Anhidrose

Von , Arzt
Marian Grosser

Marian Grosser studierte in München Humanmedizin. Daneben hat der vielfach interessierte Arzt einige spannende Abstecher gewagt: ein Philosophie- und Kunstgeschichtestudium, Tätigkeiten beim Radio und schließlich auch für Netdoktor.

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Menschen mit einer Anhidrose können nicht schwitzen. Meist fehlt die Fähigkeit zur Schweissbildung nur an einzelnen Hautarealen, manchmal ist jedoch die gesamte Haut betroffen. Die Verdunstung von Schweiss ist wichtig um den Körper zu kühlen, bei ausgeprägter Anhidrose ist die Temperaturregulation erschwert. Erfahren Sie hier, bei welchen Erkrankungen eine Anhidrose vorkommt und was man dagegen tun kann.

Anhidrose

Anhidrose: Beschreibung

Von einer Anhidrose  ( auch: Anhidrosis) spricht man, wenn die Schweissbildung bei einem Menschen stark vermindert oder gar nicht möglich ist. Eine verringerte Fähigkeit zur Schweissproduktion nennt man dagegen Hypohidrose. Es gibt Formen einer Anhidrose, bei der am gesamten Körper kein Schweiss gebildet werden kann. Häufiger sind jedoch Varianten, die nur bestimmte Hautbereiche betreffen.

Warum schwitzt der Mensch?

Die wichtigste Funktion von Schweiss ist die Kühlung, die durch Verdunstung auf der Haut entsteht. Der Körper muss seine Temperatur immer in einem bestimmten Bereich halten, da zu grosse Abweichungen vom Normalen lebenswichtige Stoffwechselvorgänge stören. Er ist also darauf angewiesen, Temperaturanstiege, beispielsweise durch körperliche Aktivität oder  veränderte Umgebungstemperatur, ausgleichen zu können. Bei einer ausgeprägten Anhidrose fehlt diese Möglichkeit. Der Körper heizt sich auf. Dies kann bis zum Hitzschlag führen.

Neben der Thermoregulation hat Schweiss auch noch andere Funktionen, zum Beispiel trägt er durch einen sauren pH-Wert zum Schutz vor Krankheitserregern bei, die in die Haut eindringen könnten. Ferner schwitzen Menschen auch in emotionalen Stresssituationen, dann hat die Schweissproduktion aber keine spezielle Funktion.

Anhidrose: Ursachen und mögliche Erkrankungen

Es gibt viele Krankheitsbilder, die mit einer Anhidrose einhergehen können, meistens stehen bei diesen aber andere Symptome im Vordergrund. Krankheiten, bei denen eine Anhidrose so ausgeprägt ist, dass sie an sich eine ernsthafte Komplikation darstellt, sind selten.

Anhidrose bei Hauterkrankungen

Bei bestimmten Schäden und Erkrankungen der Haut sind auch die Schweissdrüsen betroffen. Die Folge ist dann eine Anhidrose an den erkrankten oder verletzten Hautarealen.

Wenn die Haut etwa höheren Dosen radioaktiver Strahlung oder Röntgenstrahlen ausgesetzt ist, kann das zu einem vorübergehenden Verlust der Schweissbildung führen (Radiodermatitis).

Bei der Sklerodermie, die unteranderem zu einer Bindegewebsverhärtung der Haut führt, kann auch eine Anhidrose auftreten. Eine weitere Hauterkrankung mit beeinträchtigter Schweissbildung ist die Ichthyose. Dabei ist die Verhornung der Haut gestört, die sehr trocken und schuppig ist. Auch eine starke Hautalterung durch zu viel UV-Strahlung kann zu einer Anhidrose führen.

Bei der Miliaria, die auch als tropische Flechte bezeichnet wird, verschliessen sich die Ausführungsgänge der Schweissdrüsen. Der gebildete Schweiss kann somit nicht mehr an die Hautoberfläche transportiert werden. Zusätzlich zur Anhidrose tritt dabei meist ein juckender Hautausschlag auf. Die Miliaria ist oft die Folge von vermehrtem Schwitzen über längere Zeit. Es gibt noch viele weitere Erkrankungen der Haut, bei denen die Schweissbildung gestört ist, die hier genannten sind nur Beispiele.

Anhidrose bei Nervenerkrankungen

Neben einer direkten Schädigung der Schweissdrüsen kommen auch bestimmte Nervenerkrankungen als Auslöser einer Anhidrose in Frage. Die Schweissbildung ist gestört, wenn die sympathischen Nervenfasern geschädigt sind, welche die Schweissdrüsen steuern.

Bei einer Polyneuropathie zum Beispiel treten an grossen Teilen des peripheren Nervensystems Schäden auf. Neben Gefühls- und Bewegungsstörungen kann auch eine Anhidrose eintreten. Zu den Auslösern einer Polyneuropathie gehören chronischer Alkoholkonsum, eine seit längerem bestehende Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), oder ein Vitaminmangel. In einigen Fällen findet man keine spezifische Ursache.

Das Horner-Syndrom bezeichnet einen Ausfall des Sympathikus im Bereich des Kopfes. Meist ist nur eine Gesichtsseite betroffen. Symptome sind eine Pupillenverengung (Miosis), ein herabhängendes Augenlid (Ptosis) und ein in die Augenhöhle eingesunkener Augapfel (Enophthalmus). Zusätzlich tritt häufig eine lokal begrenzte Anhidrose auf.

Weiter können auch Schäden und Krankheiten von Gehirn und Rückenmark die Schweissbildung stören. Beispiele hierfür sind die Parkinson-Krankheit sowie parkinsonähnliche Erkrankungen oder Rückenmarkschädigungen wie die Syringomyelie.

Anhidrose bei Erbkrankheiten und Syndromen

Die Anhidrose ist zudem ein Symptom bei einigen seltenen Erbkrankheiten. Dazu gehören:

  • die anhidrotische ektodermale Dysplasie. Zusätzlich zu Fehlbildungen an der Haut, treten hier meist auch Störungen an den Haaren, Zähnen oder Nägeln auf.
  • Morbus Fabry, eine komplexe Stoffwechselkrankheit mit verschiedenen Symptomen, darunter auch eine Anhidrose.
  • das Naegli-Syndrom. Dabei zeigen sich verschiedene Hautveränderungen. Die Anhidrose betrifft die gesamte Körperoberfläche und stellt für die Patienten das grösste Problem dar.
  • das Ross-Syndrom. Hier besteht die Anhidrose nur an einer Körperhälfte. Um den Defekt auszugleichen, produziert die nicht betroffene Körperhälfte meist vermehrt Schweiss.

Anhidrose durch Flüssigkeitsmangel, Hormonstörungen oder Medikamente

Weitere Gründe für eine Anhidrose können zum Beispiel eine Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose), oder ein ausgeprägter Wassermangel (Dehydratation) sein. Letzterer kommt vor allem bei älteren Menschen  vor, weil diese oft zu wenig trinken. Auch ein Hitzschlag geht oft mit einer Anhidrose einher.

Zudem gibt es einige Medikamente, zu deren Nebenwirkungen auch eine unterdrückte Schweissbildung gehört. Dazu gehören vor allem Antidepressiva und sogenannte Anticholinergika, die man zum Beispiel zur Behandlung von Harninkontinenz und einer überaktiven Blase einsetzt.

Anhidrose: Wann müssen Sie zum Arzt?

Eine Anhidrose kommt meistens nicht als alleiniges Symptom vor. Weil sie ausserdem, solange sie auf kleinere Hautareale begrenzt ist, keine relevanten Probleme verursacht, bemerken Betroffene die ausbleibende Schweissproduktion an sich oft nicht. Stattdessen suchen sie aufgrund anderer Beschwerden wie Schmerzen, starkem Juckreiz oder Lähmungen einen Arzt auf. Im Rahmen der genannten Erkrankungen ist die Anhidrose also oft nur eine Nebendiagnose.

Falls Sie aber bei sich bemerken, dass trotz körperlicher Anstrengung oder höherer Umgebungstemperaturen keine Schweissbildung stattfindet, sollten sie nicht zögern, zum Arzt zu gehen. Denn ohne den kühlenden Effekt des Schweisses kann  der Körper süberhitzen, was zu gesundheitlichen Schäden führen kann.

Anhidrose: Was macht der Arzt?

Um zu klären, ob eine Anhidrose vorliegt, kann der Arzt einen Provokationstest durchführen. Dabei regt man die Schweissbildung an, zum Beispiel durch körperliche Belastung bei erhöhter Umgebungstemperatur und hoher Luftfeuchtigkeit, oder indem man bestimmte Wirkstoffe unter die Haut spritzt. Zudem bestreicht man die Haut mit einer speziellen Substanz, die sich verfärbt, sobald sie mit Schweiss in Berührung kommt. Bei einer Anhidrose findet keine Farbänderung statt.

Die Behandlung richtet sich immer nach der Grunderkrankung. Bei unheilbaren Krankheiten kann man allerdings bestenfalls die Beschwerden lindern.  Meist stehen andere Symptome im Vordergrund. Ist die Anhidrose das Hauptproblem, sollten die Patienten Hitze und körperliche Überanstrengung nach Möglichkeit meiden.

Zur Behandlung der Hauttrockenheit gibt es spezielle Pflegeprodukte. Sind Medikamente die Auslöser einer Anhidrose, kann man diese eventuell umstellen oder absetzen.

Anhidrose: Das können Sie selbst tun

Ist eine Anhidrose ausgeprägt, sollten die betroffenen Hitze und körperliche Anstrengung meiden, um nicht zu überhitzen. Geignet sind in dem Fall Schwimmen. Helfen können aber auch Feuchtigkeitssprays, die zum Ersatzt für den Schweiss auf die Haut gesprüht werden.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Marian Grosser
Marian Grosser

Marian Grosser studierte in München Humanmedizin. Daneben hat der vielfach interessierte Arzt einige spannende Abstecher gewagt: ein Philosophie- und Kunstgeschichtestudium, Tätigkeiten beim Radio und schließlich auch für Netdoktor.

Quellen:
  • Silbernagl, S. et al.: Physiologie, Georg Thieme Verlag, 5. komplett überarbeitete Auflage, 2005
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