Narkose

Die Narkose ist ein tiefschlafähnlicher Zustand, bei dem sowohl das Bewusstsein als auch die die Schmerzempfindung ausgeschalten werden. Dies geschieht mithilfe von Medikamenten und Narkosegasen, die im zentralen Nervensystem wirken.
Kurzfassung:
- Die Narkose wird vom Facharzt für Anästhesie durchgeführt.
- Im Gegensatz zu ähnlichen Methoden werden bei einer Narkose lebenswichtige Funktionen wie das Atmen ausgeschalten und vegetative Regelkreise gedämpft, daher muss die Atmung künstlich stattfinden und die Körperfunktionen überwacht werden.
- Für Narkosen werden Schlafmittel, Schmerzmittel, Muskelrelaxantien und Inhalationsanästhetika verwendet. Außerdem werden Infusionslösungen und ggf. kreislaufstützende Medikamente verabreicht.
- Für verschiedene Zwecke gibt es eine Reihe von Narkosemittel und Einnahmemethoden.
Allgemeines zur Narkose
Die Narkose wird vom Facharzt für Anästhesie durchgeführt. Der Anästhesist ist während des gesamten Eingriffs und auch unmittelbar danach nicht nur für die Schmerz- und Bewusstseinsausschaltung verantwortlich, sondern auch für die Aufrechterhaltung aller Organsysteme. Zu diesem Zweck kontrolliert er ständig sämtliche Vitalparameter des Patienten (u.a. Puls, Blutdruck und Atmung) und passt die Tiefe der Narkose entsprechend an.
Ziel der Narkose ist die Herbeiführung einer Lähmung von Teilen des zentralen Nervensystems und damit die Unterdrückung von:
- Schmerzen
- Bewusstsein
- Abwehrreflexen
- Muskelspannung
+++ Mehr zum Thema: Schmerz +++
Unterschied zu Sedierung und Regionalanästhesie
Die Narkose ermöglicht Eingriffe in die Integrität des Körpers, die ohne Schmerzausschaltung nicht möglich wären. Zur Durchführung einer geplanten Narkose wie auch einer Operation sind die Aufklärung und Zustimmung des Patienten erforderlich.
Im Unterschied zum Dämmerschlaf (Sedierung) und auch zur Schmerzausschaltung mittels Lokalanästhetika (Regional- oder Lokalanästhesie) kann der Patient während einer Narkose nicht ausreichend selbstständig atmen, weshalb eine künstliche Beatmung und umfassende Überwachung von Atmung und Kreislauf während der Narkose unabdingbar sind.
+++ Mehr zum Thema: Mögliche Komplikationen während der Narkose +++
Wann ist eine Narkose notwendig?
Eingriffe, die so schmerzhaft sind, dass eine systemische Betäubung und Ausschaltung des Bewusstseins notwendig ist:
- Regional- oder Lokalanästhesie nicht erwünscht oder möglich
- geplante chirurgische Eingriffe
- Notoperationen (z.B. nach Unfällen)
- Entnahme von Gewebeproben
- völlige Ruhigstellung des Patienten für spezielle bildgebende Verfahren
- komplizierten Geburten bzw. Kaiserschnitt
- Behandlung schwerer Depressionen mittels Elektrokrampftherapie
Darüber hinaus hat die Narkose auch eine große Bedeutung in der Notfall- und Intensivmedizin, denn sie hilft, die Atmung und den Kreislauf eines Notfallpatienten aufrechtzuerhalten, den Sauerstoffbedarf, Stress und die Schmerzen des Patienten zu reduzieren und unkontrollierbare Krampfanfälle zu beherrschen.
Damit eine sichere Beatmung möglich ist, muss in Notfallsituationen in aller Regel ein Atemschlauch (Tubus) in die Luftröhre eingeführt werden, was nur in Narkose möglich ist, da der Patient dies im Wachzustand aufgrund von Schmerzen und Schutzreflexen nicht tolerieren würde.
+++ Mehr zum Thema: Ablauf der Narkose +++
Wie funktioniert eine Narkose?
Bei der Narkose wird das Bewusstsein des Patienten ausgeschalten. Dies geschieht mithilfe von Narkosegasen und/oder intravenös verabreichten Anästhetika (Narkosemittel). Durch die zusätzliche intravenöse Verabreichung von Schmerzmitteln sind schmerzfreie Eingriffe in allen Bereichen des Körpers möglich. Medikamente zur Muskelerschlaffung schaffen die Voraussetzung für das sichere Einführen des Beatmungsschlauches. An die Zeitspanne der Operation kann sich der Patient im Nachhinein nicht mehr erinnern (retrograde Amnesie).
Auf folgende Verfahren greift der Anästhesist zurück:
- balancierte Anästhesie (Kombination von intravenösen und inhalativen Narkosemitteln)
- totale intravenöse Anästhesie (TIVA; keine Narkosegase)
+++ Mehr zum Thema: Schmerzmittel +++
Verwendete Medikamente
Folgende Medikamente werden bei einer Narkose einzeln oder kombiniert intravenös verabreicht.
Schlafmittel (Hypnotika)
Der Tiefschlaf wird durch Schlafmittel ausgelöst wie:
- Propofol
- Thiopental
- Etomidat
- Ketamin
- Benzodiazepine
Die Gabe erfolgt einmal während der sogenannten Anästhesieeinleitung oder auch kontinuierlich (siehe TIVA). Obwohl alle Hypnotika einen unterschiedlichen Wirkmechanismus haben und an verschiedenen Rezeptoren angreifen, ist ihnen gemeinsam, dass sie über eine Wirkung im Zentralnervensystem einen tiefen Schlaf herbeiführen.
Schmerzmittel (Analgetika)
Vornehmlich werden Opioide (u.a. Fentanyl, Sufentanil und Remifentanil) eingesetzt. Opiate blockieren die Schmerzrezeptoren im Zentralnervensystem, während das ebenfalls angewendete Ketamin die Schmerzleitung bereits im Rückenmark blockiert.
Medikamente zur Erschlaffung der Muskulatur (Muskelrelaxanzien)
Zur Klasse der Muskelrelaxantien gehören Wirkstoffe wie:
- Rocuronium
- Vecuronium
- Atracurium
- Succinylcholin
Sie hemmen die Erregungsausbreitung von der Nervenzelle auf die Muskelzelle und führen so zur Muskelerschlaffung.
Inhalationsanästhetika (Narkosegase)
Ferner gibt es die sogenannten Inhalationsanästhetika:
- Sevofluran
- Isofluran
- Desfluran
- Lachgas (Distickstoffmonoxid)
Inhalationsanästhetika werden über eine Beatmungsmaske, eine Kehlkopfmaske (Larynxmaske) oder einen Tubus zugeführt. Sie bewirken ebenfalls einen Bewusstseinsverlust, eine Muskelerschlaffung und eine teilweise Schmerzausschaltung. Der Nachteil der Inhalationsanästhetika ist ihre ausgeprägte Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System und die Umweltbelastung (halogenierte Kohlenwasserstoffe). Außerdem stellen sie für Personen mit einer bestimmten Veranlagung ein Risiko dar, eine maligne Hyperthermie (Körpertemperatur über 41,5 Grad) zu entwickeln.
Wie alle anderen Medikamente können auch Anästhetika allergische Reaktionen verursachen. Einige dieser Medikamente können zudem zur Freisetzung von Histamin aus dem Gewebe führen. Zu diesen zählen beispielsweise:
- Pethidin
- Midazolam
- Etomidat
- Thiopental
- Ketamin
- Isofluran
- Suxamethonium
- Vecuronium
- Pancuronium
- Fentanyl
- Morphium
Eine vorbekannte Histaminintoleranz sollte dem behandelnden Anästhesisten vor der Operation mitgeteilt werden, damit dieser den Ablauf der Narkose anpassen kann.
+++ Mehr zum Thema: Medikamente: Nebenwirkung, Allergie, Intoleranz +++
Welche Arten von Narkose gibt es?
Die am häufigsten eingesetzten Verfahren für größere Eingriffe (z.B. Operationen im Bauchraum, am Herzen oder an der Wirbelsäule) sind die balancierte Narkose und die totale intravenöse Narkose (TIVA). Bei der balancierten Narkose werden intravenöse Medikamente mit Narkosegasen kombiniert.
Die totale intravenöse Narkose wird unter anderem bei Personen mit Muskelerkrankungen angewendet, da diese keine Narkosegase wegen der Gefahr einer malignen Hyperthermie erhalten dürfen. Die totale intravenöse Narkose eignet sich außerdem besonders für Patienten mit bekannter postoperativer Übelkeit und Erbrechen (PONV). Ihr Vorteil ist eine angenehme Einschlaf- und Aufwachphase.
Eine reine Inhalation von Narkosegasen über eine Maske wird häufig bei Säuglingen und Kleinkindern zur Einleitung der Narkose angewendet, um ihnen die Schmerzen des Nadeleinstichs zu ersparen. In diesen Fällen wird der intravenöse Zugang erst im tiefen Schlaf gelegt. Im Ausnahmefall kann auch ein Erwachsener auf diese Art eingeleitet werden.
Für kleinere Eingriffe im zahn- und augenmedizinischen Bereich können Narkosemedikamente eingespart werden, indem zur Einleitung ein Schlafmittel verabreicht wird und die Schmerzausschaltung durch eine lokale Betäubung erfolgt.
Besonders in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, aber auch bei bestimmten Eingriffen am Gehirn bietet sich die sogenannte Analgosedierung an. Dabei werden Bewusstsein und Schmerzen durch intravenös verabreichte Medikamente zwar ausgeschalten, der Patient bleibt aber durch Ansprechen oder Schmerzreize weckbar und kann selbstständig atmen.
In bestimmten Fällen kann die Kombination einer Narkose mit einem Regionalanästhesieverfahren sinnvoll sein. Dies kommt vor allem bei lange andauernden, sehr schmerzhaften Operationen in Betracht oder wenn nach der Operation die Schmerztherapie über die Regionalanästhesie einen Vorteil für den Patienten bringt (z.B. bei Amputationen). In all diesen Fällen werden während der Operation wesentlich geringere Mengen an Opioiden benötigt.
+++ Mehr zum Thema: Schmerztherapie nach Operationen +++
Steuerung der Narkosetiefe
Der Anästhesist passt während einer Operation die Medikation ständig an, um eine zu flache oder zu tiefe Narkose zu vermeiden. Idealerweise wird dazu ein EEG-basiertes Monitoring verwendet. Weitere klinische Anzeichen für eine zu flache Narkose sind:
- Anstieg des Pulses
- Anstieg des Blutdrucks
- Schwitzen
- Tränensekretion
- Erweiterung der Pupillen
Anzeichen für eine zu tiefe Narkose sind:
- Abfall des Pulses
- Abfall des Blutdrucks
- Maximale Erweiterung der Pupillen
- Änderung der Atemfrequenz
Autoren:
Myriam Weber, Mag. pharm. Christopher Waxenegger
Medizinisches Review:
Univ.-Doz. Dr. Petra Innerhofer
Redaktionelle Bearbeitung:
Mag.(FH) Silvia Hecher, MSc, Mag. Astrid Leitner
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