in den Beruf.
Wie kommt es zu einem Bandscheibenvorfall?
Die Wirbelsäule besteht aus insgesamt 24 Wirbeln. Damit die einzelnen Wirbelkörper einen tragenden Skelettabschnitt bilden, müssen die Wirbel stabil und zugleich beweglich miteinander verbunden sein. Abgesehen vom 1. und 2. Halswirbel und den miteinander verwachsenen Kreuz- und Steißbeinwirbeln sind alle Wirbel durch eine Bandscheibe miteinander verbunden. Diese dienen sozusagen als „Stoßdämpfer“, sie fangen Stöße und Druck ab und schützen die Wirbelsäule vor Verletzungen.
Jede Bandscheibe setzt sich aus zwei Teilen zusammen: einem weichen, inneren Kern (Nucleus pulposus) und einem relativ festen, aber dennoch elastischen Ring (Anulus fibrosus). Wird diese äußere Hülle rissig, dringt der gelartige Kern nach außen und verschiebt sich nach hinten in den Rückenmarkskanal. Der ausgetretene Kern drückt auf die im Rückenmark verlaufenden Nerven und verursacht dadurch Schmerzen und Lähmungserscheinungen.
Symptome
90% aller Bandscheibenvorfälle treten im Bereich der Lendenwirbelsäule auf, etwa 10% im Bereich der Halswirbelsäule, sehr wenige an der Brustwirbelsäule.
Welche Beschwerden ein Bandscheibenvorfall auslöst, hängt in erster Linie von der Lage der betroffenen Bandscheibe ab. In manchen Fällen zeigen Patienten keine oder nur geringfügige Symptome, bei der Mehrheit der Patienten äußert sich ein Bandscheibenvorfall jedoch durch folgende Beschwerden:
- plötzliche, starke Rücken- oder Nackenschmerzen
- Taubheitsgefühl oder Lähmungen im Bein oder Gesäß bzw. in den Armen
Wann wird eine Rehabilitation angestrebt?
Rehabilitation als konservative Behandlungsmaßnahme
90% aller Bandscheibenvorfälle müssen nicht operiert werden. Treten Schmerzen oder neurologische Beschwerden auf, kann eine Rehabilitation helfen, die Beschwerden zu reduzieren oder sie im besten Fall zum Verschwinden zu bringen. Häufig kann eine Operation durch die Rehabilitationsmaßnahmen verhindert werden. Die Rehabilitation kann ambulant, teilstationär oder stationär stattfinden.
Rehabilitation als Anschlussheilbehandlung nach einer Operation
Sind die Folgeerscheinungen (Schmerzen, Funktionsstörungen) sehr ausgeprägt oder tritt sechs bis acht Wochen nach dem Bandscheibenvorfall trotz Rehabilitationsmaßnahmen keine oder keine zufriedenstellende Besserung ein, kann einen Operation notwendig sein. Eine Rehabilitation als Anschlussbehandlung nach einer Operation hilft bei der schnellen Wiedereingliederung in den Alltag bzw. ins berufliche Umfeld.
Rehabilitationsmaßnahmen
Eine Rehabilitation nach Bandscheibenvorfall dauert in der Regel drei bis vier Wochen. Unter Einbeziehung aller relevanten Informationen wird von einem multiprofessionellen Team gemeinsam mit dem Patienten ein individueller Therapieplan entwickelt. Dabei können viele unterschiedliche Maßnahmen zur Anwendung kommen.
Schmerztherapie
Die Schmerztherapie kann mithilfe von Medikamenten, aber auch durch therapeutische Lokalanästhesien (lokale Schmerzstillung durch Injektion) erfolgen. Sie dient einerseits der Therapie akuter Schmerzen, unterstützt aber gleichzeitig auch den Erfolg anderer Rehabilitationsmaßnahmen, sodass Betroffene frühzeitig ihre Alltagsaktivitäten wieder aufnehmen können.
Psychologische Schmerztherapie
Das Hauptziel der psychologischen Schmerztherapie ist die Entkoppelung von Stress und Schmerz. Stress und Angst führen häufig dazu, dass Patienten eine Schonhaltung einnehmen, sich insgesamt weniger bewegen und so Muskeln abgebaut werden. Fehlhaltungen der Wirbelsäule und eine Verschlimmerung der Beschwerden können die Folge sein.
Mithilfe der Verhaltenstherapie – bestehend aus medizinischen, bewegungstherapeutischen und psychologischen Komponenten – kann der Schmerzchronifizierung vorgebeugt werden.
Entspannungstherapie
Unter den Entspannungsverfahren wird die „Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson“ am häufigsten angewendet. Mithilfe dieser Technik erlernen Patienten die willentliche, stufenweise Entspannung muskulärer Strukturen. Sie kann durch autosuggestive Verfahren ergänzt werden. Patienten können auf diese Weise eine muskuläre und mentale Entspannung eigenständig herbeiführen.
Beratung/Patienteninformation
Wissensvermittlung über die eigene Erkrankung ist ein zentrales Element der Rehabilitation. Sie verfolgt das Ziel, durch die Vermittlung von Kompetenzen eine verbesserte Schmerz- und Krankheitsbewältigung zu erreichen. Patienten lernen hierbei, wie sie ihr Gesundheitsverhalten positiv beeinflussen können. Das Erlernen der richtigen Körperhaltung, rückenschonende Bewegungen, aber auch Tipps für den Alltag sind unter anderem Bestandteil der Gesundheitsbildung.
Rückenschule
Schmerz und Funktionsfähigkeit können durch eine Rückenschule kurz- bis mittelfristig gebessert werden. In der Rückenschule wird den Betroffenen ein rückengerechtes Verhalten – sowohl in Alltagssituationen als auch im beruflichen Umfeld – vermittelt. Das Behandlungskonzept umfasst unterschiedliche Übungen zur Stärkung von Bauch- und Rückenmuskeln, aber auch Konzepte zur Entspannung.
Bewegungstherapie
Bewegung ist ein wesentlicher und zentraler therapeutischer Faktor in der Behandlung bandscheibenbedingter Beschwerden. Sporttherapie, Krankengymnastik und ergotherapeutische Behandlungen sind Teil der Bewegungstherapie. Der Fokus liegt auf Dehnungs-, Ausdauer- sowie Kraftübungen zum Aufbau der Muskulatur.
Physiotherapie
Physiotherapie im Rahmen der konservativen Behandlung und in der Rehabilitation nach einem Bandscheibenvorfall verfolgt folgende Therapieziele:
- Schmerzlinderung
- Reduktion von Wassereinlagerungen (Ödeme)
- Verhinderung des Muskelabbaus durch Krafttraining
- Verbesserung von Beweglichkeit und Koordination
- Stabilisierung des betroffenen Wirbelsäulensegments
- Optimierung komplexer Bewegungsabläufe
- Schulung der Körperwahrnehmung
Physiotherapeutische Maßnahmen kommen in Form von Krankengymnastik, Wassergymnastik, Massagen und Bädern zum Einsatz.
Ergotherapie
Die Ergotherapie beschäftigt sich mit Hilfsmittelberatung, ADL-Training (Aktivitäten des täglichen Lebens), Funktions- und Wahrnehmungstraining sowie Arbeitsplatzberatung und -training.
Als Hilfsmittel nach einem Bandscheibenvorfall werden vorwiegend Orthesen verwendet: Sie dienen der Stabilisierung der Wirbelsäule, aktivieren die Muskeltätigkeit und lösen Verspannungen. Orthesen sind insbesondere in der ersten, schmerzhaften Phase nach einem akuten Bandscheibenvorfall eine wertvolle Hilfe.
Physikalisch-apparative Verfahren
Wärme-, Elektro- und Ultraschallanwendungen
Ernährungsberatung
Für Patienten mit Übergewicht kann eine Ernährungsberatung bei der Gewichtsreduktion unterstützen.
Autoren:
Mag. Astrid Leitner
Medizinisches Review:
Prim. Priv.-Doz. Dr. Michael Fischer
Redaktionelle Bearbeitung:
Mag. Julia Wild
Weitere Artikel zum Thema
Orthopädische Rehabilitation in Österreich
Alle Standorte der Bundesländer auf einen Blick.
Rehabilitation nach Querschnittlähmung
Abhängig von der Lähmungshöhe und dem Ausmaß der Rückenmarkverletzung kommen unterschiedliche Rehabilitations-Maßnahmen zum Einsatz.
Rehabilitation bei Multipler Sklerose
In Österreich leben rund 12.500 MS-Erkrankte. Eine Rehabilitation kann helfen, die Lebensqualität deutlich zu verbessern.