Frau mit grauen Haaren

Wie Stress das Haar ergrauen lässt

Von , Medizinredakteurin
Lisa Vogel

Lisa Vogel hat Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Medizin und Biowissenschaften an der Hochschule Ansbach studiert und ihre journalistischen Kenntnisse im Masterstudiengang Multimediale Information und Kommunikation vertieft. Es folgte ein Volontariat in der NetDoktor-Redaktion. Seit September 2020 schreibt sie als freie Journalistin für NetDoktor.

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Mit dem Alter verlieren Haare ihre Farbe und werden grau. Stress beschleunigt diesen Prozess. Aber wie?

„Lass dir darüber mal keine grauen Haare wachsen“, ist ein Rat, den sorgenvolle Menschen häufig hören. Tatsächlich weiss man, dass Stress Alterungsprozesse im Körper beschleunigt. Dass das tatsächlich auch fürs Ergrauen gilt und wie das funktioniert, haben Forscher der Harvard University herausgefunden.

Ob dunkle Mähne oder helle Löckchen: Mit dem Alter verlieren Haare nach und nach ihre Farbe. Abhängig von der genetischen Ausstattung trifft es die einen früher, die anderen später.

Denn jedes Haar hat einen genetisch festgelegten Vorrat an sogenannten Melanozyten-Stammzellen. Diese entwickeln sich zu Melanin-bildenden Zellen, die die Farbe ins Haar bringen. Mit fortschreitendem Alter geht der Vorrat der Stammzellen zur Neige und die Haarpracht ergraut. Doch wie könnte Stress diesen natürlichen Prozess beschleunigen?

Stress lässt Mäuse ergrauen

In einem Experiment mit Mäusen beobachteten Dr. Bing Zhang und sein Team, dass die dunklen Nagetiere plötzlich weisse Flecken bekamen, wenn sie Schmerzen - also physischem Stress - ausgesetzt waren. Weitere Experimente förderten zutage, dass auch Stressfaktoren wie Bewegungseinschränkung und psychische Belastung die Mäuse ergrauen liessen.

Die erste Vermutung der Wissenschaftler: Das Stresshormon Cortisol, das die Tiere während der Experimente verstärkt ausschütteten, könnte für das Ergrauen verantwortlich sein. Doch auch Tiere, denen die Forscher die Cortisol-bildenden Nebennieren entfernt hatten, ergrauten bei Stress. Das Stresshormon war also nicht der Schlüssel zur Klärung dieses Zusammenhangs.

Auch eine weitere Hypothese, der zufolge bestimmte Immunzellen durch Stress aktiviert werden und negativ auf die Melanozyten-Bildner einwirken, bestätigte sich nicht.

Graue Haare durch gestresste Nervenzellen

Daraufhin nahmen Zhang und seine Kollegen bestimmte Nervenfasern in Visier, die an den Haarfollikeln enden. Auf Stresssignale der Nervenzellen hin schütten diese grösseren Mengen eines weiteren Stresshormons aus: Noradrenalin.

Darauf reagieren die Melanozyten-Stammzellen, die in den Haarfollikeln sitzen: Sie verwandeln sich übermässig schnell und oft in die Haarpigment-Bildner. Der Vorrat der Stammzellen erschöpfte sich so rasant. “Der Schaden ist irreversibel”, schreiben die Forscher, “der Körper ist nicht in der Lage neue Stammzellen nachzubilden”.

Überlebensmechanismus Stress

Stressreaktionen sind wichtig um zu überleben. In einer Gefahrensituation werden Stresshormone ausgeschüttet: Sie versetzen den Körper blitzartig in Alarmbereitschaft: Leistungsfähigkeit, Konzentration und Reaktionsvermögen und sichern so das Überleben.

Heute wird Stress allerdings weniger durch lebensbedrohliche Situationen verursacht, sondern durch ‘Reizüberflutung, Zeitdruck, soziale Konflikte und Schicksalsschläge.

Zu viel Stress macht krank

Wer dauerhaft unter Stress leidet, riskiert nicht nur graue Haare, sondern seine Gesundheit. Unter anderem können Verspannungen, Kopf-, Nacken- oder Rückenschmerzen und Verdauungsbeschwerden folgen. Auch Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen werden durch Stress begünstigt.

Autoren- & Quelleninformationen

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Lisa Vogel hat Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Medizin und Biowissenschaften an der Hochschule Ansbach studiert und ihre journalistischen Kenntnisse im Masterstudiengang Multimediale Information und Kommunikation vertieft. Es folgte ein Volontariat in der NetDoktor-Redaktion. Seit September 2020 schreibt sie als freie Journalistin für NetDoktor.

Quellen:
  • Bundesverband Deutscher Internisten: Stress (unter www.internisten-im-netz.de, Abruf am 04.08.2020)
  • Zhang, B et al.: Hyperactivation of sympathetic nerves drives depletion of melanocyte stem cells, Nature, 22. Januar 2020, doi:10.1038/s41586-020-1935-3
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