Yasemin (8): Der Giraffentrick
Jeden Morgen, bevor sie die Augen öffnet, sucht sich Yasemin einen neuen tierischen Begleiter für den Tag, einen Marienkäfer, einen Delfin, ein Wildschwein. Heute soll es eine Giraffe sein. Nach den langhälsigen Vierbeinern hält sie heute Ausschau.
Natürlich staksen leibhaftige Giraffen eher selten durch die herbstbunte Landschaft der Weinberge, aber man kann sie vielleicht anderswo entdecken. Auf einem Reiseplakat vielleicht oder einer Tasse. Das Ausschauhalten, den Blick nach aussen statt nach innen zu richten, hilft Yasemin, mit Schmerzen und Sorgen klarzukommen. Ihr Motto: „Ich gebe den negativen Dingen in meinem Leben nur so viel Aufmerksamkeit, wie nötig. Aber nicht mehr.“
Yasemin Seber (30) leidet unter dem sehr seltenen Proteus-Syndrom. Dabei wachsen manche Körperpartien übermässig, und es bilden sich oft zahlreiche Tumore: Wie schafft Yasemin es, trotz der Rückschläge ihren Lebensmut zu bewahren? Wird man eine Therapie finden, die die schlimmsten Beschwerden lindert? Wie es weitergeht, erfahren Sie alle 14 Tage neu bei NetDoktor - oder auf Instagram: yasemins-verrueckte_welt. Was bisher geschah, lesen Sie hier.
Rumoren am Zwerchfell
Derzeit kann sie die tierischen Weggefährten besonders gut brauchen. Irgendwas ist wieder in Aufruhr in ihrem Körper. Drei-, viermal am Tag plagen sie neuerdings heftige Schmerzattacken, die sie unter den Rippen lokalisiert. Am Zwerchfell, vermutet sie. Ein Ultraschallbild hat nichts ergeben. Der Arzt hat ihr daraufhin ein MRT empfohlen. Doch das kurzfristig zu arrangieren, ist schwierig. Das letzte MRT ist erst drei Wochen her. Da allerdings gab es diese heftigen Schmerzattacken noch nicht. Doch bis auf Weiteres ist alles ausgebucht.
„Blöd ist das vor allem, wenn Schmerzen kommen, wenn ich unterwegs bin“, sagt Yasemin. Neulich haben sie mitten in einem Elektrofachhandel zugeschlagen. Was dann hilft: den einen Arm weit über den Kopf zu recken. Was aber ziemlich auffällig ist. Oder sich hinlegen, was sich im Trubel auch nicht unauffällig bewerkstelligen ist.
Das Bild nach aussen färbt nach innen ab
„Ich will nicht, dass die Leute mich schwach sehen“, sagt sie. Zumal sie aufgrund der Medienpräsenz zunehmend häufig erkannt wird. Frisch will sie wirken und stark. Das Bild, das sie der Aussenwelt präsentiert, färbt nach innen ab. Es hilft auch ihr selbst, mit der Krankheit klarzukommen, mit der Unwissenheit, was noch kommt, und ob nicht doch einmal einer der vielen Tumoren, die in ihrem Inneren wachsen, zu den bösartigen gehört.
Diese Gedanken hält Yasemin täglich auf Abstand. Und dabei helfen ihr auch die Tiere des Tages. Heute also: Giraffen. Die Tiere mit den lang bewimperten Augen behalten stets den Überblick, und ihre Hufe schlagen mühelos sogar den stärksten Löwen in die Flucht. So gesehen nicht die schlechtesten Begleiter, wenn man gerade ein bisschen Unterstützung brauchen kann.