Dystonie

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und , Medizinjournalistin
und , Medizinredakteurin und Biologin
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Marian Grosser

Marian Grosser studierte in München Humanmedizin. Daneben hat der vielfach interessierte Arzt einige spannende Abstecher gewagt: ein Philosophie- und Kunstgeschichtestudium, Tätigkeiten beim Radio und schließlich auch für Netdoktor.

Sabine Schrör

Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.

Martina Feichter

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

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Unter einer Dystonie versteht man unwillkürliche, anhaltende oder wiederkehrende Muskelanspannungen in verschiedenen Körperregionen. Der Grund dafür ist im zentralen Nervensystem zu finden. Die Dystonie kann als eigenständiges Krankheitsbild oder im Rahmen anderer Erkrankungen (wie Parkinson) auftreten. Lesen Sie hier alles Wichtige über Dystonie: Definition, Formen, Symptome, Ursachen, Diagnose und Behandlung.

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Kurzübersicht

  • Was ist Dystonie? Unwillkürliche, anhaltende oder zeitweilig auftretende Muskelverkrampfungen, deren Ursache im Gehirn liegt.
  • Formen: Einteilung nach Krankheitszeichen (wie zeitlichem Verlauf und Verteilungsmuster der Muskelverkrampfungen) sowie Ursache, z.B. Blepharospasmus, „Schiefhals“.
  • Symptome: anhaltende oder zeitweilig auftretende, unwillkürliche Muskelanspannungen, die zu abnormen Bewegungen und/oder Fehlhaltungen führen. Mögliche Folgen sind Schmerzen, Bewegungseinschränkungen, Gelenkschäden etc.
  • Ursachen: vermutlich Störung in Hirnarealen, die für Bewegung zuständig sind; der Auslöser ist unbekannt (idiopathische Dystonie), eine Erkrankung oder Schädigung des zentralen Nervensystems (erworbene D.) oder ein bekannter Gendefekt (hereditäre D.)
  • Wann zum Arzt? Grundsätzlich bei den ersten Anzeichen einer (möglichen) Dystonie.
  • Diagnose: anhand der individuellen Krankengeschichte und des klinischen Erscheinungsbilds. Ggf. spezifische Untersuchungen, um zugrundeliegende Erkrankungen zu identifizieren.
  • Therapie: Heilung ist nicht möglich. Symptome lassen sich aber mit der passenden Behandlung (v.a. Medikamenten und operativen Eingriffen) lindern.

Dystonie: Definition

Eine Dystonie ist eine Bewegungsstörung. Die Betroffenen leiden unter unwillkürlichen, also nicht willentlich steuerbaren Muskelkontraktionen verschiedener Körperteile. Diese Kontraktionen sind anhaltend oder zeitweilig aussetzend (intermittierend).

Die unwillkürlichen Muskelkontraktionen führen zu abnormen, oftmals sich wiederholenden Bewegungen und/oder Fehlhaltungen. Bekannte Beispiele sind der Lidkrampf (Blepharospasmus) und der Schiefhals (Torticollis spasticus).

Dystonien können bereits bei Kindern und Jugendlichen auftreten oder sich erst im Erwachsenenalter zeigen.

Unterschiede zu Muskelkrämpfen

Auch bei Muskelkrämpfen spannen sich die Muskeln unwillkürlich an – im Unterschied zu Dystonien aber nur kurzzeitig. Zudem ist der Ursprung ein anderer: Während Muskelkrämpfe durch kurzzeitige Störungen im Muskel selbst entstehen, beruht eine Dystonie wahrscheinlich auf einer Störung in jenen Hirnbereichen, die für die Motorik (Bewegungen) zuständig sind.

Dystonie: Formen

Die Klassifikation der Dystonien erfolgt in zwei Schritten: Zuerst erfassen Mediziner die genauen Krankheitszeichen (nach klinisch-phänomenologischen Kriterien). Die so charakterisierte Dystonie ordnen sie dann nach ihrer Ursache einer ätiologischen Gruppe zu.

Klinisch-phänomenologische Kriterien einer Dystonie

Das Alter bei Beginn einer Dystonie kann sein:

  • frühkindlich (bis 2 Jahre)
  • kindlich (3 bis 12 Jahre)
  • jugendlich (13 bis 20 Jahre)
  • frühes Erwachsenenalter (21 bis 40 Jahre)
  • spätes Erwachsenenalter (> 40 Jahre)

Daneben unterscheiden Experten verschiedene Verteilungsmuster der unwillkürlichen Muskelanspannungen:

  • fokal: Eine fokale Dystonie beschränkt sich auf eine Körperregion, z.B. Schreibkrampf, Lidkrampf.
  • segmental: Hier sind zwei benachbarte Körperregionen betroffen, z.B. Meige-Syndrom: Lidkrampf plus oromandibuläre Dystonie (betrifft Zungen-, Kiefer- und Mundmuskulatur).
  • multifokal: Die Dystonie zeigt sich hierbei in zwei oder mehr nicht benachbarten Körperregionen, z.B. Lidkrampf plus Schreibkrampf.
  • generalisiert: Die Bewegungsstörung betrifft beide Körperseiten sowie mindestens eine der oberen oder unteren Extremitäten.
  • Hemidystonie: Die Dystonie beschränkt sich hier auf eine Körperseite.

Auch der zeitliche Verlauf einer Dystonie lässt sich genauer beschreiben. Zum einen können die Symptome im Langzeitverlauf entweder fortschreiten oder unveränderlich (statisch) bleiben.

Zum anderen können die Symptome im Tagesverlauf anhaltend sein, tageszeitlich schwanken oder anfallsweise auftreten (paroxysmal). Manchmal stellen sich die unwillkürlichen Muskelkontraktionen auch nur bei bestimmten Aufgaben oder Aktionen ein (z.B. der Schreibkrampf in der Hand).

Ein weiteres klinisch-phänomenologisches Kriterium betrifft assoziierte Symptome:

  • Isolierte Dystonie: Die Dystonie ist hier das einzige Zeichen der Erkrankung.
  • Kombinierte Dystonie: Es gibt zusätzliche Bewegungsstörungen, z.B. schnelle unwillkürliche Muskelzuckungen (Myoklonien) oder Parkinson-artige Symptome (wie Tremor).
  • Komplexe Dystonie: Die Dystonie ist hier nur eine von mehreren Zeichen einer Erkrankung oder aber nicht durchgehend vorhanden bzw. veränderlich (z.B. Morbus Wilson).

Zuordnung nach der Ursache

Eine klinisch-phänomenologisch charakterisierte Dystonie kann man nach ihrer Entstehung beziehungsweise Ursache den idiopathischen, erworbenen oder hereditären Dystonien zuordnen. Mehr darüber lesen Sie weiter unten im Abschnitt „Dystonie: Ursachen“.

Ältere Begrifflichkeiten sind primäre Dystonie (Dystonie als einziges Krankheitszeichen und ohne Ursache) und sekundäre oder symptomatische Dystonie (Dystonie als Symptom einer Hirnschädigung, Stoffwechselstörung, Vergiftung etc.).

Dystonie-Formen: Beispiele

Bekannte Beispiele für Dystonien sind:

  • zervikale Dystonie („Schiefhals“): Sie betrifft einen Teil der Hals- bzw. Nackenmuskulatur und sorgt für eine Schiefstellung des Kopfes (Torticollis spasmodicus oder spasticus).
  • Blepharospasmus (Lidkrampf): Betroffene müssen in kurzen Abständen die Augen kräftig zusammenkneifen.
  • Grafospasmus (Schreibkrampf): Diese aufgabenspezifische Form von Dystonie tritt an der Hand beim Schreiben auf.
  • oromandibuläre Dystonie: Hier verkrampft die Kiefer-, Zungen und untere Gesichtsmuskulatur, was Essen, Schlucken und Sprechen erschwert.
  • Meige-Syndrom: Eine Kombination aus Blepharospasmus und oramandibulärer Dystonie und somit eine segmentale Form von Dystonie.
  • Laryngeale Dystonie (Stimmbandkrampf): Eine streikende Kehlkopfmuskulatur führt zu spasmodischer Dysphonie – angestrengtem, erstickt klingendem Sprechen, Stimmabbruch oder flüsternder Stimme.

Fokale Dystonien, die durch bestimmte Willkürbewegungen ausgelöst werden, nennt man auch „Beschäftigungskrämpfe“ (Beschäftigungsdystonien). Neben dem Schreibkrampf zählen dazu beispielsweise auch dystone Verkrampfungen der Füsse nach längerem Gehen (Fussdystonie) oder der Finger beim Geige- oder Klavierspielen („Musikerkrampf“).

Vegetative Dystonie: Keine klassische Dystonie

Eine vegetative Dystonie (psychovegetative Dystonie) hat mit der klassischen Dystonie im neurologischen Sinne nichts zu tun. Denn hier ist das vegetative Nervensystem betroffen, nicht das zentrale.

Das vegetative Nervensystem reguliert zum Beispiel Blutdruck, Atemfrequenz und Verdauung. Kommt es hier zu einer Regulationsstörung, können Symptome wie Nervosität, Unruhe, Erschöpfung, Schlaflosigkeit, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen und Krämpfe im Verdauungstrakt auftreten.

Der Begriff der vegetativen Dystonie ist allerdings wissenschaftlich umstritten. Manche Experten sprechen hierbei schlicht von einer „Verlegenheitsdiagnose“.

Dystonie: Symptome

Die unwillkürlichen, anhaltenden oder zeitweilig auftretenden Muskelkontraktionen bei einer Dystonie münden in abnorme, sich oft wiederholende Bewegungen und/oder Fehlhaltungen. Diese folgen normalerweise einem bestimmten Muster. Manchmal beobachtet man verdrehende Bewegungen oder zitternde Bewegungen. Beispiele:

  • Der Kopf ist krampfhaft zur Seite geneigt.
  • Hand und Finger verdrehen in schraubenartigen Bewegungen.
  • Betroffene Körperteile zittern schnell (solchen Tremor kennt man auch von der Parkinson-Krankheit).

Bewegungseinschränkungen und Schmerzen können mit der Dystonie einhergehen. Anhaltende Fehlstellungen können durch Fehlbelastungen Gelenkschäden nach sich ziehen.

Je nach Form und Schweregrad einer Dystonie sind weitere Symptome möglich wie Probleme beim Schlucken und Sprechen bei oromandibulärer Dystonie oder eingeschränktes Sehen bei ausgeprägtem Lidkrampf.

Stress und körperliche Aktivität können die unwillkürlichen Muskelkontraktionen verstärken. Umgekehrt schwächen sich diese oftmals ab, wenn sich Betroffene ruhig und ausgeglichen fühlen.

Dystonie: Ursachen

Derzeit gehen Experten davon aus, dass einer Dystonie eine Störung im Gehirn zugrunde liegt – genauer gesagt im Netzwerk der Basalganglien, des Kleinhirns und der Grosshirnrinde. Diese Regelkreise sind für Bewegungen (Motorik) wichtig.

Je nach Ursache dieser Störung im zentralen Nervensystem unterscheidet man idiopathische, erworbene und hereditäre Formen von Dystonie.

Idiopathische Dystonien

Idiopathische Dystonien haben keinen erkennbaren Auslöser. Zudem treten sie unabhängig von anderen Erkrankungen auf, und zwar entweder sporadisch oder familiär gehäuft.

Erworbene Dystonien

Diese Dystonien beruhen auf Erkrankungen oder Schädigungen des zentralen Nervensystems beruhen wie zum Beispiel:

Ebenfalls zu den erworbenen Dystonien zählen jene, die durch Medikamente ausgelöst werden. Vor allem sogenannte Neuroleptika (Antipsychotika) können als Langzeitnebenwirkung eine Dystonie verursachen (tardive Dystonie). Neuroleptika dienen der Behandlung verschiedener psychiatrischer Erkrankungen wie Schizophrenie.

Sehr viel seltener sind andere Medikamente für eine Medikamenten-induzierte Dystonie verantwortlich. Dazu zählen zum Beispiel bestimmte Antidepressiva, krampflösende Mittel (Antikonvulsiva), Kalziumkanalblocker (Herzmedikamente) und Dopaminagonisten (z.B. zur Parkinson-Therapie).

Darüber hinaus kann eine Dystonie psychisch bedingt sein (psychogene Dystonie). Sie stellt sich oft plötzlich nach einem geringen Trauma ein und betrifft bevorzugt die Beine.

Hereditäre (erbliche) Dystonien

Diese Dystonien lassen sich auf einen bekannten Gendefekt als Ursache zurückführen. Mittlerweile kennt man schon eine ganze Reihe solcher verursachenden Defekte. Die meisten liegen auf Autosomen. Das sind jene Chromosomen (= Träger der Erbinformation im Zellkern), die keine Geschlechtschromosomen sind.

So beruht zum Beispiel die L-Dopa-responsive Dystonie (Segawa-Syndrom) auf einem Gendefekt auf dem Chromosom 14. Dieser macht sich schon im Kindesalter (meist bei Mädchen) bemerkbar. Es beginnt in der Regel in den Beinen mit einer ausgeprägten Einwärtsstellung der Füsse und einer dystonen Gangstörung. Später gesellen sich weitere Symptome wie Tremor hinzu.

Dystonie: Verlauf

Dystonien verlaufen sehr unterschiedlich, vor allem je nach Ursache der Bewegungsstörung. Auch das Alter bei Beginn der Dystonie spielt eine Rolle:

So kann sie etwa eine fokale Dystonie mit der Zeit auf benachbarte Körperregionen ausweiten, und zwar umso wahrscheinlicher, je früher im Leben sie in Erscheinung tritt. Neben progredienten (fortschreitenden) Dystonien gibt es aber auch solche, die im Langzeitverlauf stabil (statisch) bleiben.

Eine Dystonie verschwindet nur in seltenen Fällen von allein wieder (Spontanremission). Etwas häufiger passiert das beim Schiefhals (Torticollis spasmodicus). Bei Medikamenten-induzierter Dystonie gehen die unwillkürlichen Muskelkontraktion meist vollständig zurück, sobald man das betreffende Präparat abgesetzt hat.

Dystonie: Wann sollten Sie zum Arzt?

Obwohl eine Dystonie anfangs nicht unmittelbar gesundheitsgefährdend ist, sollten Betroffene schon bei ersten Anzeichen ärztlichen Rat einholen (Hausarzt / Hausärztin oder Neurologe / Neurologin). Denn je eher mit einer passenden Therapie begonnen wird, desto mehr lässt sich die Lebensqualität steigern. Ausserdem ist es wichtig, eine eventuell ursächliche Grunderkrankung zu erkennen und zu behandeln.

Dystonie: Was macht der Arzt?

Der Arzt oder die Ärztin wird zunächst Form und Ausmass sowie nach Möglichkeit die Ursache der Dystonie ermitteln. Danach lässt sich eine passende Behandlung einleiten.

Anamnese und Untersuchungen

Den Anfang bildet die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese). Dazu befragen Mediziner die Betroffenen beziehungsweise die Eltern (bei betroffenen Kindern) unter anderem zu folgenden Themen:

  • Alter bei Beginn der unwillkürlichen Muskelkontraktionen
  • bei Kindern: Geburtsverlauf und frühkindliche Entwicklung
  • vorausgegangene Hirnverletzungen oder -entzündungen
  • Medikamenteneinnahme
  • Bewegungsstörungen in der Familie

Anschliessend begutachten Mediziner die unwillkürlichen Muskelkontraktionen (also das klinische Erscheinungsbild) genauer. Auch eventuelle weitere Krankheitszeichen wie Tremor werden erfasst.

Gibt es Hinweise, dass die Dystonie ein Symptom für eine andere Erkrankung ist, schliessen sich Zusatzuntersuchungen an. Das Gleiche gilt, wenn Kinder und Jugendliche betroffen sind. Falls nämlich Stoffwechselstörungen für die unwillkürlichen Muskelkontraktionen verantwortlich sind, ist eine frühzeitige Behandlung wichtig, um Folgeschäden zu verhindern.

Als Zusatzuntersuchungen kommen je nach Fall beispielsweise in Betracht:

  • Kernspintomografie des Schädels
  • Messung der Hirnströme (EEG)
  • diverse Blut-, Urin- und Liquoruntersuchungen (Liquor = Nervenwasser)
  • genetische Untersuchungen
  • L-Dopa-Test (u.a. zur Diagnose der Parkinson-Krankheit)

Behandlung einer Dystonie

Eine Dystonie ist nicht heilbar. Mit der passenden Behandlung lassen sich aber die Symptome deutlich lindern, was die Lebensqualität der Betroffenen steigert.

Dystonien werden hauptsächlich medikamentös behandelt. In schweren Fällen kommt manchmal ein operativer Eingriff in Frage. Ausserdem können je nach Einzelfall beispielsweise Physiotherapie, Ergotherapie und orthopädische Hilfsmittel eine zusätzliche Unterstützung bieten.

Medikamente bei Dystonie

Bei fokalen Dystonien wie „Schiefhals“ und Lidkrampf besteht die medikamentöse Therapie meist darin, lokal – in Spritzenform – Botulinumtoxin (Botox) zu verabreichen.

Sind ausgedehntere Körperpartien betroffen (wie bei segmentalen sowie generalisierten Dystonien), werden Medikamente über den Mund (oral) gegeben, etwa Acetylcholin. Dann wirken sie im ganzen Körper (systemisch). Sind Kontraktionen einzelner Muskeln besonders störend, bieten sich aber auch hier Botox-Spritzen an.

Die wichtigsten Wirkstoffe gegen Dystonien im Detail:

  • Botulinumtoxin (Botox): Das bakterielle Nervengift wird in die betroffene Muskulatur gespritzt – diese entspannt sich, die Verkrampfung lässt nach. Die Wirkung hält einige Wochen an. Dann ist eine erneute Spritze nötig.
  • Anticholinergika: Sie wirken auf das vegetative Nervensystem. In Frage kommen sie besonders bei jüngeren Menschen mit schweren generalisierten Dystonien, die eigenständig und nicht als Symptom von anderen Erkrankungen auftreten.
  • L-Dopa (Levodopa): Die lebenslange Einnahme beim Segawa-Syndrom bessert den bestehenden Dopamin-Mangel und damit die Symptome. In geringem Mass sprechen auch einige andere Dystonie-Formen auf L-Dopa an, weshalb sich ein Therapieversuch lohnt.

Manchmal kommen noch weitere Medikamente zum Einsatz. Wenn zum Beispiel Botox-Spritzen nicht helfen, kann bei einer fokalen Dystonie (als eigenständiges Krankheitsbild) versuchsweise Tetrabenazin gegeben werden. Bei tardiver Dystonie bietet sich als Alternative Clozapin oder Olanzapin an.

Operative Eingriffe

Bei verschiedenen Dystonie-Formen kann man eine chirurgischen Eingriff erwägen, wenn konservative Behandlungen (wie Medikamente) nicht ausreichend wirken und schwere Behinderungen bestehen.

  • Bei der selektiven peripheren Denervierung durchtrennt der Chirurg die Nervenäste, die den betroffenen Muskel zur Bewegung anregen. Das kommt beim „Schiefhals“ (zervikaler Dystonie) in Betracht.
  • Bei der tiefen Hirnstimulation wird eine stimulierende Sonde in die relevante Hirnregion gelegt, etwa bei segmentaler oder generalisierter Dystonie, die nicht als Symptom einer anderen Erkrankung oder Schädigung auftritt.

Sonstige Therapiemassnahmen

Begleitend (etwa zur Botox-Behandlung) können je nach Patient und Dystonie-Form weitere Massnahmen unterstützend wirken, zum Beispiel:

Eine intensivmedizinische Behandlung ist nötig, wenn eine dystone Krise auftritt. Das ist eine krisenhafte Verschlechterung einer schweren generalisierten Dystonie:

Die dystonen Muskelverkrampfungen sind hier so stark, dass sich Betroffene kaum noch bewegen und nur noch eingeschränkt atmen können. Zudem kommt es zum Muskelzerfall (Rhabdomyolyse). Es besteht Lebensgefahr!

Zu den häufigsten Auslösern einer dystonen Krise zählt das abrupte Absetzen der verordneten Medikamente. Auch eine schwere Allgemeinerkrankung (z.B. Lungenentzündung) kann eine generalisierte Dystonie krisenhaft verschlechtern.

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Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

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Marian Grosser
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Marian Grosser studierte in München Humanmedizin. Daneben hat der vielfach interessierte Arzt einige spannende Abstecher gewagt: ein Philosophie- und Kunstgeschichtestudium, Tätigkeiten beim Radio und schließlich auch für Netdoktor.

Sabine Schrör
Sabine Schrör

Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

Quellen:
  • Berlit, P.: Therapielexikon Neurologie, Springer-Verlag, 2006
  • Bossert, F.-P. et al.: Leitfaden Physikalische Therapie, Urban & Fischer Verlag / Elsevier, 2021
  • Buchta, M. et al.: Das zweite StEx – Basiswissen Klinische Medizin für Examen und Praxis, Springer-Verlag, 2. Auflage, 2004
  • Diener, H.-C. et al.: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, Georg Thieme Verlag, 5. Auflage 2012
  • Frommelt, P. et Lösslein, H.: NeuroRehabilitation, Springer-Verlag, 2011
  • Hufschmidt, A. et al.: Neurologie compact, Georg Thieme Verlag, 5. Auflage, 2009
  • Klingelhöfer, J. et Berthele, A.: Klinikleitfaden Neurologie, Urban & Fischer Verlag / Elsevier, 6. Auflage, 2017
  • Masuhr, K.F. et al.: Duale Reihe Neurologie, Georg Thieme Verlag, 7. Auflage, 2013
  • Poeck, K. et Hacke, W.: Neurologie, Springer-Verlag, 11. Auflage, 2001
  • Pschyrembel Online, Klinisches Wörterbuch, unter: www.pschyrembel.de (Abrufdatum: 08.04.2024)
  • S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie: „Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie“ (Stand: 01.02.2021), unter: https://register.awmf.org (Abrufdatum: 08.04.2024)
  • Schulz, J.B.: Neurologie…in 5 Tagen, Springer-Verlag, 2011
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