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Vitamin E wirkt – aber nicht bei jedem

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Menschen sind verschieden – das schlägt sich auch im Stoffwechsel nieder. Wie der Körper bestimmte Stoffe aufnimmt und verarbeitet, ist individuell höchst unterschiedlich. Das könnte auch eine Erklärung dafür liefern, warum die Wirksamkeit von Vitamin E in verschiedenen Studien so unterschiedlich ausfiel.

Vitamin E ist ein Antioxidans, es neutralisiert zellschädigende freie Radikale“, erläutert PD Dr. Andreas Koeberle von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Das Abfangen der freien Radikale hemmt Entzündungsprozesse, die verschiedenste Krankheiten begünstigen – von Arthritis über Asthma bis zum Herzinfarkt. Sogar vor Krebs soll Vitamin E schützen. Im Labor funktioniert das prächtig. Auch Tierversuche bestätigen die Wirkung.

Wirkung nicht immer wie erhofft

Der Stoff zählt daher zu den beliebtesten Nahrungsergänzungsmitteln. Doch wirkt Vitamin E ausserhalb von Forschungslabors längst nicht immer wie erhofft: „Nicht nur, dass die positiven Effekte oft nicht in der erwarteten Stärke auftreten, manchmal zeigt die Gabe von Vitamin E sogar nachteilige Effekte“, sagt der Biochemiker. 2007 erhielt die Vitamin-E-Euphorie ihren grössten Dämpfer: Eine grosse Metaanalyse ergab, dass Menschen die Vitamin E-Präparate einnahmen, sogar kürzer lebten.

Stoffwechsel beeinflusst Wirksamkeit

Koeberle und Kollegen haben nun eine mögliche Erklärung dafür gefunden: Das Vitamin wird von Mensch zu Mensch unterschiedlich verstoffwechselt, ergab eine breit angelegte interdisziplinäre Studie, die die Jenaer Forscher gemeinsam mit Partnern aus Frankreich, Österreich und Italien durchführten.

Tatsächlich ist es nicht das Vitamin selbst, sondern ein Abbauprodukt, das entscheidend für die gesundheitsfördernde Wirkung ist, fanden die Forscher: Alpha-Carboxychromanol, so der Name, blockiert ein Schlüsselenzym von Entzündungsprozessen (5-Lipoxygenase, kurz 5-LO). Es spielt damit eine zentrale Rolle bei Entzündungserkrankungen.

Alpha-Carboxychromanol wird in der Leber gebildet. „In welchem Masse das passiert, ist von Patient zu Patient aber sehr verschieden“, erklärt Prof. Oliver Werz, der die Studie gemeinsam mit Koeberle leitete. So weise der Spiegel des Stoffwechselproduktes im Blut von Versuchspersonen eine sehr grosse individuelle Spannweite auf. Das könnte erklären, wieso die gleiche Menge Vitamin E bei einer Person eine bestimmte Wirkung zeigt, aber bei einer anderen Person eine wesentlich geringere.

Personalisierte Medizin

In Zukunft könnte man die individuell notwendige Wirkstoffmenge abhängig vom Stoffwechseltyp bestimmen. „Noch ist das leider zu aufwändig“, sagt Koeberle im Gespräch mit NetDoktor. Dazu benötige man sehr leistungsstarke Massenspektrometer. Sobald die entsprechende Technik weithin verfügbar ist, wären entsprechende Tests für alle Arzneistoffe, die verabreicht werden, angebracht.

Unter Umständen liessen sich so auch einst vielversprechende Wirkstoffe wiederbeleben, die im Tierversuch gut abschnitten, aber beim Menschen versagten. Zwar ist eine mögliche Erklärung, dass der Stoffwechsel von Mensch und Maus sehr verschieden ist. „Die Übertragbarkeit ist ein kritischer Punkt“, sagt Koeberle. Was bei der Maus wirkt, muss Menschen nicht zwingend helfen.

Andererseits sind aber die Tiere in Tests viel gleichförmiger, was ihre genetische Ausstattung und Lebensumstände betrifft. Und beides beeinflusst massiv die Verstoffwechselung von Wirkstoffen. Ein Wirkstoff, der in klinischen Experimenten mit vielen Teilnehmern scheitert, könnte demnach für mache Patienten durchaus heilsam sein. Für andere muss er vielleicht nur deutlich höher oder niedriger dosiert werden.

Die personalisierte Medizin wird zunehmend in Fachkreisen diskutiert. „Eine solche Herangehensweise ist aufwändig, aber in Zukunft unbedingt notwendig“, sagt Koeberle.

Neuer Ansatz für Entzündungshemmer

Die Erkenntnis, dass Alpha-Carboxychromanol das entzündungsbefeuernde 5-LO hemmt, wollen die Forscher nun nutzen, um auf dieser Basis einen neuartigen Entzündungshemmer zu entwickeln. Zwar gibt es bereits ein zugelassenes Arzneimittel, das die 5-LO hemmt. Wegen seiner starken Nebenwirkungen kann es aber nur sehr eingeschränkt eigesetzt werden. Ein erster von Alpha-Carboxychromanol abgeleiteter Kandidat, der verträglicher sein könnte, ist bereits patentiert.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Pein H et al. Endogenous metabolites of vitamin E limit inflammation by targeting 5-lipoxygenase. Nature Communications (2018), volume 9, Article number: 3834, DOI: 10.1038/s41467-018-06158-5
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