Keine Angst vor Kortison

Keine Angst vor Kortison

Von Melanie Iris Zimmermann, Apothekerin
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Was ist Kortison?

In der Nebennierenrinde werden eine Reihe Hormone produziert, die Glucocorticoide genannt werden. Sie haben wichtige Funktionen und weit reichende Effekte auf Knochen und Muskeln, auf den Mineral- und Wasserhaushalt und damit den Kreislauf, auf den Stoffwechsel, das Immunsystem und das zentrale Nervensystem sowie auf das Blut und die Augen. Hauptvertreter der körpereigenen Glucocortikoide sind Cortisol (=Hydrocortison), Corticosteron und Cortison. Künstliche Weiterentwicklungen dieser natürlichen Glucocorticoide heissen z.B. Dexamethason, Fluorocortolon, Prednison, Prednisolon oder Triamcinolon. Da die Wirkungen aller Glucocortikoide sehr ähnlich sind, werden sie umgangssprachlich zum Begriff Kortison zusammengefasst.

Angst vor Kortison?

Viele Patienten haben Angst sobald sie das Wort Kortison hören. Die meisten Menschen denken dann an ein "Hammer-Medikament" mit starken Nebenwirkungen, das nur bei schwersten Erkrankungen gegeben wird. Das wurzelt in den Erfahrungen mit Kortisonbehandlungen in den siebziger Jahren, als das Kortison viele negative Schlagzeilen gemacht hat.

Damals hatte man noch keine Langzeiterfahrungen mit dem Hormon. Da es den Patienten einerseits nur als Tabletten oder Spritzen, andererseits auch noch in zu hohen Dosierungen verordnet wurde, sind weitreichende Nebenwirkungen im ganzen Körper aufgetreten. Folgen war das Cushing-Syndrom (Muskelabbau, Wasser- und Fetteinlagerungen), die Unterdrückung der körpereigenen Kortison-Produktion (Müdigkeit, Appetitverlust, Gewichtsabnahme), Unterdrückung des Immunsystems (Infektionen, Wundheilungsstörungen), Osteoporose, Wachstumsverzögerungen bei Kindern und Jugendlichen, Magen-Darmgeschwüre, Verdünnung der Haut, Akne oder grauer Star und grüner Star.

Heute weiss man, dass grosse Mengen Kortison nur für kurze Zeit unbedenklich sind. Für Langzeitbehandlungen werden deshalb nur noch sehr geringe Dosen eingesetzt. Die körpereigenen Glucocorticoide wurden ausserdem in den letzten Jahren immer wieder verändert und weiter entwickelt. Ihre Nebenwirkungen sind wesentlich geringer ausgeprägt als die der Kortisone früherer Jahre. Durch die neuen lokalen Anwendungsformen, wie Gele, Cremes, Salben, Augentropfen, Nasensprays und Inhalatoren wirkt das Kortison nur noch dort, wo man es braucht, nicht mehr im ganzen Körper. Nebenwirkungen fallen dementsprechend gering aus. Inzwischen gibt es sogar Salben oder Nasensprays mit Kortison, die Sie ohne Rezept in der Apotheke kaufen können.

Bevor Sie also aus Angst vor Nebenwirkungen auf Kortison verzichten wollen, sollten Sie gut über den Wirkstoff informiert sein.

Wann wird Kortison angewendet?

Kortison ist oft ein lebenswichtiges Medikament das in erheblichem Ausmass entzündliche oder allergische Erkrankungen lindert. Heutzutage wird Kortison vor allem bei folgenden Krankheiten verwendet:

  • Hautkrankheiten
  • Asthma und Allergien
  • Rheuma

Hauterkrankungen

Kortison wird bei Hautkrankheiten wie Neurodermitis, Schuppenflechte, Ausschlägen und Ekzemen eingesetzt. Diese sind oft allergisch bedingt und äussern sich in entzündlichen Reaktionen. Das Kortison wird dabei in Form von Gelen, Cremes oder Salben auf die Haut aufgetragen.

Asthma und Allergie

Kortison ist für die Asthmatherapie unverzichtbar geworden. Durch Kortison werden Entzündungsreaktionen in den Bronchien unterbunden, und die Schleimproduktion sinkt. Zusätzlich vermindert sich die Empfindlichkeit der Bronchien gegenüber Reizen, die einen Anfall auslösen können. Kortison ist daher das Dauermedikament jeder Asthmatherapie. Meistens wird das Kortison inhaliert. Nur in schweren Fällen wird es zusätzlich als Tabletten gegeben. Kortison unterdrückt auch die Reaktion bei Allergien, wie z.B. gegen Pollen- und Hausstaub. Das Kortison wird hier in Augentropfen oder Nasensprays verwendet oder inhaliert.

Rheuma

Bei rheumatischen Erkrankungen hemmt Kortison die starken Entzündungen in den Gelenken und dämmt das überaktive Immunsystem ein. Das Kortison wird dabei als Tablette eingenommen. Im akuten Schub bringt eine Kortisonspritze Erleichterung.

Welche Nebenwirkungen können auftreten?

Generell gilt:

Bei Gelen, Cremes und Salben, Augentropfen, Nasensprays und Inhalatoren (lokale Anwendung) entfaltet das Kortison seine Wirkungen und Nebenwirkungen in der Regel nur am Ort der Anwendung. Bei Tabletten und Spritzen hingegen (systemische Anwendung) verteilt sich das Kortison über das Blut im ganzen Körper und damit auch seine Wirkungen und Nebenwirkungen.

Kurze, auch hochdosierte Therapien sind unproblematisch. Je hochdosierter und langfristiger Kortison jedoch gegeben wird, desto eher machen sich Nebenwirkungen bemerkbar. Dann kann auch bei den nebenwirkungsarmen lokalen Arzneiformen das Kortison in geringem Mass ins Blut übergehen und eventuell Nebenwirkungen im gesamten Körper hervorrufen.

Zu Beginn eine Kortisonbehandlung bekommen Patienten oft grössere Mengen an Kortison, um schnell die schlimmsten Beschwerden zu bessern. Dann sollte die Dosis in kleinen Schritten verringert und wenn möglich ganz abgesetzt werden. Ist eine langfristige Kortisonbehandlung notwendig, ermitteln Sie gemeinsam mit ihrem Arzt die Dosis, die für Sie gerade noch wirksam ist (Low-Dose-Therapie). Dadurch werden Nebenwirkungen so weit wie möglich eingeschränkt. Bei Kindern sollte das Wachstum regelmässig kontrolliert werden.

Gele, Cremes und Salben

Bei einer kurzfristigen Anwendung von ein bis zwei Wochen machen sich keine Nebeneffekte bemerkbar. Langfristige Anwendung kann zur Verdünnung der Haut, roten Äderchen oder einer Form von Akne (Steroid-Akne) führen. Die betroffene Hautstelle darf nicht infiziert sein, da Kortison auch das örtliche Immunsystem beeinträchtigt. Erreger könnten sich dadurch besser ausbreiten. Nur bei grossflächiger Anwendung oder auf dünnen Hautstellen (Gesicht), ist es möglich dass Kortison in die Blutbahn gelangt.

Augentropfen, Nasenspray, Inhalatoren

Auch hier bleiben die Wirkstoffe in der Regel am Ort der Anwendung. Bei einer kurzen saisonalen Anwendung, wie bei der Pollenallergie, ist nicht mit Nebeneffekten zu rechnen. Auf Dauer sind örtliche Nebenwirkungen möglich.

So kann sich bei Augen- und Nasentropfen die Hornhaut bzw. Nasenschleimhaut verdünnen und austrocknen (Nasenbluten). Da Kortison die körpereigene Abwehr hemmt, begünstigt es Infektionen mit Pilzen oder Bakterien. Ausserdem ist bei vorbelasteten Personen möglich, dass sich ein grüner Star entwickelt.

Bei der Inhalation können sich Heiserkeit, Husten und Irrtationen im Hals bemerkbar machen. Dieses Infektionsrisiko in Mund und Rachen lässt sich verhindern, wenn Sie nach der Inhalation den Mund gründlich mit Wasser oder einer desinfizierenden Lösung spülen.

Tabletten und Spritzen

Eine einmalige Zufuhr auch hoher Dosierungen von Kortison ruft meistens gar keine oder nur geringe Nebenwirkungen hervor. Je länger und hochdosierter der Wirkstoff aber gegeben wird, umso stärker machen sich Nebeneffekte am ganzen Körper bemerkbar.

Was müssen Sie zusätzlich beachten?

Bei richtiger Anwendung sind die neuen Kortisone eine wesentliche Erleichterung für den Patienten. Für eine sichere Therapie mit geringen Nebenwirkungen sollten folgende Dinge beachtet werden.

Wenden Sie das Kortisonpräparat regelmässig an.

Grund: Kortison hat zwar eine sehr gute Wirkung, diese tritt aber sehr langsam ein (nach etwa drei bis vier Tagen). Eine regelmässige und rechtzeitige Anwendung ist unbedingt notwendig. Ein akuter Asthma-Anfall kann zum Beispiel durch die einmalige Inhalation von Kortison nicht bekämpft werden.

Nehmen Sie Kortison-Tabletten zum vorgesehenen Einnahmezeitpunkt ein.

Grund: Der Körper produziert körpereigenes Kortison in einem speziellen Rhythmus. Man beeinflusst diesen am wenigsten, wenn die Einnahme in den frühen Morgenstunden erfolgt (6.00 - 8.00 Uhr). Manche Asthmatiker müssen am Abend, wegen der Gefahr nächtlicher Anfälle, eine zweite Dosis einnehmen.

Setzen Sie Kortison-Tabletten niemals plötzlich ab.

Grund: Der Körper stellt während der Therapie die eigene Kortisonproduktion ein. Es kann daher bei plötzlichem Absetzen des Präparats zu lebensgefährlichen Kreislaufversagen und Schockreaktionen kommen, da der Körper das Hormon dringend braucht. Die Dosis muss daher ausschleichend verringert werden. Hierbei wird über mehrere Wochen hinweg die tägliche Dosis abgesenkt, bis der Körper die eigene Produktion wieder aufgenommen hat.

Autoren- & Quelleninformationen

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Datum :
Autor:
Melanie Iris Zimmermann
Quellen:
  • Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie Forth, Henschler, Rummel et al. 8. Aufl. 2001
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