Infusion

Was bringen monoklonale Antikörper-Medikamente?

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat zwei neuartige Covid-19-Medikamente in grossem Umfang geordert. Sie enthalten sogenannte monoklonale Antikörper, die den Körper beim Kampf gegen das Virus unterstützen sollen. Zugelassen sind sie hierzulande allerdings noch nicht. Sie können aber im Rahmen von Ausnahmeregelungen eingesetzt werden. Wie wirksam sind die Medikamente – und wer soll sie bekommen?

400 Millionen Euro hat Spahn für die 200 000 Einheiten in die Hand genommen. Die Medikamente sollen praktisch ab sofort in Deutschland in ausgewählten Unikliniken eingesetzt werden, erläuterte der Gesundheitsminister gegenüber der "Bild am Sonntag". Erhalten sollen sie Patienten, die ein besonders hohes Risiko für schwere Verläufe tragen.

Um welche Medikamente handelt es sich?

Bei den Medikamenten handelt es sich um "Bamlanivimab" des US-Pharmakonzerns Eli Lilly und um "Casirivimab/Imdevimab" des US-Pharmakonzerns Regeneron Pharmaceuticals. Ersteres enthält einen, letzterer zwei monoklonale Antikörper. Beide Medikamente werden per Infusion verabreicht.

Casirivimab/Imdevimab hatte der damalige US-Präsident Donald Trump im Rahmen seiner Covid-19-Erkrankunge Anfang Oktober bereits bekommen. Im November 2020 haben beide Wirkstoffe in den USA eine Notfallzulassung erhalten. Für den EU-Markt wurde noch keine Zulassung beantragt.

Wie wirken monoklonale Antikörper?

Monoklonale Antikörper werden im Labor produziert. Sie sollen im Grunde auf dieselbe Weise wirken, wie Antikörper, die der Körper selbst zur Abwehr des Virus bildet. Als Bauvorlage für die monoklonalen Antikörper diente dann auch jeweils ein von einem Patienten gebildeter Antikörper, der sich als besonders wirksam erwiesen hatte. Wie ihre natürlichen Vorlagen heften sich monoklonale Antikörper an das Virus und verhindern, dass es in die Körperzellen eindringt und sich vermehren kann.

Sinnvoll nur zu Krankheitsbeginn!

Sinnvoll ist die Gabe dieser Antikörper nur in der frühen Phase der Infektion, wenn das Immunsystem selbst noch keine Antikörper produziert hat. Dann sollen sie die Vermehrung des Virus im Körper rechtzeitig bremsen und so einen schweren Verlauf verhindern.

Ist die Infektion weiter fortgeschritten, helfen diese Medikamente nicht mehr: Die Schäden an den Organen sind dann bereits entstanden. Die Hauptgefahr geht dann häufig vom überaktivierten Immunsystem selbst aus. Schwer erkrankten Menschen kann man damit also nicht das Leben retten.

Hinzu kommt: Bei Patienten, die Sauerstoff erhalten oder beatmet werden müssen, könnten die Antikörper den Verlauf der Erkrankung sogar verschlimmern, warnt die U.S. amerikanische Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration).

Da die Mittel aufwendig in der Produktion und sehr teuer sind, können damit wohl längst nicht alle Risikopatienten flächendeckend versorgt werden. Ihren Schrecken verliert die Pandemie auf Basis dieser Medikamente also nicht.

Wie wirksam sind die Medikamente?

Insgesamt ist die Datenlage der beiden Medikamente angesichts der begrenzten Zahl der Studienteilnehmer noch sehr dünn. Auch mögliche Nebenwirkungen lassen sich noch längst nicht abschliessend beurteilen. Der FDA reichten die Erkenntnisse dennoch für eine Notzulassung im November 2020 in den USA aus.

Einer Studie des Herstellers Eli Lilly mit 469 Patienten ohne oder mit nur milden Symptomen zufolge, mussten nach einer frühen Gabe mit Bamlanivimab 3 Prozent in einer Notaufnahme oder im Krankenhaus behandelt werden. In der Placebogruppe waren es 10 Prozent. Auch bei älteren Menschen wirkte das Präparat: In der Gruppe der über 65-Jährigen mussten 4 Prozent intensivmedizinisch behandelt werden. In der Placebogruppe waren es 15 Prozent.

Eine ähnliche Wirksamkeit entfaltet nach Angaben des Herstellers Regeneron Pharmaceuticals das Medikament "Casirivimab/Imdevimab". Von den 799 Hochrisikopatienten, die symptomfrei waren oder seit maximal sieben Tagen Symptome zeigten, mussten später 3 Prozent in einer Klinik oder einer Notaufnahme behandelt werden. In der Placebogruppe lag der Anteil der Infizierten, die später im Krankenhaus versorgt werden mussten, bei 9 Prozent.

Das bedeutet: Wenn hundert Risikopatienten eines der Mittel erhalten, können sechs ("Casirivimab/Imdevimab) beziehungsweise sieben (Bamlanivimab) schwere Verläufe verhindert werden.

Was weiss man über Nebenwirkungen?

Bei der Antikörperkombination Casirivimab/Imdevimabtraten traten einer klinischen Studie zufolge schwere Nebenwirkungen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe nicht gehäuft auf. Bei dem Mittel Bamlanivimab von Eli Lilly beobachten die Forscher laut FDA in zwei von 850 Fällen schwerere Nebenwirkungen. Da beide Mittel noch in der Testphase sind, könnten aber seltenere Nebenwirkungen bislang noch nicht aufgefallen sein. Auch vereinzelte schwere Überempfindlichkeitsreaktionen lassen sich nicht ausschliessen.

Wer erhält die Medikamente?

Die Medikamente sollen infizierte Erwachsenen und Kinder ab 12 Jahren (Körpergewicht mindestens 40 kg) mit einem hohen Risiko für einen schweren Verlauf erhalten. Dazu gehören nach Herstellerangaben

  • alle Personen im Alter ab 65 Jahren,
  • alle Personen im Alter ab 55 Jahren, sofern sie unter einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, Bluthochdruck, COPD oder anderen chronischen Atemwegserkrankungen leiden,
  • fettleibige Menschen aller Altersgruppen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 35 oder mehr,
  • Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen,
  • Diabetiker,
  • Personen mit einer Abwehrschwäche,
  • Patienten, die immunsupprimierende Medikamente einnehmen.

Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) erfolgt eine Anwendung nach individueller Nutzen-Risiko-Abschätzung der behandelnden Ärzte.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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