Immuntherapie bei Krebs

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Eine Immuntherapie bei Krebs hat das Ziel, Tumoren mithilfe des körpereigenen Immunsystems zu bekämpfen. Anders als beispielsweise bei einer Chemotherapie richten sich die verabreichten Medikamente nicht direkt gegen den Krebs. Stattdessen bewirken sie meist, dass die Immunzellen die Krebszellen erkennen, angreifen und zerstören. Idealerweise werden dabei gesunde Körperzellen nicht geschädigt. Lesen Sie hier, wie eine Immuntherapie bei Krebs genau funktioniert und welche Risiken sie birgt.

Immuntherapie

Was ist eine Immuntherapie?

Die Immuntherapie gegen Krebs umfasst verschiedene Verfahren und Wirkstoffe, die helfen, die Schlagkraft des körpereigenen Immunsystems gegen den Krebs zu richten. Die sogenannte Immunonkologie stellt damit einen vierten Pfeiler der Krebstherapie dar - neben Operationen, Strahlentherapie und Chemotherapie.

Die Idee, das Immunsystem zur Bekämpfung von Krebs einzusetzen, ist nicht neu. Doch für die die Umsetzung mussten viele Hürden überwunden werden. Denn im Rahmen einer Immuntherapie das Immunsystem einfach nur zu aktivieren, ist heikel und könnte erhebliche Nebenwirkungen haben. Eine Immuntherapie muss immer das Gleichgewicht wahren, damit die Immunreaktion nicht zu heftig ausfällt. Und eine Immuntherapie muss dafür sorgen, dass sich die Immunaktivität möglichst gezielt gegen Krebszellen richtet.

Nicht für alle Patienten geeignet

Meist wird eine Immuntherapie bei Krebs erst dann eingesetzt, wenn die klassische Behandlung versagt. Wie erfolgreich sie ist, hängt von vielen Faktoren ab. Eine davon ist die Krebsform. Zwei Beispiele:

Beim metastasiertem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs verlängert die Immuntherapie die Lebenszeit der Patienten durchschnittlich um mehrere Monate. Beim fortgeschrittenen Schwarzen Hautkrebs (Malignes Melanom) gewinnen die Patienten, die sonst mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell gestorben wären, unter Umständen sogar mehrere Jahre.

Allerdings spricht immer nur ein Teil der Behandelten auf die Immuntherapie an. Bei anderen funktioniert sie gar nicht. Denn auch die gleiche Krebsform variiert von Patient zu Patient - jeder hat seinen "eigenen" Krebs.

Immuntherapie: Zellbiologischer Hintergrund

Normalerweise sterben kranke und überalterte Körperzellen von alleine ab. "Apoptose" nennen Mediziner diesen programmierten Zelltod. Bei Krebszellen ist das anders. Sie teilen sich immer weiter und verdrängen gesundes Gewebe.

Im Rahmen einer Immuntherapie werden weisse Blutkörperchen (Leukozyten) angeregt, die Krebszellen unschädlich zu machen: T-Zellen und natürliche Killerzellen - zwei Vertreter der Untergruppe der Lymphozyten - sollen den Krebs auf die gleiche Weise bekämpfen wie eingedrungene Krankheitserreger.

Krebszellen tricksen Immunabwehr aus

Doch das ist nicht so einfach. Krankheitserreger besitzen auf ihrer Oberfläche Moleküle (Antigene), die sie als fremd kennzeichnen und für das Immunsystem angreifbar machen. Krebszellen sind dagegen aus körpereigenen Zellen hervorgegangen. Ihre Antigene weisen sie als Angehörige des Körpers aus. So bleiben sie vom Immunsystem unentdeckt und vermehren sich - es entsteht ein Tumor.

Andere Krebszellen werden zwar von den Immunzellen erkannt, allerdings manipulieren oder schwächen sie das Immunsystem - zum Beispiel, indem sie den T-Zellen hemmende Signalmoleküle auf ihrer Oberfläche präsentieren, sodass diese nicht mehr angreifen. 

Immuntherapie – Balance zwischen Aktivierung und Mässigung

Krebszellen nutzen also ganz verschiedene regulatorische Mechanismen, um die Immunabwehr auszutricksen. Wissenschaftler fassen die verschiedenen Strategien unter dem Begriff "Immune-Escape-Mechanismen" zusammen. Dementsprechend gibt es auch verschiedene Ansätze bei der Immuntherapie, um die Krebszellen doch angreifbar zu machen:

Immuntherapie mit Zytokinen

Zytokine sind körpereigene Botenstoffe, die unter anderem die Aktivität des Immunsystems regulieren. Ihre künstlichen Pendants werden nicht zur Behandlung spezieller Tumoren massgeschneidert, sondern wirken allgemein auf das Immunsystem.

Beispielsweise lässt sich mit Hilfe von Interleukin-2 die Aktivität des Immunsystems ankurbeln. Interferon wiederum bremst das Wachstum und die Teilung von Zellen - auch bei Krebszellen.

Nachteil: Im Vergleich zu neueren Methoden der Immuntherapie wirken Zytokine nicht zielgerichtet. Sie sind nur bei wenigen Tumorformen erfolgreich.

Immuntherapie mit monoklonalen Antikörpern

Antikörper sind Y-förmige Eiweissmoleküle, die sich passgenau an die spezifischen Antigene einer Zelle setzen. So markieren sie kranke Zellen und Krankheitserreger (wie Bakterien) für die Immunzellen, damit diese sie beseitigen. Man kann auch künstlich passgenaue Antikörper herstellen.

Solche monoklonalen Antikörper lassen sich zum einen für die Diagnose von Krebserkrankungen nutzen: Mit fluoreszierenden oder radioaktiven Partikeln ausgerüstet helfen sie, Krebszellen im Blut oder Krebstumoren und Metastasen im Körper sichtbar zu machen.

Zum anderen werden monoklonale Antikörper auch als immunonkologische Therapeutika eingesetzt: Heften sie sich an eine Tumorzelle, ist das ein Signal für das Immunstem, diese anzugreifen. Ausserdem kann man mit monoklonalen Antikörpern zielgerichtet Zellgift oder radioaktive Substanzen zu den Krebszellen schicken, sodass diese zugrunde gehen.

Und noch eine Anwendungsmöglichkeit gibt es: Dabei wirken monoklonale Antikörper als Immuntherapie, indem sie bestimmte Signalwege hemmen, die für das Wachstum des Tumors wichtig sind. Ausserdem gibt es immuntherapeutische Antikörper, welche die Bildung von Blutgefässen, die den Tumor versorgen, unterbinden.

Für spezielle Krebstypen war die Entwicklung einer Immuntherapie mithilfe von monoklonalen Antikörpern bereits erfolgreich. So wird etwa Rituximab unter anderem in der Therapie von Non-Hodgkin-Lymphomen eingesetzt.

Nachteil: Die Immuntherapie mithilfe monoklonaler Antikörper funktioniert nur bei Tumoren, die sehr spezifische Oberflächenmerkmale besitzen, die bei gesunden Zellen nicht oder kaum vorkommen. Auch wenn der Tumor nur schlecht mit Blutgefässen versorgt oder sehr gross ist, schlägt die Behandlung schlecht an, da nicht genügend Antikörper ans Ziel gelangen.

Immuntherapie mit therapeutischen Krebsimpfungen

Anders als Impfungen, die vorbeugend vor Krebs schützen (z.B die HPV-Impfung), sollen therapeutische Krebsimpfungen gegen bereits bestehende Tumoren wirken. Dabei wird verursucht, Immunzellen gezielt gegen die Krebszellen auszurichten. Eine solche Immuntherapie könnte langfristig die Krebstherapie revolutionieren. Sie lässt sich für den einzelnen Tumor massschneidern, sodass jeder Patient seine individuelle "Krebsimpfung" erhält.

Geforscht wird etwa an Tumorvakzinen, die das Immunsystem gezielt auf bestimmte Tumorantigene aufmerksam machen sollen. Beispielsweise kann man Tumorantigene in grosser Zahl im Labor herstellen, um sie dann als "Krebsimpfstoff" den Patienten zu injizieren - in der Hoffnung, dass deren Immunsystem daraufhin diese Antigene auch auf den vorhandenen Tumorzellen erkennt und angreift.

Ein anderer Ansatz ist, nicht Tumorantigene direkt als therapeutische Impfung zu verabreichen, sondern sogenannte dendritische Zellen, die man zuvor mit solchen Antigenen bestückt hat. Dendritische Zellen sind Immunzellen, deren Aufgabe im Körper es ist, Fremdstoffe aufzunehmen, um dann deren typischen Antigene auf ihrer Oberfläche zu präsentieren - damit andere Immunzellen erkennen, welche fremden Antigene zu angreifen sollen.

Im Rahmen der dendritischen Zelltherapie gewinnt man dendritische Zellen aus dem Körper und rüstet sie im Labor mit Antigenen aus, die kennzeichnend für spezielle Krebszellen sind und sonst nicht im Körper vorkommen. Im Anschluss kann man diese "scharfgemachten" Immunzellen dem Patienten verabreichen, um den Kampf seines Immunsystem gegen den Krebs zu forcieren - so die Idee.

Eine andere, recht neue Variante nennt sich CAR-T-Zelltherapie. Dabei werden zuerst Immunzellen vom Typ T-Zellen aus dem Körper des Patienten gewonnen und im Labor gentechnisch so verändert, dass sie eine bestimmte Bindungsstelle auf ihrer Oberfläche bilden - den CAR (= chimärer Antigenrezeptor). Anschliessend werden sie vermehrt, bevor man sie per Infusion in den Körper des Patienten einbringt. Dort können die veränderten Immunzellen mittels CAR an den Krebszellen binden und diese dann zerstören.

Zur Vorbereitung auf die CAR-T-Zelltherapie erhalten Patienten eine leichte Chemotherapie. Diese eliminiert nicht nur einen Teil der Krebszellen, sondern auch der T-Zellen. Das steigert die Wirksamkeit der anschliessenden CAR-T-Zelltherapie.

Nachteil: Bislang sind die Erfolge mässig. Es sind noch keine Tumorvakzine zur Krebstherapie zugelassen; einige Kandidaten werden aber zumindest in klinischen Studien eingesetzt. Auch die dendritische Zelltherapie ist noch kein Standard in der Krebsbehandlung. Die sehr aufwendige und teure CAR-T-Zelltherapie ist bislang nur für ausgewählte Patienten mit bestimmten Krebsformen möglich.

Immuntherapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren

Immun-Checkpoint-Inhibitoren sind spezielle Antikörper, die zur jüngsten Generation von Wirkstoffen in der Immunonkologie gehören. Sie zielen auf bestimmte Immunkontrollpunkte (Immun-Checkpoints) ab. Diese fungieren als "Bremsen" des Immunsystems - sie verhindern normalerweise überschiessende Immunreaktion im gesunden Gewebe.

Manche Tumoren können diese Immun-Checkpoints aktivieren, also ihre Bremsfunktion auslösen: Auf ihrer Oberfläche tragen sie Moleküle, die zu bestimmten Rezeptoren der T-Zellen passen, die wie Ausschaltknöpfe funktionieren. Beim Kontakt wird die T-Zelle inaktiviert und geht nicht gegen die Krebszelle vor.

Mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren kann man dagegen vorgehen - sie lösen die "Bremsen" wieder, indem sie ihrerseits die kritischen Oberflächenmoleküle der Krebszellen besetzen. So können diese die Ausschaltknöpfe der T-Zellen nicht mehr bedienen. In der Folge können die T-Zellen gegen sie vorgehen.

Nachteil: Eine "Wunderwaffe" ist diese Form der Immuntherapie nicht. Zum Teil dauert es einige Wochen, bis sie wirken. Zudem sprechen nicht alle Patienten auf Immun-Checkpoint-Inhibitoren an. Und bei ihrem Einsatz kann das Immunsystem überreagieren.

Wann führt man eine Immuntherapie durch?

Derzeit gibt es nur für einige Krebsformen geeignete immunonkologische Medikamente. Ein Teil davon wird zudem bislang nur im Rahmen von Studien verabreicht. Zu den bisher entwickelten Wirkstoffen zur Krebsimmuntherapie und ihren Anwendungsgebieten gehören:

Monoklonale Antikörper - diese Form der Immuntherapie kommt etwa bei folgenden Krebsformen in Betracht:

Checkpoint-Inhibitoren - sie stehen unter anderem zur Behandlung folgender Tumorformen zur Verfügung:

Zytokine - Anwendungsgebiete sind etwa:

Die CAR-T-Zelltherapie kann in bestimmten Fällen von Non-Hodgkin-Lymphom und Leukämie angewendet werden.

Was macht man bei einer Immuntherapie?

Bei einer Krebsimmuntherapie werden den Patienten die immunonkologisch wirksamen Stoffe meist per Infusion verabreicht. Bei manchen Formen der Immuntherapie entnimmt man dem Patienten auch Immunzellen aus dem Blut, die gegen den Krebs scharfgemacht und dann zurück in den Körper gegeben werden. In der Regel erfolgt eine Immuntherapie in Zentren, die sich auf Immunonkologie spezialisiert haben und sich auch mit den möglichen Nebenwirkungen auskennen.

Welche Risiken birgt die Immuntherapie?

Krebs auf sanfte Art zu bekämpfen, ist bisher kaum möglich. So kann auch eine Immuntherapie Nebenwirkungen haben. Sie äussern sich aber anders als die Nebenwirkungen, die durch eine Chemotherapie verursacht werden. Beispielsweise verlieren die Patienten in der Regel nicht ihre Haare.

Wird im Rahmen einer Immuntherapie die Körperabwehr aktiviert, besteht vor allem die Gefahr, dass sie sich dann auch gegen gesunde Körperzellen richtet. Eine Immuntherapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren kann Entzündungen in Geweben und Organen auslösen, besonders im Bereich der Haut und des Magen-Darm-Traktes. Teils treten die Nebenwirkungen auch erst Monate nach der letzten Dosis in Erscheinung.

Der Einsatz von Zytokinen wie Interferon kann grippeähnliche Symptome hervorrufen wie Fieber, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit und Erbrechen. Interferon wirkt auch auf das Nervensystem. Über diesen Weg kann es in Einzelfällen Depressionen und Verwirrtheit verursachen.

Die bisher eingesetzten Krebsimpfungen gehen mit Nebenwirkungen wie Schüttelfrost, Fieber und Kopfschmerzen einher. Die CAR-T-Zelltherapie kann zum einen eine den ganzen Körper betreffende (systemische) Entzündungsreaktion auslösen - das Zytokin-Freisetzungssyndrom - mit Symptomen wie Fieber, erhöhter Herzschlag, erniedrigter Blutdruck, Hautausschlag, Übelkeit, Erbrechen, ggf. auch Kreislauf- udn Atemproblemen. Zum anderen kann können als Folge der CAR-T-Zelltherapie neurologische Nebenwirkungen (z.B. Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Müdigkeit, Sprachstörungen, Krampfanfälle) sowie ein erhöhtes Infektionsrisiko auftreten.

Was muss ich nach der Immuntherapie beachten?

Auch wenn Immuntherapien sich speziell gegen Krebszellen richten, können Sie mit erheblichen Nebenwirkungen einhergehen. Aus diesem Grund sollte eine Immuntherapie gegen Krebs immer in spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Treten anschliessend Beschwerden auf, besprechen Sie diese immer mit Ihrem Arzt. Insbesondere wenn das Immunsystem zu stark aktiviert wird, ist es wichtig, die Balance im Rahmen der Immuntherapie schnell wieder auszutarieren.

Autoren- & Quelleninformationen

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Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Deutsches Krebsforschungszentrum: "Immuntherapie gegen Krebs: Impfungen, Antikörper, neue Wirkstoffe" (Stand: 01.08.2017), unter: www.krebsinformationsdienst.de
  • Kinderkrebsinfo - Informationsportal zu Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen, Charité - Universitätsmedizin Berlin: "CAR-T-Zelltherapie", unter: www.gpoh.de
  • Krebsliga Schweiz: "Immuntherapien und zielgerichtete Therapien", unter: www.krebsliga.ch (Abruf: 16.03.2022)
  • Österreichische Krebshilfe: "Immuntherapie", unter: www.krebshilfe.net (Abruf: 16.03.2022)
  • Pschyrembel Online, Klinisches Wörterbuch: www.pschyrembel.de (Abruf: 16.03.2022)
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