Zystennieren illustriert

Zystennieren: Wenig Zucker, viel Fett

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Eine radikale Ernährungsumstellung könnte das Fortschreiten einer Zystennierenerkrankung nicht nur bremsen, sondern die Nierenfunktion sogar wieder leicht verbessern. Medikamente schaffen das nicht.

Die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) ist eine Erbkrankheit, bei der sich zunehmend flüssigkeitsgefüllte Hohlräume (Zysten) in den Nieren bilden. Manche Genträger bleiben beschwerdefrei, bei anderen arbeiten die Nieren im Laufe der Jahre aber zunehmend schlechter. Am Ende des Krankheitswegs steht dann oft ein Nierenversagen, das eine Dialyse oder Nierentransplantation nötig macht.

Radikale Ernährungsumstellung

Eine Heilung gibt es nicht, die verfügbaren Therapien können den Krankheitsverlauf lediglich verlangsamen. Umso wichtiger sind weitere therapeutische Ansätze. Eine davon könnte eine radikale Ernährungsumstellung sein: eine sogenannte ketogene Diät.

Dabei werden Kohlenhydrate wie Zucker und Mehl, aber auch stärkehaltiges Gemüse auf ein Minimum reduziert. Stattdessen stehen vor allem fett- und proteinreiche Nahrungsmittel auf dem Speiseplan. In der Folge stellt sich der Energiestoffwechsel um: Aufgrund des Glukosemangels deckt der Körper seinen Energiebedarf durch die Verbrennung von Fett und Eiweissen.

Kann man Zystenzellen aushungern?

In Tierexperimenten konnte eine solche fettreiche, kohlenhydratarme Diät die Zystennierenkrankheit positiv beeinflussen. „Vermutlich sind Zystenzellen abhängig von Glukose und können Fette und Ketonkörper schlecht metabolisieren“, erklärt Prof. Roman-Ulrich Müller vom Universitätsklinikum Köln auf Nachfrage von NetDoktor. Zudem könnten die sogenannten Ketonkörper, die bei dieser Ernährung entstehen, auch direkte Signalwirkung haben.

Gemeinsam mit seinem Team hat Müller daher den Effekt auf menschliche ADPKD-Erkrankte untersucht.

Die Nierenfunktion verbessert sich

Das Ergebnis: Die Fett-Eiweiss-Diät funktionierte sogar besser, als die Kölner Forschenden erwartet hatten: „Überraschenderweise wurde die Abnahme der Nierenfunktion nicht nur verlangsamt, sondern sie verbesserte sich im Laufe der Zeit“, schreibt die Forschergruppe. Für die Erkrankung ist das sehr ungewöhnlich.

Zudem reduzierte sich das Volumen der Nieren, die sich sonst im Verlauf der Erkrankung kontinuierlich vergrössern. „Das ist in der Tat ein unerwarteter Befund mit wichtigen klinischen Auswirkungen“, so die Forschenden.

Noch reichten die Daten nicht aus, um eine allgemeine Empfehlung für die ketogene Ernährung bei ADPKD auszusprechen. Dafür seien weitere und grössere Studien erforderlich, betonen die Forschenden.

Kurzes Wasserfasten reicht nicht aus

An der Studie nahmen insgesamt 66 Männer und Frauen mit ADPKD teil, die nach dem Zufallsprinzip in drei Gruppen eingeteilt wurden:

Eine Gruppe ernährte sich drei Monate lang ketogen.

Eine zweite Gruppe praktizierte monatlich ein dreitägiges Wasserfasten – eine Art Nulldiät, bei der nur Wasser getrunken wird. Sie zwingt den Stoffwechsel kurzfristig in den ketogenen Modus. Allerdings hatten die ketogenen Miniintervalle keinen bedeutsamen Einfluss auf die Nierenfunktion und Grösse.

Eine dritte Gruppe diente als Kontrolle: Sie folgte den gängigen Ernährungsempfehlungen.

Um sicherzugehen, dass sich die Teilnehmenden auch an die strengen Ernährungsvorgaben halten, ermittelte das Forschungsteam regelmässig die Menge sogenannter Ketonkörper im Blut der Männer und Frauen.

Patienten bewerten strenge Diät als machbar

Aber lässt sich eine derart strikte kohlenhydratarme Ernährung auch langfristig durchhalten? Das scheint tatsächlich der Fall zu sein. 95 Prozent der Teilnehmenden in der ketogenen Gruppe und 85 Prozent in der Wasserfasten-Gruppe bewerteten die ketogene Ernährung als machbar.

ADPKD-Betroffene seien hochmotiviert für therapeutische Massnahmen. Da die Erkrankung erblich ist, haben viele von ihnen Familienmitglieder, die ebenfalls betroffen sind und bei denen sie miterleben, wie die Krankheit langfristig verläuft.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Ernährung ein vielfach unterschätztes therapeutisches Potenzial hat. Da die Studie wie eine Arzneimittelstudie angelegt worden sei, belege sie, dass Nahrung so wirksam wie ein Medikament sein könne, betont Studienleiter Müller: „Das könnte der Auftakt für viele ähnliche Ernährungstherapien sein.“

Einer von 1000 besitzt ADPK-Gen

ADPKD betrifft etwa eine von 1000 Personen und ist damit die häufigste genetische Nierenerkrankung weltweit. Auch wenn längst nicht alle Genträger erkranken, ist sie für rund zehn Prozent aller Fälle von Nierenversagen verantwortlich.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Sadrija Cukoski et al.: Feasibility and impact of ketogenic dietary interventions in polycystic kidney disease: KETO-ADPKD —a randomized controlled trial, Cell Reports Medicine, 21. Nov 2023, https://doi.org/10.1016/j.xcrm.2023.101283
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