Yasemin Seber

Yasemin (5): Maskenparty in der Schule

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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14 Augenpaare schauen Yasemin an diesem Vormittag im Oktober an. Sie blicken aufmerksam über Mund-Nasen-Schutze in verschiedenen Farben und Mustern hinweg. Die Augen gehören Schüler eines Biologie-Leistungskurses. Derzeitiges Thema des Unterrichts ist die Genetik – und Yasemin ist ein wandelndes Beispiel dafür, was passiert, wenn dabei auch nur eine Kleinigkeit schiefgeht. In Zeiten von Corona geschieht das virtuell.

Viel mehr als die medizinischen Aspekte interessiert die Schüler aber, wie Yasemin persönlich mit dem physischen Handicap umgeht. Vor allem auch, weil es sich äusserlich manifestiert – wenn ein Mensch an zwei Händen insgesamt nur fünf Finger hat, fällt das irgendwann auch dem Letzten auf. Sie löchern sie zu Themen wie Kinderwunsch („Denke ich drüber nach, wenn ich gesundheitlich stabil bin“) oder Job („Selbstständig passt für mich prima, da kann ich mich ausklinken, wenn’s mir mal nicht so gut geht“).

Yasemin Seber (30) leidet unter dem sehr seltenen Proteus-Syndrom. Dabei wachsen manche Körperpartien übermässig und es bilden sich oft zahlreiche Tumore: Wie schafft sie es, trotz der Rückschläge ihren Lebensmut zu bewahren? Wird man eine Therapie finden, die die schlimmsten Beschwerden lindert? Wie es weitergeht, erfahren Sie alle 14 Tage neu bei NetDoktor - oder auf Instagram: yasemins-verrueckte_welt. Was bisher geschah, lesen sie hier.

„Einen anderen Blick auf Leben eröffnen“

Das Gespräch mit den Jugendlichen macht ihr Freude. Seit der WDR in der Serie „Menschen hautnah“ über sie berichtet hat, kommen jetzt zunehmend Anfragen für schulische Veranstaltungen. Warum sie das macht? „Ich kann denen einen anderen Blick aufs Leben eröffnen“, sagt sie. „Nicht alles, was erstmal schwierig scheint, ist gleich ein Drama.“

In der Psychologie kennt man einen Ausdruck für die Fähigkeit, belastende Situationen seelisch gesund zu überstehen, Krisen zu meistern, statt an ihnen zu zerbrechen: Resilienz. Dazu gehört auch, sich von Problemen nicht vereinnahmen zu lassen.

Yasemin gönnt sich derzeit eine mentale Pause von ihrem gesundheitlichen Hürdenlauf. „Mir geht es gerade gut, dass möchte ich einfach mal geniessen“, sagt sie. Statt einmal mehr zum Arzt zu gehen, hat sie sich die Fäden nach ihrer letzten OP selbst gezogen. „Ein weiterer Arzttermin hätte mich nur runtergezogen“, erklärt sie.

Wirkt das Medikament?

Am 16. Oktober steht der nächste wichtige Termin für sie an: Dann wird im MRT überprüft, ob das Krebsmedikament, das sie über Wochen eingenommen hat, den Tumor in ihrem Hals schrumpfen lassen hat. Dann entscheidet sich auch, ob man die kostspielige Therapie, die mit hefigen Nebenwirkungen einherging, wieder aufnimmt oder nicht. Doch daran denkt sie erst, wenn es soweit ist.

Momentan freut sie sich auf die Tattoo Convention in Dortmund, auf der sie mit ihren „Piercing Candles“ vertreten ist: Duftkerzen, in denen ein Piercingschmuck eingeschmolzen ist. Dass auch da alle Corona-bedingt Masken tragen werden, kommt ihr entgegen. „Für alle anderen ist die Maske lästig, für Menschen wie mich ist das eine ziemlich tolle Sache“, sagt sie.

Sonst sei sie jedes Jahr spätestens im März oder April im Krankenhaus gelandet - -was für andere Menschen nur eine simple Erkältung ist, wächst sich bei ihr wegen der Fehlbildungen in der Lunge regelmässig zur gefährlichen Lungenentzündung aus. Diese Saison blieb sie davon verschont. „Das Jahr ist fast rum und ich hatte noch keinen einzigen Infekt“, freut sie sich.

Mandala als Seelentröster

Rechtzeitig zur Convention schmückt ihren Rücken ein neues grosses Tattoo: ein Mandala, das einem zentralen Blüten-Motiv entspringt. In die Tätowierung hat die Chefin vom Studio „TRUST Mannheim“ Narben alter Wunden integriert. Ein Stück weit so, wie Yasemin auch mit den Blessuren in ihrem Leben umgeht. „Meine Krankheit ist ein Teil von mir“, sagt sie. Und dazu gehören auch die seelischen Verwundungen. Auch sie sind Teil vom Gesamtpaket Yasemin. Und sie macht jeden Tag etwas Schönes draus, so gut es geht.

Mandala-Tattoo von Yasemin

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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