Stottern

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Stottern (Balbuties) ist eine motorisch bedingte Sprechstörung, bei der der Redefluss unterbrochen ist. Experten schätzen, dass rund ein Prozent der Bevölkerung davon betroffen ist. Darunter sind mehr Knaben und Männer als Mädchen und Frauen. Das Phänomen tritt häufig erstmals in der Kindheit auf, verliert sich dann aber im Erwachsenenalter bei den meisten Betroffenen wieder. Lesen Sie mehr über Ursachen und Behandlung von Stottern!

Stottern

Kurzübersicht

  • Was ist Stottern? Stottern ist eine Redeflussstörung, bei der zum Beispiel einzelne Laute oder Silben wiederholt (z.B. w-w-w-warum?) oder Laute langgezogen werden (z.B. laaaaass mich iiiiiin Ruhe).
  • Welche Ursachen hat Stottern? Es gibt verschiedene Faktoren, zum Beispiel Veranlagung, traumatische Erlebnisse oder Störungen bei der Verarbeitung entsprechender Nervensignale.
  • Was lässt sich gegen Stottern tun? Im Kindesalter verschwindet Stottern oft von allein wieder. Ansonsten hilft eine Stottertherapie. Da bei Erwachsenen Stottern meist nicht mehr vollständig verschwindet, ist hier eine Therapie empfehlenswert, um die Störung unter Kontrolle zu bekommen – vor allem, wenn das Stottern den Betroffenen stark belastet.

Was ist Stottern?

Beim Stottern gerät der Redefluss ins Stocken. Der Stotternde hängt wiederholt an einem Wort fest, was sich in Lautwiederholungen, Dehnungen oder völligen Blockaden äussert. Er weiss zwar ganz genau, was er sagen möchte, kann das Wort aber in dem Moment nicht aussprechen.

Stottern kann sich auf unterschiedliche Weise äussern:

  • als Wiederholung von Lauten, Silben oder Wörtern (z. B. w-w-w-warum?)
  • als lautloses Pressen von Anfangsbuchstaben (z. B. Ich heisse B-------ernd.)
  • als Langziehen einzelner Laute (z. B. Laaaaass mich doch iiiiiiin Ruhe.)

Stottern ist ein individuelles Phänomen. Jeder Stotternde stottert anders und in unterschiedlichen Situationen. Wie stark jemand stottert, hängt auch von der aktuellen seelischen Verfassung ab. Dennoch ist Stottern keine psychische Störung, sondern körperlich bedingt.

Die Sprechbehinderung kann zusammen mit anderen Auffälligkeiten auftreten, welche die Kommunikation zusätzlich stören. Dazu zählen zum Beispiel sprachliche Phänomene wie der Einsatz von Füllwörtern sowie nichtsprachliche Erscheinungen wie Blinzeln, Zittern der Lippen, Mitbewegen der Gesichts- und Kopfmuskulatur, Schwitzen oder eine veränderte Atmung.

Stottern bei Kindern

Stottern beginnt in der Regel ohne erkennbare Ursachen im Kleinkindalter. Tatsächlich durchlaufen die meisten Kinder zwischen zwei und fünf Jahren in ihrer Sprachentwicklung eine Phase, in der Denken und Sprechen nicht immer miteinander Schritt halten können. Dann wiederholt ein Kind so lange bestimmte Worte, bis ihm der gesuchte Begriff wieder eingefallen ist (Beispiel: Der-der-der Hund hat mich gebissen). Das ist normal und legt sich meist von alleine. Generell tritt bei fünf Prozent aller Kinder in dieser Altersspanne Stottern auf.

Etwa 25 Prozent dieser Kinder entwickeln daraus ein "echtes", also dauerhaftes Stottern. Das ist anstrengend und frustrierend. Deshalb ist es kein Wunder, dass betroffene Kinder nicht gerne sprechen oder sogar Angst davor haben – insbesondere dann, wenn sie wegen des Stotterns von Altersgenossen gehänselt werden. Es entsteht ein Teufelskreis aus Furcht und Vermeidung. Das Stottern schleift sich immer mehr ein. Je länger es besteht, desto schwerer ist es, zum flüssigen Sprechen zurückzukehren.

Stottern bei Erwachsenen

Bei Erwachsenen verschwindet das Stottern nur noch in seltenen Fällen vollständig. Es ist also meist nicht mehr heilbar. Trotzdem kann eine Therapie erfolgreich sein und die Lebensqualität erheblich steigern. Die Betroffenen können nämlich lernen, flüssiger zu sprechen und mit dem Stottern besser zurechtzukommen.

Das gibt vielen das nötige Selbstvertrauen, wieder unbefangen mit ihren Mitmenschen zu kommunizieren und sich vom Stottern nicht in ihrer Entfaltung einschränken zu lassen – etwa bei der Berufswahl oder bei Freizeitaktivitäten.

Stottern kann seelisch belastend sein

Stottern kann eine erhebliche seelische Belastung bedeuten. Viele Stotternde versuchen, ihr Problem zu vertuschen. Sie vermeiden bestimmte, für sie schwierige Anfangsbuchstaben oder tauschen heikle Begriffe schnell gegen andere Wörter aus, damit das Gegenüber das Stottern nicht bemerkt. Angst und die erhöhte Anstrengung beim Sprechen führen mit der Zeit zu Vermeidungsstrategien. Bei manchen geht es sogar so weit, dass sie nur noch sprechen, wenn es gar nicht anders möglich ist. Sie ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück.

Stottern: Ursachen und mögliche Erkrankungen

Sprechen ist ein komplexes Zusammenspiel von verschiedenen Aktionen, die das Gehirn steuert. Es gilt, Atmung, Stimmgebung und Artikulation in Sekundenbruchteilen zu koordinieren. Bei stotternden Menschen ist dieses Zusammenspiel gestört.

Bislang gibt es keine eindeutige Ursache für das Stottern. Es ist wohl eine Vielzahl von Faktoren, die Stottern entstehen lassen und aufrechterhalten können – Faktoren, die sich auch gegenseitig beeinflussen.

  • "Übertragungsstörungen": Man nimmt an, dass Stottern auf einer Störung der zu verarbeitenden Nervensignale für das Sprechen basiert und/oder auf einer motorischen Störung der am Sprechen beteiligten Organe beruht.
  • Veranlagung: Da Stottern oft familiär gehäuft auftritt, gibt es vermutlich eine genetische Veranlagung dafür. Für eine erbliche Komponente spricht auch die Tatsache, dass Knaben und Männer wesentlich häufiger stottern als Mädchen und Frauen. Eltern vererben ihren Kindern Stottern aber nicht direkt, sondern geben vermutlich nur eine entsprechende Veranlagung weiter. Trifft diese auf einen Auslöser für das Stottern (z. B. eine Stresssituation) und kommen Bedingungen hinzu, die das Stottern aufrechterhalten, verfestigt sich die Sprechstörung.
  • Stress und belastende Situationen: Stottern kann posttraumatisch, also nach einem schwerwiegenden Lebensereignis, oder auch infolge von Furcht, Ängstlichkeit und Nervosität auftreten beziehungsweise bestehen bleiben. Das Stottern verstärkt sich häufig, wenn der Stotternde Hänseleien ausgesetzt ist, oder wenn die Störung zu viel Aufmerksamkeit bekommt.

Fest steht: Stottern ist keine psychische Störung, sondern eine motorisch bedingte Sprechbehinderung. Sie tritt unabhängig von der sozialen und kulturellen Herkunft, vom Bildungsgrad und vom Umgang miteinander innerhalb der Familie auf.

Stottern: Therapie

Die genauere Diagnose und die Therapie bei Stottern übernehmen Logopäden und Sprachtherapeuten, mitunter auch Atem-, Stimm- und Sprechlehrer sowie Sprachheilpädagogen. Bei den Untersuchungen ist der Therapeut teilweise auf die Beobachtungen der Betroffenen beziehungsweise der Eltern angewiesen. Als Erstes werden gemeinsam die Art des Stotterns und begleitende Verhaltensweisen festgestellt.

In der Behandlung des Stotterns wenden die verschiedenen Berufsgruppen unterschiedliche Ansätze an. Im Einzelfall hängt die Therapie auch von der Art und Ausprägung des Stotterns sowie vom Alter des Betroffenen ab.

Allgemeine Ziele der Stottertherapie sind vor allem:

  • dem Stotternden die Angst zu nehmen.
  • das flüssige Sprechen einzuüben.
  • dem Stotternden weniger anstrengende Sprechweisen im Alltagsleben zu lehren.
  • ein Gefühl für den Sprech- und Atemrhythmus zu vermitteln.

Stottertherapie für Erwachsene

Eine spezielle Methode der Stottertherapie für Erwachsene ist das Fluency Shaping. Es soll die Sprechweise verändern und verhindern, dass der Betroffene überhaupt erst beginnt zu stottern. Techniken sind beispielsweise der weiche Stimmeinsatz am Anfang des Wortes und das Dehnen von Vokalen. Ausserdem lernen die Betroffenen, ihre Atmung zu kontrollieren. Diese Methode muss allerdings intensiv eingeübt werden, damit sie dem Betroffenen in Fleisch und Blut übergeht und das anfänglich merkwürdig klingende Sprechen zu einem natürlichen Sprechfluss wird.

Eine andere Methode ist die Stottermodifikation. Dabei geht es nicht darum, das Stottern vollständig zu vermeiden. Ziel ist vielmehr ein "flüssiges Stottern", das durch bestimmte Techniken kontrollierbar wird. Der Betroffene soll also lernen, auf sein Stottern zu reagieren und in den gestörten Redefluss einzugreifen. Wesentlich bei diesem Ansatz ist auch, dass der Betroffene ein gestärktes Selbstbewusstsein entwickelt und offen mit seinem Problem umgeht, sodass das Sprechen für ihn nicht mehr angstbesetzt ist.

Stottertherapie für Kinder

Die Stottertherapie für Kinder unterscheidet einen direkten und einen indirekten Ansatz.

Der indirekte Ansatz konzentriert sich nicht auf das Sprechproblem. Vielmehr geht es hier vorranig darum, Ängste abzubauen und die Lust am Sprechen zu fördern. So soll der indirekte Ansatz die Grundlagen für ein angstfreies, ruhiges Sprechen schaffen. Sprach- und Bewegungsspiele, beispielsweise rhythmische Verse und Lieder, aber auch Entspannungs- und Dialogübungen sollen die Sprechfreude des Kindes fördern. Die enge Zusammenarbeit mit den Eltern kann den Therapieerfolg verbessern.

Der direkte Ansatz setzt unmittelbar an dem Sprechproblem an. Die Kinder lernen, wie sie das Stottern kontrollieren, sich bei Blockaden entspannen sowie Gesprächssituationen ruhig bewältigen können. Ausserdem fördert dieser Ansatz einen offenen Umgang mit dem Problem und stärkt das Selbstbewusstsein der Kinder.

Erfolgsaussichten

Ist Stottern heilbar? Es kommt darauf an. Bei vielen Kindern verschwindet das Stottern spontan oder durch eine Therapie. Die Erfolgsaussichten einer Stottertherapie sind umso höher, je früher die Behandlung beginnt. Denn je länger ein Kind stottert, desto mehr sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Heilung.

Bei Erwachsenen dagegen verliert sich das Stottern nur noch in seltenen Fällen vollständig. Kontinuierliches Training kann aber den Sprechfluss deutlich verbessern und das Stottern unter Kontrolle halten.

Stottern: Wann müssen Sie zum Arzt?

Ob jemand, der stottert, eine Therapie benötigt, hängt vom Schweregrad der Sprachstörung ab. Kriterien dafür sind, wie oft Stotterattacken auftreten und wie stark sie ausgeprägt sind. Vor allem aber muss Stottern behandelt werden, wenn es den Betroffenen seelisch belastet.

Insbesondere Vermeidungsverhalten ist ein deutlicher Hinweis dafür, dass es Zeit ist, sich Hilfe zu suchen – das heisst, wenn der Stotternde Gesprächssituationen vermeidet oder sich aus seinem sozialen Umfeld zurückzieht.

Stottern: Das können Sie selbst tun

Stotternde Menschen haben vor allem Angst vor den Reaktionen ihrer Umwelt. Sind sie entspannt, fliesst meist auch die Sprache vergleichsweise unproblematisch. Das bedeutet: Sie können Ihrem stotternden Gesprächspartner helfen, indem Sie ihm die Anspannung nehmen. Hierzu folgende Tipps:

  • Nehmen Sie ihn als Gesprächspartner ernst.
  • Hören Sie ihm ruhig und geduldig zu.
  • Lassen Sie ihn ausreden.
  • Unterbrechen Sie einen stotternden Menschen nicht und sprechen Sie nicht aus Ungeduld für ihn weiter.
  • Signalisieren Sie Aufmerksamkeit, indem Sie Blickkontakt halten.
  • Gut gemeinter Zuspruch wie "ganz ruhig" oder "immer langsam" können den Stotterer zusätzlich verunsichern.
  • Vor allem: Machen Sie sich niemals über einen stotternden Menschen lustig. Das kann nicht nur das Stottern verstärken, sondern kränkt auch Ihr Gegenüber.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe e.V.: Stottern; unter: www.bvss.de (Abruf: 17.03.2020)
  • Deutscher Bundesverband für Logopädie e.V. (dbl): Stottern; unter: www.dbl-ev.de (Abruf: 17.03.2020)
  • M. Ptok, U. Natke, H. M. Oertle: Stottern – Pathogenese und Therapie. In: Deutsches Ärzteblatt. (103) 18, A1216–1221, unter: www.aerzteblatt.de (Abruf: 25.01.2022)
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