Rotes Fleisch

Wie rotes Fleisch das Herz schädigen könnte

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Wenn Darmmikroben rotes Fleisch verstoffwechseln, entstehen dabei bestimmte Abbauprodukte. Erhöhen sie das Risiko für Herzerkrankungen?

Ob der üppige Genuss von Steak & Co. das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigert, wird unter Fachleuten noch immer diskutiert. Als fleischbasierte Risikofaktoren wurden bislang das enthaltene Cholesterin und auch gesättigte tierische Fettsäuren gehandelt. Sie sollen über eine „Arterienverkalkung“ (Arteriosklerose) Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen.

Riskante bakterielle Stoffwechselprodukte?

Ein Forscherteam um Meng Wang von der Friedman School of Nutrition Science and Policy an der Tufts University in Boston ist nun auf einen Faktor gestossen, der einen anderen Zusammenhang zwischen Fleischverzehr und Arteriosklerose plausibler erscheinen lässt – zumindest was rotes Fleisch betrifft: Abbauprodukte, die entstehen, wenn Darmbakterien rotes Fleisch verstoffwechseln.

Dabei handelt es sich um Trimethylamin-N-Oxids, kurz: TMAO, und zwei seiner wichtigsten Zwischenprodukte, Gamma-Butyrobetain und Crotonobetain. Sie entstehen beim Abbau von L-Carnitin, dass in rotem Fleisch reichlich vorhanden ist.

Hohe TMAO-Werte im Blut konnten in der Vergangenheit bereits mit chronischen Nierenerkrankungen und Typ-2-Diabetes, aber auch einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht werden.

22 Prozent Risikozuschlag pro Fleischtag

Das Team um Wang hat das jetzt untersucht. Es stützte sich dazu auf Daten aus der „Cardiovascular Health Study (CHS)“, eine US-amerikanische Langzeitbeobachtung zu Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die rund 4000 teilnehmenden Männer und Frauen waren im Schnitt 73 Jahre alt und wurden im Mittel 12,5 Jahre beobachtet.

Die Forschenden teilten die Teilnehmenden in fünf Verzehrgruppen ein: weniger als eine Portion Fleisch pro Woche, ein bis zwei Portionen pro Woche, drei bis vier Portionen pro Woche, eine Portion pro Tag und zwei Portionen täglich.

Das Ergebnis: Ein höherer Fleischkonsum war mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Herzschwäche oder Schlaganfall verbunden. Pro täglicher Fleischration stieg es um 22 Prozent.

Blutwerte aus der Tiefkühltruhe

Neben den Selbstauskünften der Teilnehmenden zu ihrem Fleischkonsum zogen die Forscher aber auch Blutproben für ihre Untersuchung heran. Diese waren zur späteren Verwendung in regelmässigen Abständen abgenommen und tiefgekühlt konserviert wurden. Daraus liessen sich die Werte für TMAO und seine Zwischenprodukte ermitteln.

Zehn Prozent des erhöhten Herz-Kreislauf-Risikos durch Fleischverzehr konnte das Forscherteam mit diesen Stoffwechselprodukten in Zusammenhang bringen – allerdings betraf das nur den Verzehr von rotem Fleisch, nicht aber von Geflügel, Eiern oder Fisch.

Allerdings scheinen weitere Risikofaktoren den Zusammenhang zwischen dem Fleischverzehr und Herz-Kreislauf-Risiko zu vermitteln. Dazu zählen Blutzucker, Insulin und C-reaktives Protein. Blutdruck und Cholesterin hingegen spielten hierbei keine Rolle.

„Auf der Grundlage unserer Ergebnisse könnten neuartige Interventionen hilfreich sein, die auf die Wechselwirkungen zwischen rotem Fleisch und dem Darmmikrobiom abzielen“, erklärt Wang, Mitautor der Studie und Post-Doc an der Friedman School.

Fokus auf unbeachtete Bestandteile

Es scheine bei der Auswahl von Lebensmitteln tierischen Ursprungs weniger wichtig zu sein, sich auf Gesamtfett, den Anteil an gesättigten Fettsäuren oder die Menge an Cholesterin zu konzentrieren. Stattdessen solle man die gesundheitlichen Auswirkungen bislang wenig beachteter Bestandteile dieser Lebensmittel besser verstehen wie L-Carnitin und Häm-Eisen (= Eisen in tierischen Lebensmitteln).

Schwächen der Studie

Wie für die meisten Ernährungsstudien birgt auch diese strukturelle Schwächen. Insbesondere beziehen sich die Daten zum Fleischkonsum auf Selbstauskünfte der Teilnehmenden. Diese könnten verfälscht sein – entweder unbeabsichtigt durch ungenaue Erinnerungen oder beabsichtigt, weil ein hoher Fleischverzehr gesellschaftlich inzwischen eher verpönt ist.

Hinzu kommen viele Störfaktoren, die man mühsam herausrechnen muss. Beispielsweise waren Personen, die öfters rotes Fleisch verzehrten, häufiger männlich und Raucher, weniger gebildet und sie assen weniger Gemüse. Alles Faktoren, die bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Rolle spielen.

Darüber hinaus waren die Teilnehmenden zu Beginn der Untersuchung schon recht alt. Der Zustand ihrer Gefässe hatte sich also bereits über Jahrzehnte entwickelt. Aktuelle Ernährungsgewohnheiten spielen da nur eine untergeordnete Rolle. Andererseits spiegeln sie sicher bei vielen lebenslange Gewohnheiten wider.

Eiweissversorgung ist im Alter ein wichtiges Thema

Bei der Debatte rund um Fleisch darf man aber nicht vergessen: Eine ausreichende Versorgung mit Proteinen ist gerade bei alten Menschen besonders wichtig – denn mit dem Alter verliert man automatisch Muskelmasse. Die Frage, ob Fleisch und – wenn ja – welches dem Herz gefährlich werden könnte, ist daher wichtig zu klären.

Allerdings lässt sich der Eiweissbedarf auch gut aus pflanzlichen Quellen decken, mit Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten.

Autoren- & Quelleninformationen

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Meng Wang et al.: Dietary Meat, Trimethylamine N-Oxide-Related Metabolites, and Incident Cardiovascular Disease Among Older Adults: The Cardiovascular Health Study, 1. Aug 2022 Arteriosclerosis, Thrombosis, and Vascular Biology. 2022;42:e273–e288
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