Junge Frau mit Übergewichtbeim Gewichtestemmen

Übergewicht: Muskelschwund wird oft übersehen

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Alle NetDoktor.ch-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Menschen mit starkem Übergewicht (Adipositas) bauen aufgrund von Bewegungsmangel oft schleichend Muskelmasse ab. Wegen des darüber gelagerten Fettgewebes bleibt der Muskelschwund aber oft unbemerkt. Was tun?

Auch junge, aber fettleibige Menschen leiden häufig unter Muskelschwund

Muskelschwund kennt man bislang vor allem von betagten Menschen. Ursachen sind Muskelschwunderkrankungen, Bettlägerigkeit oder längere Phasen der Unbeweglichkeit, beispielsweise aufgrund eines Unfalls. Neu ist die Erkenntnis, dass auch junge Menschen an Muskelschwund leiden können, wenn sie stark übergewichtig sind.

„Mit zunehmendem Übergewicht steigt erst einmal die Muskelmasse, um die Gewichtszunahme auszugleichen. Danach erreicht die Muskelmasse jedoch oft einen Kipppunkt, ab dem sie aufgrund von Bewegungsmangel wieder abnimmt“, erklärt Prof. Bischoff von der Universität Hohenheim.

Der Ernährungsmediziner gehört zu einem internationalen Experten-Panel, welches das neue Krankheitsbild der sogenannten „sarkopenen Adipositas“ definiert. Der Zusammenhang zwischen Adipositas und Muskelschwund war Wissenschaftlern zuerst durch eine Häufung von Einzelbeobachtungen aufgefallen.

Die Expertenrunde aus Mitgliedern der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) und der European Association for the Study of Obesity (EASO) hat sich des Themas inzwischen angenommen.

59 Prozent der Europäer sind übergewichtig

Denn das Problem könnte europaweit sehr viele Menschen betreffen. So sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation 59 Prozent der Erwachsenen in Europa übergewichtig oder fettleibig, von den Kindern und Jugendlichen sind es 30 Prozent.

Die bekannten gesundheitlichen Folgen von starkem Übergewicht reichen unter anderem von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gelenkbeschwerden und Diabetes bis hin zu bestimmten Krebserkrankungen. Auch psychische Störungen treten bei fettleibigen Menschen häufiger auf.

Reduzierte Lebenserwartung bei Muskelschwund

Jetzt zeige sich, dass auch die Folgen eines begleitenden Muskelschwunds nicht zu unterschätzen seien, warnt Bischoff: „Patientinnen und Patienten mit Muskelschwund sind deutlich anfälliger für Krankheiten. Auch die Lebenserwartung sinkt“, so der Ernährungsmediziner.

Während der Covid-Pandemie konnte man beispielsweise beobachten, dass eine Infektion bei adipösen Patienten aufgrund ihrer verringerten Atemleistung schwerer verlief, wenn der Muskelschwund auch die Atemmuskulatur beeinträchtigte.

Das europäische Expertengremium entwickelt derzeit Kriterien zur Diagnose und Behandlung des neuen Krankheitsbildes.

„Von der sarkopenen Adipositas sprechen wir dann, wenn sowohl der Anteil von Muskelmasse zu niedrig als auch die Muskelfunktion bereits beeinträchtigt ist“, erklärt Bischoff. Bei der endgültigen Diagnose würden dann noch Details wie Alter, Geschlecht und auch die ethnische Zugehörigkeit berücksichtigt.

Körperfettanteil und Muskelfunktion testen

Das Verhältnis von Fett zu Muskelmasse lässt sich mittels der sogenannten Bioimpedanzanalyse bestimmen. Dabei leitet das Analysegerät einen schwachen Strom durch den Körper. Aus dem gemessenen elektrischen Widerstand lässt sich dann die Körperzusammensetzung aus Fett- und Muskelgewebe berechnen. Dieser kann man aber auch mithilfe der Kernspintomografie (Magnetresonanztomografie, MRT) messen.

Um die Muskelfunktion zu testen, gäbe es eine Reihe standardisierter Tests. Dabei wird zum Beispiel gestoppt, wie oft Patienten und Patientinnen innerhalb einer Minute aufstehen und sich wieder hinsetzen könnten oder welche Gehstrecke sie in sechs Minuten zurücklegten.

Beim Abnehmen die Muskelmasse schützen

Bei Abnehm-Programmen sollte man stärker auf den Schutz der Muskelmasse achten. Denn nicht nur Fettpolster schwinden bei einer negativen Kalorienbilanz, sondern im ungünstigen Fall auch Muskelmasse. “Am aussichtsreichsten dafür scheint die Kombination aus Krafttraining und proteinreicher Ernährung“, sagt Bischoff. Letztere unterstützt auch das Abnehmen, indem sie schnell den Hunger stillt und länger satt macht.

Gewichte stemmen hilft!

Anpassungsbedarf gäbe es voraussichtlich bei der Bewegungstherapie: „Wichtiger als Ausdauertraining scheint es, Gewichte zu stemmen – so wie es Bodybuilder und Gewichtheberinnen tun“, meint der Ernährungsmediziner.

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Autor:

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Donini, L.M. et al.: Definition and Diagnostic Criteria for Sarcopenic Obesity: ESPEN and EASO Consensus Statement, Obesity Facts, 23. Feb 2023; doi: 10.1159/000521241
  • Pressemitteilung Universität Hohenheim, 15. Mai 2023
Teilen Sie Ihre Meinung mit uns
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie NetDoktor einem Freund oder Kollegen empfehlen?
Mit einem Klick beantworten
  • 0
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
0 - sehr unwahrscheinlich
10 - sehr wahrscheinlich