Hyperkapnie

Von , Medizinredakteurin und Biologin
Martina Feichter

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

Alle NetDoktor.ch-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Unter Hyperkapnie versteht man einen erhöhten Gehalt an Kohlendioxid (CO2) im Blut. Dieses Abfallprodukt des Zellstoffwechsels wird normalerweise über die Lunge abgeatmet. Meist liegt es an mangelnder Belüftung der Lunge (Hypoventilation), wenn sich das Gas im Blut anreichert. Das kann etwa bei der chronischen Lungenerkrankung COPD passieren. Lesen Sie hier mehr über mögliche Ursachen sowie die Behandlung von Hyperkapnie.

hyperkapnie

Kurzübersicht

  • Was ist Hyperkapnie? Kohlendioxid-Anreicherung im arteriellen Blut. Sie kann akut auftreten oder sich langsam entwickeln.
  • Ursachen: z.B. unzureichende Belüftung der Lunge (etwa bei COPD und anderen Lungenerkrankungen), erhöhte CO2-Produktion im Körper (etwa bei Überfunktion der Schilddrüse), metabolische Alkalose (etwa infolge von Kaliummangel), Einatmen von CO2-reicher Luft
  • Symptome: u.a. Schwitzen, beschleunigte Atmung, beschleunigter Herzschlag, Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Bewusstlosigkeit
  • Therapie: z. B. künstliche Beatmung, Gabe von Natrium-Bikarbonat, Absenken der Körpertemperatur (Hypothermie), Behandlung der Ursache (etwa der Grunderkrankung)

Hyperkapnie: Ursachen und mögliche Erkrankungen

Eine Hyperkapnie beruht meist auf einer unzureichenden Belüftung der Lunge (Hypoventilation), wie etwa bei der chronischen Lungenerkrankung COPD, in deren Zusammenhang die Hyperkapnie sehr oft auftritt.

Manchmal entwickelt sich eine Kohlendioxid-Anreicherung aber auch infolge einer gesteigerten Kohlendioxid-Produktion, einer metabolischer Alkalose oder durch das Einatmen von Kohlendioxid-reicher Luft (Kohlendioxid-Vergiftung).

Hyperkapnie durch Hypoventilation

Sehr oft entsteht eine Hyperkapnie dadurch, dass der Patient zu wenig oder zu flach atmet (niedriges Atemzugvolumen) – die Lunge wird also nicht ausreichend belüftet. Eine solche Hypoventilation kann unterschiedliche Gründe haben, zum Beispiel:

  • akute "Lungenschwäche" (akute respiratorische Insuffizienz)
  • obstruktive Lungenerkrankungen (Lungenerkrankungen mit Verengung oder Verlegung der Atemwege) wie COPD und Asthma
  • restriktive Lungenerkrankungen (Erkrankungen, bei denen sich die Lunge nicht mehr ausreichend entfalten und ausdehnen kann) wie Lungenfibrose
  • Lungenembolie
  • aufsteigende Atemlähmung nach Spinalanästhesie (durch Aufsteigen des Narkosemittels über den Rückenmarkskanal)
  • Atemdepression durch Medikamente wie Opiate (starke Schmerzmittel)
  • über den erwünschten Zeitraum hinausgehende Wirkung von muskelentspannenden Medikamenten (Relaxantien) nach einer Operation
  • Pickwick-Syndrom: ein durch Fettleibigkeit (Adipositas) bedingtes Hypoventilationssyndrom, das mit Hyperkapnie verbunden ist. Besonders im Liegen wird die Lunge der Betroffenen unzureichend belüftet. Vom Pickwick-Syndrom sind meist Männer über 50 Jahren betroffen.

Hyperkapnie durch erhöhte CO2-Produktion

Eine Kohlendioxid-Anreicherung im arteriellen Blut kann auch durch eine gesteigerte CO2-Produktion entstehen:

Kohlendioxid fällt als Stoffwechselendprodukt in den Zellen an und gelangt über das Blut in die Lunge, wo es abgeatmet wird. Wenn aber die Zellen übermässig viel Kohlendioxid produzieren, können es die Betroffenen nicht mehr ausreichend abatmen. Es sammelt sich im Blut an – eine Hyperkapnie entsteht.

Mögliche Ursachen eines gesteigerten Stoffwechsels und daher einer erhöhten CO2-Produktion sind:

  • "Blutvergiftung" (Sepsis)
  • Fieber
  • Polytrauma (gleichzeitige Verletzung verschiedener Körperregionen oder Organsysteme, wobei mindestens eine Verletzung oder aber die Kombination mehrerer Verletzungen lebensbedrohlich ist)
  • unkontrollierbarer (maligner) Bluthochdruck
  • Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)

Hyperkapnie infolge metabolische Alkalose

Eine Hyperkapnie kann auch als Reaktion des Körpers auf eine metabolische Alkalose entstehen. Bei diesem Krankheitsbild ist der Bikarbonat-Spiegel im Blut stark erhöht, wodurch sich der pH-Wert nach oben, also in den basischen (alkalischen) Bereich verschiebt.

Der Körper versucht dann, den pH-Wert wieder auf Normalwerte abzusenken, indem er vermehrt Kohlendioxid zurückhält und nicht über die Lunge abatmet – es entwickelt sich eine ausgleichende (kompensatorische) Hyperkapnie.

Mögliche Ursachen für eine metabolische Alkalose sind zum Beispiel:

  • akuter Mangel an Kalium
  • Verlust von viel saurem Magensaft (etwa durch Erbrechen)
  • Einnahme bestimmter harntreibender Medikamente (Diuretika)
  • Überernährung (Hyperalimentation), also ungesunde und zu reichliche Ernährung, die zu Übergewicht führt

Hyperkapnie durch Einatmen von CO2-reichem Gas

Der Kohlendioxid-Gehalt der Luft beträgt normalerweise ungefähr 0,04 Prozent. Ab einem Anteil von vier Prozent zeigen sich erste Symptome einer Hyperkapnie, ab einem Anteil von über 20 Prozent droht eine tödliche Kohlendioxid-Vergiftung.

Gefährlich viel Kohlendioxid kann zum Beispiel die Luft in Futtersilos und Brauereikellern enthalten, was das Arbeiten dort riskant macht.

Kohlendioxid ist ein geruchloses Gas, sodass Betroffene es unbemerkt einatmen.

Hyperkapnie: Symptome

Je nach Schweregrad löst eine Hyperkapnie verschiedene Symptome aus. Diese sind nicht spezifisch für eine Kohlendioxid-Anreicherung im Blut, können also auch andere Ursachen haben.

Häufige Symptome einer Hyperkapnie sind:

  • Schwitzen
  • hoher Blutdruck
  • Herzrasen und Herzrhythmusstörungen
  • beschleunigte Atmung (Tachypnoe)
  • Kopfschmerzen
  • Verwirrtheit
  • Bewusstlosigkeit
  • tonisch-klonische Krämpfe (Krämpfe mit Versteifung und Zuckungen von Armen und Beinen wie z. B. bei einem epileptischen Anfall)
  • erweiterte Pupillen (Mydriasis)

Bei solchen Symptomen ist ein Arztbesuch dringend angeraten!

Die Bewusstseinstrübung (bis hin zu Bewusstlosigkeit und Koma) stellt sich erst bei einer stärker ausgeprägten Hyperkapnie ein, das heisst bei einem Kohlendioxid-Partialdruck über 60 mmHg. Bei solchen Werten steigt der Druck im Gehirn, weil sich die dortigen Blutgefässe stark erweitern.

Frisch operierte Patienten mit Hyperkapnie leiden oft unter Kopfschmerzen, Übelkeit und Halluzinationen.

Übersäuerung (Azidose)

Durch den Anstieg des Kohlendioxids im Blut übersäuert dieses: Der Säuregrad (pH-Wert) des Blutes sinkt also bei einer Hyperkapnie. Verringert er sich auf unter 7,2, können Organschäden auftreten. Ein pH-Wert unter 7,0 kann lebensgefährlich sein.

Ist eine mangelnde Belüftung der Lunge (Hypoventilation) der Grund für die Hyperkapnie und in weiterer Folge für die Übersäuerung, sprechen Mediziner von atembedingter (respiratorischer) Azidose.

Hyperkapnie: Was macht der Arzt?

Bei Verdacht auf eine Hyperkapnie misst der Arzt die Blutgase (Sauerstoff, Kohlendioxid) im arteriellen Blut und die Sauerstoffsättigung. Die Ergebnisse und die Symptome des Patienten genügen meist, die Diagnose "Hyperkapnie" zu stellen. Erschwert werden kann die Diagnose aber dann, wenn der Patient Medikamente einnimmt, welche die Symptome der Hyperkapnie verschleiern. So können zum Beispiel Herz-Kreislauf-Mittel vom Typ der Betablocker den schnellen Herzschlag bremsen und Bluthochdruckmedikamente den Anstieg des Blutdrucks verhindern.

Hat der Arzt die Hyperkapnie diagnostiziert, können je nach Ursache der Hyperkapnie noch weitere Untersuchungen notwendig sein, zum Beispiel Lungenfunktionstests bei Lungenerkrankungen.

So behandelt der Arzt eine Hyperkapnie

Eine leichte Hyperkapnie muss der Arzt nicht in jedem Fall behandeln. Wenn aber durch die Kohlendioxid-Anreicherung der pH-Wert deutlich abfällt, also eine ausgeprägte Übersäuerung (Azidose) entsteht, muss der Arzt therapeutisch eingreifen. Dabei stehen verschiedene Behandlungsmassnahmen zur Verfügung.

So lässt sich zum Beispiel durch künstliche Beatmung die Belüftung der Lunge und damit das Abatmen des Kohlendioxids verbessern. In anderen Fällen gibt der Arzt Natrium-Hydrogenkarbonat (Natrium-Bikarbonat): Es wirkt zwar nicht der Hyperkapnie entgegen (verbessert also nicht die CO2-Ausscheidung), kann aber den abgesunkenen pH-Wert anheben.

Die Gabe von Natrium-Bikarbonat muss ehr vorsichtig erfolgen, denn durch den ansteigenden pH-Wert verringert sich unter Umständen der Atemantrieb. Das heisst, der Patient atmet weniger, was den CO2-Wert im Blut weiter steigen lässt.

Wenn alle anderen Behandlungsmöglichkeiten versagen, kann der Arzt als letzte Massnahme bei Hyperkapnie die Körperkerntemperatur des Patienten absenken. Diese sogenannte Hypothermie bremst die Stoffwechselaktivität und reduziert damit die Kohlendioxid-Produktion in den Zellen.

All diese Massnahmen dienen der symptomatische Behandlung – also der Bekämpfung des Symptoms Hyperkapnie. Darüber hinaus muss der Arzt aber auch dessen Ursache behandeln. Beispielsweise wird für die zugrundeliegende Erkrankung (wie COPD) eine angemessene Therapie eingeleitet.

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

Quellen:
  • Amboss – Fachwissen für Mediziner: "Muskelrelaxantien"; unter: www.amboss.com (Abruf: 11.06.2020)
  • Bein, T. et al.: Intensivbuch Lunge, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 4. Auflage, 2020
  • Deutsche Lungenstiftung e.V.: "Atemversagen ist die häufigste Todesursache bei COPD", Meldung vom 28.06.2017; unter: www.lungenaerzte-im-netz.de
  • Hartig, W.: Ernährungs- und Infusionstherapie, Georg Thieme Verlag, 2004
  • Kuhnigk, H. et al.: Narkose in der Notfallmedizin, Georg Thieme Verlag, 2007
  • Layon, A. J. et al.: Textbook of Neurointensive Care, Springer-Verlag, 2. Auflage, 2013
  • MSD Manual – Ausgabe für medizinische Fachkreise: "Metabolische Alkalose"; unter: www.msdmanuals.com (Abruf: 11.06.2020)
  • Piper, W.: Innere Medizin, Springer-Verlag, 2. Auflage, 2013
  • Pschyrembel Online, Klinisches Wörterbuch: www.pschyrembel.de (Abruf: 11.06.2020)
  • Schüttler, J. et al.: Der Narkosezwischenfall, Georg Thieme Verlag, 2. Auflage, 2010
Teilen Sie Ihre Meinung mit uns
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie NetDoktor einem Freund oder Kollegen empfehlen?
Mit einem Klick beantworten
  • 0
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
0 - sehr unwahrscheinlich
10 - sehr wahrscheinlich