Pille für den Mann

Von , Redakteurin
und , Redakteurin
Miriam Steinbach

Miriam Steinbach studierte Soziologie und Psychologie in Heidelberg. Anschließend absolvierte sie ein journalistisches Volontariat in Karlsruhe und schrieb Texte für ein Gesundheits- und Lifestyle-Magazin. Ihr großes Interesse an digitaler Gesundheit führte sie 2019 zur NetDoktor/mylife-Gruppe. Bei NetDoktor bringt sie seitdem ihre medizinredaktionelle Expertise vor allem im Bereich Alternativmedizin ein.

Annika Vollmer

Annika Vollmer ist freie Autorin in der Online-Redaktion von mylife.de. Sie studierte Wirtschaftsjournalismus mit Schwerpunkt Service- und Ratgeber-Journalismus. Anschließend volontierte sie bei der Mediengruppe Stegenwaller in Essen, wo sie zwei Jahre lang die Medizinseiten einer Frauenzeitschrift betreute. Nach ihrer Ausbildung zur Redakteurin zog es Annika in den Süden zum Burda-Verlag. Dort arbeitete sie bei verschiedenen Magazinen. Seit 2019 ist sie als freie Journalistin selbstständig und schreibt für Online-Portale und Zeitschriften.

Alle NetDoktor.ch-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Seit Jahrzehnten forschen Wissenschaftler an der Pille für den Mann. Doch bis heute existiert kein Präparat zur männlichen Verhütung. Häufig führen die Nebenwirkungen der untersuchten hormonellen oder nicht-hormonellen Medikamente dazu, dass sie nicht auf den Markt kommen. Lesen Sie hier mehr über den aktuellen Stand der Pille für den Mann.

Pille für den Mann

Wie funktioniert die Pille für den Mann?

Bislang wurden verschiedene Präparate einer Pille für den Mann wissenschaftlich untersucht – darunter hormonelle und nicht-hormonelle Verhütungsmittel. Mit beiden Ansätzen beabsichtigen die Entwickler, die Spermienproduktion oder die Beweglichkeit der Spermien zu unterdrücken. Ziel ist es, eine Pille für Männer ohne Nebenwirkungen zu entwickeln. Neue Studien deuten darauf hin, dass der Durchbruch kurz bevorstehen könnte.

TDI-11861: Schnelle Wirkung ohne Nebenwirkungen

Als besonders erfolgversprechend gilt der Wirkstoff TDI-11861. Dieser blockiert die lösliche Adenylylzyklase (sAC, auch Adenylylcyclase), ein Enzym, das für die Beweglichkeit der Spermien verantwortlich ist. In Versuchen mit Mäusen bremste der Wirkstoff die Spermien regelrecht aus: Etwa 30 bis 60 Minuten nach Einnahme der Pille waren die männlichen Tiere zu 100 Prozent unfruchtbar. Drei Stunden später betrug der Wert 91 Prozent, nach acht Stunden 78 Prozent.

Die Spermien wurden durch den Einsatz von TDI-11861 unbeweglich – allerdings nicht dauerhaft: Nach 24 Stunden war ihre Beweglichkeit wieder vollständig hergestellt. Ein weiterer Vorteil: Diese potenzielle Antibabypille für Männer hatte bei Mäusen keinerlei Nebenwirkungen. Weitere klinische Studien werden zeigen, ob TDI-11861 bei Männern den gleichen Effekt hat.

Hormonfreie Pille für den Mann: YCT529

Der nicht-hormonelle Hemmstoff YCT529 konnte in Tierversuchen eine Schwangerschaft zu 99 Prozent verhindern. Nennenswerte Nebenwirkungen gab es nicht. Der Wirkmechanismus: YCT529 setzt an dem Protein Retinsäure-Rezeptor alpha an. Dieses Protein spielt eine wichtige Rolle bei der Spermaproduktion. So verhindert der Wirkstoff einerseits, dass sich die Spermien in den Hoden komplett ausbilden. Andererseits schaffen es die Spermien nicht, sich zu lösen, um ins Ejakulat zu gelangen.

2023 soll YCT529 in einer klinischen Studie mit Menschen getestet werden. Bis das Präparat bei Männern wirkt, vergehen jedoch vier Wochen; erst dann besteht eine vorübergehende Unfruchtbarkeit. Etwa vier bis sechs Wochen nach Absetzen des Medikaments sollen die Probanden dann wieder fruchtbar sein.

Hormon-Pille für den Mann: Testosteron

In früheren Studien stand das Hormon Testosteron beim Versuch im Fokus, um die Spermienproduktion zu hemmen. Normalerweise regen Botenstoffe des Gehirns (follikelstimulierendes Hormon = FSH, luteinisierendes Hormon = LH) die Produktion von Testosteron im Hoden an. Das Hormon wiederum setzt die Spermienproduktion in Gang.

Wird dem männlichen Körper Testosteron verabreicht, verteilt es sich im Blut. Das erfolgt beispielsweise über eine Spritze, ein Hautpflaster oder ein Implantat. Das Gehirn erhält dann das Signal, dass ausreichend Testosteron vorhanden ist und FSH sowie LH nicht benötigt werden. Fehlen diese Botenstoffe, produzieren die Hoden kein eigenes Testosteron und in der Folge keine Spermien.

Um die Spermienproduktion vollständig auszuschalten, braucht es allerdings noch weitere Hormone wie Gestagene in der Pille. Solch eine Verhütungsvariante hätte einen Pearl-Index von 1,1. Das bedeutet, in 100 Fällen käme es zu 1,1 Schwangerschaften. Eine ähnliche Sicherheit vor einer Schwangerschaft bietet auch die Pille für die Frau. Es treten allerdings häufig Nebenwirkungen auf, weswegen die Anwendung von Testosteron und Gestagenen als Männer-Pille unwahrscheinlich ist.

Hormon-Pille für den Mann: DMAU

Hinter der Abkürzung DMAU stehen die synthetischen Substanz Dimethandrolon und die Fettsäure Undecanoat. Bei der Methode kommt es zu einem Zusammenspiel androgener und gestagener Hormone. Ihr Wirkmechanismus: Die Spermienproduktion wird zuverlässig unterdrückt.

Nebenwirkungen wie Libidoverlust und Gewichtszunahme treten selten auf. Langzeitstudien müssen zeigen, wie gross das Potenzial wirklich ist.

Vasalgel fängt Spermien ab

Bereits 1970 wurde in Indien die Verhütungsmethode RISUG (Reversible Inhibition of Sperm Under Guidance) entwickelt. Spermien sollen damit auf ihrem Weg zur Eizelle gestoppt werden. Kunststoffpolymere, die in die Samenleiter injiziert werden, versperren Spermien den Weg. Jedoch hat die Methode bis heute keine Zulassung. In den USA fand aber eine Weiterentwicklung der Methode statt: Vasalgel.

Es fungiert als Barriere, sobald es in den Samenleiter injiziert wird. Die Spermien werden abgefangen und wieder abgebaut, während die Samenflüssigkeit weiterfliesst. Unklar ist, ob auch der injizierte Kunststoff komplett aus dem Körper verschwindet. Während Affen eine gute Verträglichkeit zeigten, fehlen bei Menschen noch überzeugende klinische Studien.

Pflanzliche Mittel zur Verhütung

Es gibt weiter verschiedene pflanzliche Ansätze, mit denen der Mann zur Verhütung beitragen kann.

Wirkstoff aus der Baumwollpflanze: Gossypol, ein Wirkstoff der Baumwollpflanze, kam unter anderem als Kandidat infrage, doch die Männer blieben nach Absetzen des Wirkstoffes unfruchtbar. Weitere Studien wurden daher gestoppt.

Tee aus der Heilpflanze Justicia gendarussa: In Indonesien beschäftigen sich Wissenschaftler mit der Heilpflanze Justicia gendarussa. Forscher von der Airlangga University in Jakarta stellten fest: Die Pflanze enthält ein Enzym, das die Beweglichkeit von Spermien hemmt. Es ist prinzipiell möglich, Justicia gendarussa mit heissem Wasser aufzugiessen und als Tee zu trinken. Die Forschung auf diesem Gebiet dauert an.

Wirkstoffe aus Löwenzahn und Mango: Die Steroide Lupeol und Pristimerin könnten ebenfalls eine Rolle bei der Verhütung für den Mann spielen. Lupeol kommt unter anderem in Mango, Aloe und Löwenzahn vor. Pristimerin in der Wilfords Dreiflügelfrucht. Forscher aus Boston stellten im Labor fest: Lupeol und Pristimerin reduzieren die Aktivierung des Transportmoleküls CatSper.

Dieses ist für die Bewegung des Spermiums hin zur Eizelle verantwortlich. Es ist noch nicht abschliessend geklärt, ob die Forschungserkenntnisse auch in der Praxis funktionieren.

Welche Nebenwirkungen hat die Pille für den Mann?

Je nach Wirkstoff beobachteten Wissenschaftler unterschiedliche Nebenwirkungen. Insbesondere die Anwendung von Hormon-Pillen zeigte in Versuchen unerwünschte Begleiterscheinungen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören:

Die Forschung konzentriert sich deshalb auf nicht-hormonelle Alternativen. Es gibt bereits vielversprechende Ansätze, die in Tierversuchen keine negativen Folgen für die Gesundheit zeigten.

Wann soll die Pille für den Mann auf den Markt kommen?

Wann es eine Pille für den Mann auf dem Markt geben wird, steht noch nicht fest. Selbst wenn bestimmte Wirkstoffe in Tierversuchen erfolgreich waren, dauert es oft noch mehrere Jahre bis feststeht, ob sie zugelassen werden können. Schliesslich muss die Pille für den Mann ihre Wirksamkeit und Zuverlässigkeit auch in klinischen Studien unter Beweis stellen.

In den letzten Jahren scheiterten die verschiedenen Ansätze oftmals an den Nebenwirkungen. Ein Medikament wird heute nur entwickelt, um dem betroffenen Menschen einen Nutzen zu bringen – beispielsweise, um Krankheiten zu behandeln oder Schwangerschaften zu verhindern. Der Nutzen muss immer die potenziellen Risiken (Nebenwirkungen) übersteigen.

Ein gesunder Mann hat demnach erst einmal keinen direkten Nutzen von einer pharmakologischen Verhütung. Weil die Nebenwirkungen oft überwiegen, werden Forschungen an unterschiedlichen Arten der Pille für den Mann eingestellt und die Industrie stoppt ihre Unterstützung an entsprechenden Forschungsprojekten.

Es ist auch ein soziologisches Problem, denn Frauen ertragen die Nebenwirkungen von Verhütungspräparaten seit 60 Jahren nahezu stillschweigend. Sie fordern schon lange, dass Männer mehr Verantwortung bei der Verhütung übernehmen. Die Nebenwirkungen pharmakologischer Verhütung gehören aus Sicht vieler Frauen nicht nur auf weibliche Schultern verteilt.

Paare sollten die Entscheidungsfreiheit haben, wer in einer Beziehung die Nebenwirkungen eines hormonellen Verhütungsmittels riskiert. Auch Männer äussern zunehmend den Wunsch, aktiver an der Familienplanung teilhaben zu können. Bislang steht eine konkrete Möglichkeit durch eine Pille für den Mann noch nicht zur Verfügung.

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Vorlage:
Fabian Seyfried, Dr. Daniela Oesterle
Autoren:

Miriam Steinbach studierte Soziologie und Psychologie in Heidelberg. Anschließend absolvierte sie ein journalistisches Volontariat in Karlsruhe und schrieb Texte für ein Gesundheits- und Lifestyle-Magazin. Ihr großes Interesse an digitaler Gesundheit führte sie 2019 zur NetDoktor/mylife-Gruppe. Bei NetDoktor bringt sie seitdem ihre medizinredaktionelle Expertise vor allem im Bereich Alternativmedizin ein.

Annika Vollmer
Annika Vollmer

Annika Vollmer ist freie Autorin in der Online-Redaktion von mylife.de. Sie studierte Wirtschaftsjournalismus mit Schwerpunkt Service- und Ratgeber-Journalismus. Anschließend volontierte sie bei der Mediengruppe Stegenwaller in Essen, wo sie zwei Jahre lang die Medizinseiten einer Frauenzeitschrift betreute. Nach ihrer Ausbildung zur Redakteurin zog es Annika in den Süden zum Burda-Verlag. Dort arbeitete sie bei verschiedenen Magazinen. Seit 2019 ist sie als freie Journalistin selbstständig und schreibt für Online-Portale und Zeitschriften.

Quellen:
Teilen Sie Ihre Meinung mit uns
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie NetDoktor einem Freund oder Kollegen empfehlen?
Mit einem Klick beantworten
  • 0
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
0 - sehr unwahrscheinlich
10 - sehr wahrscheinlich