Hoffen auf neue Antibiotika

Resistente Bakterienstämme - "Superbugs" werden immer mehr zum Problem. Münchner Forscher gehen neue Wege.
Die Entdeckung der Antibiotika hat die Medizin revolutioniert. Tödliche, unheilbare Krankheiten wurden mit einem Schlag gut behandelbar. Seuchen wie Pest, Cholera und Tuberkulose haben wir heute mit Hilfe der Antibiotika gut unter Kontrolle. Doch auch die Gegenseite rüstet auf: 80 Jahre nach der Entdeckung des Penicillins haben etliche Bakterienstämme Resistenz gegen Antibiotika entwickelt.
Protease-Hemmer als neue Antibiotika
Biochemiker der Technischen Universität München haben nun einen neuen Ansatz präsentiert, der sich als Geheimwaffe im Kampf gegen die Resistenz heraus stellen könnte. Während herkömmliche Antibiotika meist die Bildung der Zellwand verhindern, wollen die Münchner Forscher bestimmte Enzyme spezifisch hemmen. Diese Enzyme werden Proteasen genannt. Sie bauen Eiweißmoleküle ab und können als molekulare Schalter andere Enzyme in der Zelle aktivieren oder deaktivieren. Einerseits sind sie für die Erregerzellen lebenswichtig, andererseits sind sie an der Entstehung von Krankheiten beteiligt.
Stumpfe Schere
Die Idee der Forscher ist es, die krankmachende (pathogene) Funktion der Erregerzellen auszuschalten. Sie tun dies indem sie verhindern, dass pathogene Enzyme überhaupt aus ihren Einzelteilen zusammen gebaut werden, oder sie blockieren ihr aktives Zentrum. Proteasen werden wegen ihrer proteinabbauenden Funktion auch "molekulare Scheren genannt". Die Forscher umschreiben ihre Arbeit so: "die Schere wird stumpf, das Protein funktionsunfähig".
Angst vor Superbugs

Entdeckungen wie diese braucht die Medizin dringend, will sie doch den Kampf gegen Bakterien auf Dauer gewinnen. Tuberkulose-Erreger, Gonokokken und Staphylococcus aureus, der als MRSA zu trauriger Berühmtheit gekommen ist, haben “gelernt” sich gegen Antibiotika zu verteidigen. Wie sie das tun, ist einfach zu erklären. Werden Antibiotika in kleinen Dosen aufgenommen oder die Packung nicht wie vorgeschrieben zu Ende genommen, so überleben einzelne Bakterienzellen den Antibiotika-Angriff. Diese Zellen können sich nun biochemisch verteidigen, indem sie das Antibiotikum abbauen. Die Resistenz - also das "Wissen" wie das Antibiotikum zerstört werden kann - wird von einer Zelle an die andere durch den Austausch von DNA weitergegeben.
Antibiotika in der Nahrungskette
Kritiker meinen durch die allzu lockere Verschreibungspraxis und den Einsatz von Antibiotika außerhalb der Medizin, hätten wir die Bildung von Resistenzen selbst zu verantworten. So werden beispielsweise dem Tierfutter Antibiotika beigemengt. Denn weniger Infektionen der Nutztiere bedeutet mehr Profit. Die Nebenwirkung: Antibiotika gelangen in kleinen Mengen in die Nahrungskette und verteilen sich über ganze Ökosysteme. In einer Studie wurde der Fluss Seine, der durch Paris fließt, auf Antibiotika-Spuren untersucht. Nach jeder großen Kläranlage steigt die Konzentration demnach um 70 bis 80 Prozent an. Der Entstehung von neuen Resistenzen steht also nichts im Wege. Der Münchner Forschungsansatz besteht noch aus bloßer Theorie. Eine Studie mit Bakterienkulturen soll diese Ideen jetzt bestätigen.
Autoren:
Mag. (FH) Axel Beer
Redaktionelle Bearbeitung:
Helga Quirgst, MSc
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