Nymphomanie

Von Dr. med. Britta Bürger
und , Medizinjournalistin
Sabine Schrör

Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.

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Der Begriff Nymphomanie bezeichnet Sexsucht (Hypersexualität) bei Frauen. Die Bezeichnung ist allerdings durch zweifelhafte Interpretationen in der Vergangenheit vorbelastet. Deshalb wird er heute im medizinischen und wissenschaftlichen Kontext nicht mehr verwendet. Lesen Sie hier mehr über sexuelle Hyperaktivität bei Frauen, wie man sie feststellen und behandeln kann.

Sex; Sexsucht; Nymphomanie

Kurzübersicht

  • Beschreibung: umgangssprachliche Bezeichnung für ungezügelte sexuelle Begierde bei Frauen. Moderne, geschlechtsunabhängige Begriffe sind Sexsucht, Hypersexualität und gesteigertes sexuelles Verlangen.
  • Diagnose: Diagnosekriterien für Nymphomanie / Sexsucht sind z.B. Kontrollverlust über sexuelle Handlungen und Fantasien sowie psychische Entzugssymptome bei sexueller Abstinenz. Diese Probleme müssen seit mindestens sechs Monaten bestehen.
  • Ursachen: verschiedene Einflussfaktoren, z.B. seelischer und soziokultureller Natur; auch Erfahrungen aus der Kindheit und Veranlagung können zum gesteigerten sexuellen Verlangen beitragen.
  • Therapie: Psychotherapie

Was ist Nymphomanie?

Der Begriff Nymphomanie wird im Alltagsverständnis mit der ungezügelten sexuellen Begierde von Frauen gleichgesetzt. Als Nymphomanin bezeichnet man demnach umgangssprachlich Frauen mit ausgeprägtem Sexualtrieb. Der entsprechende Begriff für Männer mit übermässiger sexueller Begierde lautet Don-Juan-Komplex oder Satyriasis.

Heute spricht man allerdings eher von Sexsucht oder Hypersexualität - egal, ob Frauen oder Männer betroffen sind. Medizinisch korrekt ist der Begriff "gesteigertes sexuelle Verlangen". Dieser wird auch in der internationalen Klassifizierung von Krankheiten (ICD) der Weltgesundheitsorganisation WHO verwendet (ICD 10-F52.7.). Für die Abkehr vom Begriff Nymphomanie gibt es gute Gründe:

Der Begriff ist äusserst negativ konnotiert: Er wurde in der Vergangenheit vor allem verwendet, um sexuell aktive Frauen abzuwerten. So wurde im 19. Jahrhundert eine Frau, die ausserehelichen Geschlechtsverkehr hatte oder masturbierte, der Nymphomanie bezichtigt.

Obwohl sich seitdem die Moralvorstellungen wesentlich verändert haben, werden auch heute noch Mädchen und Frauen, die sexuelle Erfahrungen machen möchten, mitunter als Nymphomaninnen bezeichnet oder mit anderen diskriminierenden Ausdrücken bedacht.

Nach wie vor wird diesbezüglich mit zweierlei Mass gemessen. Im Unterschied zu Frauen treffen Männer, die viele sexuelle Erfahrungen sammeln, eher auf Anerkennung als auf Kritik. Die Gesellschaft hat meist Verständnis dafür, dass Männer ihre "Hörner abstossen" müssen.

Der Begriff Nymphomanie wurde / wird oft missbräuchlich verwendet und ist mit Vorurteilen besetzt. Deshalb sollte er vermieden werden. Der "politisch korrekte" Ausdruck für dieses Krankheitsbild lautet Sexsucht, Hypersexualität oder gesteigertes sexuelles Verlangen.

Wie wird Nymphomanie festgestellt?

Von Nymphomanie, also Sexsucht bei Frauen, spricht man, wenn Frauen einen übermässig gesteigerten Geschlechtstrieb haben. Wobei sich in diesem Zusammenhang die Definition von "gesteigert" schwierig gestaltet:

Mädchen und Frauen mit häufigen sexuellen Kontakten, die dabei zum Orgasmus kommen, sind völlig gesund und mit Sicherheit nicht sexsüchtig. Sexualität spielt für diese Frauen zwar eine massgebliche Rolle, bestimmt aber nicht ausschliesslich ihr Leben. Vor allem in neuen Beziehungen ist der Wunsch nach sexuellem Beisammensein zumeist sehr ausgeprägt. Dieses völlig normale Verhalten hat jedoch definitiv nichts mit Sexsucht zu tun.

Wird das Sexualleben hingegen nicht als befriedigend empfunden und manifestiert sich bei der Frau der Gedanke, daran sei ausschliesslich der Partner schuld, besteht die Möglichkeit, dass die Suche nach dem richtigen Mann und der Drang nach sexueller Befriedigung - die jedoch meist nicht erreicht wird - das weitere Leben bestimmen.

Entscheidende Kriterien für die Diagnose Nymphomanie beziehungsweise Sexsucht sind:

  • Kontrollverlust über sexuelle Handlungen und Fantasien
  • Unfähigkeit, das Verhalten zu verändern trotz negativer Konsequenzen für sich und andere, z.B. in Partnerschaft, sozialem oder beruflichem Umfeld
  • hoher Zeitaufwand für sexuelle Handlungen und Fantasien
  • psychische Entzugssymptome bei sexueller Abstinenz wie Unruhe und Reizbarkeit
  • Leidensdruck aufgrund der schwer zu kontrollierenden Sexualität

Wenn diese Probleme mindestens sechs Monate bestehen, lässt sich eine Nymphomanie / Hypersexualität diagnostizieren.

Haben Sie einen zwanghaften, lebensbestimmenden Wunsch nach Sex? Sind Sie zudem unfähig, emotionale Bindungen einzugehen? Dann sollten Sie einen Psychotherapeuten / eine Psychotherapeutin aufsuchen. Möglicherweise lässt sich eine Nymphomanie / Hypersexualität bei Ihnen diagnostizieren.

Nymphomanie-Test im Internet?

Im Internet bieten verschiedene Seiten zu Nymphomanie beziehungsweise Sexsucht Tests an, die (potenziell) Betroffene eigenständig durchführen können. Diese Tests können aber eine professionelle Diagnose nicht ersetzen! Sie beinhalten beispielsweise Fragen zu folgenden Bereichen:

  • Raum, den Sexualität im eigenen Leben einnimmt
  • Risiken, die man eingeht, um Sex zu haben
  • Problemen, die einem das aktive Sexleben schon bereitet hat
  • Zahl der Sexualpartner
  • Pornokonsum
  • Masturbationsverhalten

Welche Ursachen hat die Nymphomanie?

Früher wurde die Nymphomanie als organisches Leiden betrachtet und auch entsprechend behandelt - wie etwa durch Auflegen von Eisbeuteln auf die Genitalien, Ansetzen von Blutegeln oder im schlimmsten Fall durch die Entfernung der Klitoris oder der Eierstöcke.

Heute weiss man: Die "eine" Ursache für Nymphomanie / Sexsucht gibt es nicht. Wie bei anderen Süchten auch, kommen viele Einflüsse zum Tragen. Diese liegen im seelischen, soziokulturellen Bereich ebenso wie in der Kindheit, in der Persönlichkeit und Veranlagung. Innere Konflikte, Minderwertigkeitsgefühle, gestörte emotionale Beziehungen und die zwanghafte Suche nach Nähe können eine Nymphomanie / Sexsucht fördern.

Genauere Informationen zu den Ursachen einer übermässigen sexuellen Begierde finden Sie hier.

Wie wird die Nymphomanie behandelt?

Therapeuten behandeln Nymphomanie beziehungsweise Sexsucht mit einer intensiven Psychotherapie. Diese kann Einzel- sowie Gruppensitzungen beinhalten. Die Betroffenen ergründen beispielsweise, welches Bedürfnis sie unbewusst mit dem Suchtmittel Sex eigentlich zu erfüllen versuchen.

Die Therapie von Nymphomanie / Sexsucht erfordert Geduld: Um erfolgreich zu sein, muss sich die Behandlung meist über mehrere Jahre erstrecken.

Mehr Informationen zur Behandlung des gesteigerten sexuellen Verhaltens finden Sie hier.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autoren:
Dr. med.  Britta Bürger
Sabine Schrör
Sabine Schrör

Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.

ICD-Codes:
F52
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • Fiedler, P.: Sexuelle Orientierung und sexuelle Abweichung, Beltz PVU, 2004
  • Roth, K.: Sexsucht. Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige, Ch. Links Verlag, 7. Auflage, 2020
  • Singer Kaplan, H.: Sexualtherapie bei Störungen des sexuellen Verlangens, Georg Thieme Verlag, 2006
  • Vetter, B.: Sexualität: Störungen, Abweichungen, Transsexualität, Schattauer Verlag, 2007
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