Tirzepatid
Tirzepatid ist ein blutzuckersenkender Wirkstoff. Er ist seit 2022 in der EU und Schweiz zur Behandlung von Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes zugelassen. Zusätzlich darf Tirzepatid in der EU seit Ende 2023 Erwachsenen bei starkem Übergewicht verordnet werden. Der rezeptpflichtige Wirkstoff verursacht am häufigsten Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt. Erfahren Sie hier mehr zur Anwendung, Wirkung und Nebenwirkungen von Tirzepatid!
Welche Nebenwirkungen verursacht Tirzepatid?
Es gab mehrere Studien, in denen die Anwendung von Tirzepatid allein oder zusammen mit anderen blutzuckersenkenden Medikamenten untersucht wurde. Dabei zeigten sich am häufigsten Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt wie:
- Übelkeit
- Durchfall
- Erbrechen
Diese unerwünschten Begleiterscheinungen waren im Allgemeinen nur mild oder mässig ausgeprägt. Sie traten vor allem zu Therapiebeginn auf, wenn die Tirzepatid-Dosis langsam gesteigert wird. Im weiteren Verlauf liessen die Nebenwirkungen nach.
Erbrechen und Durchfall durch Tirzepatid können den Körper austrocknen (Dehydration). Dann verschlechtert sich die Nierenfunktion (bis hin zu akutem Nierenversagen).
Wer unter Erbrechen und/oder Durchfall leidet, sollte deshalb unbedingt den Verlust an Flüssigkeit ausgleichen (ausreichend trinken). Das gilt besonders für Patienten, die bereits eine eingeschränkte Nierenfunktion haben. Lassen Sie sich hierzu von Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin beraten.
Mehr zum Thema Nebenwirkungen finden Sie in der Packungsbeilage Ihres Tirzepatid-Medikaments. Wenden Sie sich an Ihren Arzt, Ihre Ärztin oder Ihre Apotheke, wenn Sie Nebenwirkungen vermuten.
Wann wird Tirzepatid eingesetzt?
Tirzepatid ist zugelassen zur Behandlung von Typ-2-Diabetes (EU und Schweiz) und starkem Übergewicht (EU).
Tirzepatid bei Diabetes
Erwachsene mit Typ-2-Diabetes können Tirzepatid erhalten, wenn sich die Blutzuckerwerte nur unzureichend unter Kontrolle halten lassen. Das Medikament dient als ergänzende Therapiemassnahme zu Diät und Bewegung. Es kann verordnet werden:
- in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Medikamenten
- als alleiniges blutzuckersenkendes Medikament (Monotherapie), wenn ein Patient Metformin nicht verträgt oder aus medizinischen Gründen nicht anwenden darf
Tirzepatid bei Übergewicht
In der EU darf Tirzepatid zudem Erwachsenen mit starkem Übergewicht verordnet werden, um das Abnehmen zu unterstützen und den erzielten Gewichtsverlust zu erhalten (Gewichtsmanagement). Gleichzeitig sollen Betroffene eine kalorienreduzierte Diät einhalten und vermehrt körperlich aktiv sein – Tirzepatid dient nur als Ergänzung zu diesen Lebensstilmassnahmen.
Konkret kommt der Wirkstoff in Betracht für Übergewichtige mit einem anfänglichen Body-Mass-Index (BMI) von
- mindestens 30 kg/qm (Fettleibigkeit = Adipositas)
- mindestens 27 und weniger als 30 kg/qm (Übergewicht) bei zusätzlich mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung
Solche gewichtsbedingte Begleiterkrankungen sind zum Beispiel Bluthochdruck, Vorstufe von Diabetes (Prädiabetes), Typ-2-Diabetes, erhöhte Blutfettwerte und obstruktive Schlafapnoe.
Ist Tirzepatid rezeptpflichtig?
Medikamente mit Tirzepatid sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz verschreibungspflichtig. Ohne Rezept sind sie also nicht in Apotheken erhältlich.
Welche Darreichungsformen gibt es?
Tirzepatid ist als Injektionslösung erhältlich, die unter die Haut (subkutan) gespritzt wird. Patienten, die sich den Wirkstoff selbst verabreichen, müssen dafür aber keine Spritze aufziehen: Tirzepatid gibt es als Fertigpen zum einmaligen Gebrauch in verschiedenen Dosierungen (z.B. 2,5 oder 5 mg).
Über den Mund (oral) anwenden kann man Tirzepatid nicht. Der saure Magensaft würde den Wirkstoff zersetzen, bevor er in den Körper aufgenommen werden kann.
So wird Tirzepatid angewendet
Die Anfangsdosis von Tirzepatid beträgt einmal wöchentlich 2,5 Milligramm. Sie wird unter die Haut am Bauch, Oberschenkel oder Oberarm gespritzt.
Spritzen Sie sich das Medikament nicht immer an der gleichen Stelle! Wählen Sie vielmehr für jede Dosis eine andere Injektionsstelle.
Nach vier Wochen wird die Dosis in ärztlicher Absprache auf fünf Milligramm einmal wöchentlich erhöht. Zeigt diese Dosierung ausreichend Wirkung, bleibt sie als Erhaltungsdosis über längere Zeit bestehen.
Falls nötig, lässt sich die Dosis in kleinen Schritten (zu je 2,5 Milligramm) weiter erhöhen. Das sollte man aber jeweils frühestens nach vier Wochen mit der aktuellen Dosis machen.
Die empfohlene Höchstdosis liegt bei 15 Milligramm Tirzepatid einmal pro Woche.
Normalerweise spritzen sich Patienten Tirzepatid immer am gleichen Wochentag, und zwar unabhängig von den Mahlzeiten. Auch die Uhrzeit spielt keine Rolle.
Wenn nötig, können Sie den Tag der wöchentlichen Tirzepatid-Injektion wechseln. Zwischen zwei aufeinanderfolgenden Dosen müssen aber mindestens drei Tage (72 Stunden) liegen.
Hat man eine Injektion vergessen, sollte man sie so bald wie möglich innerhalb von vier Tagen (96 Stunden) nachholen. Sind schon mehr als vier Tage vergangen, wird die versäumte Dosis ausgelassen. Die nächste Injektion erfolgt am nächsten für die Verabreichung vorgesehenen Tag.
Wirkung von Tirzepatid
Tirzepatid wirkt blutzuckersenkend und reduziert das Körpergewicht. Als Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse imitiert es dazu die Wirkung von zwei Darmhomonen: GIP (Glukoseabhängiges insulinotropes Peptid) und GLP-1 (Glukagon-like Peptid 1).
Diese beiden Darmhormone (sogenannte Inkretine) werden nach dem Essen vom Dünndarm ins Blut ausgeschüttet. Sie…
- regen die Bauchspeicheldrüse an, in Abhängigkeit vom Blutzuckerspiegel das blutzuckersenkende Hormon Insulin auszuschütten.
- hemmen die Ausschüttung des Insulin-Gegenspielers Glukagon.
- reduzieren den Appetit und steigern das Sättigungsgefühl.
Tirzepatid kann an die jeweiligen Andockstellen (Rezeptoren) der beiden Darmhormone binden und deren Wirkung nachahmen. Man nennt den Wirkstoff deshalb ein duales Inkretinmimetikum oder „Twinkretin“.
Wann sollte man Tirzepatid nicht anwenden?
Tirzepatid darf man im Allgemeinen nicht anwenden:
- wenn man überempfindlich oder allergisch auf den Wirkstoff oder einen der anderen Bestandteile des Medikaments reagiert
- bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren (mangelhafte Datenlage)
Tirzepatid: Schwangerschaft und Stillzeit
Frauen in der Schwangerschaft sollten Tirzepatid nicht anwenden. Es gibt nämlich keine oder nur wenig Daten zur Anwendung des Wirkstoffes bei Schwangeren. Zudem hat sich Tirzepatid in Tierversuchen also reproduktionstoxisch erwiesen. Beispielsweise verringerte es bei Ratten das Wachstum des Fötus.
Tirzepatid wird auch nicht empfohlen für Frauen im gebärfähigen Alter, die keine Verhütungsmittel anwenden.
In der Stillzeit sollten Frauen mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin entscheiden, ob sie das Stillen beenden oder die Tirzepatid-Anwendung abbrechen. Man weiss nämlich nicht, ob Tirzepatid in die Muttermilch übertritt. Ein Risiko für das gestillte Kind lässt sich jedenfalls nicht ausschliessen.
Diese Wechselwirkungen sind bei Tirzepatid möglich
Tirzepatid verzögert die Magenentleerung. Besonders zu Beginn der Behandlung beeinflusst dies möglicherweise die Aufnahme von gleichzeitig über den Mund (oral) angewendeten Medikamenten.
Das sollte man besonders bei Medikamenten bedenken, die nur in einem schmalen Dosisbereich sicher wirksam sind (z.B. Gerinnungshemmer Warfarin, Herzmittel Digoxin) oder die schnell wirken sollen.
Grundsätzlich ist laut Experten bei den meisten oralen Medikamente aber keine Dosisanpassung nötig, wenn zugleich Tirzepatid angewendet wird.
Verhütungspille
Auch bei der gleichzeitigen Anwendung eines oralen hormonellen Verhütungsmittels („Pille“) ist aus Expertensicht keine Dosisanpassung nötig. Teils wird aber auch zur Vorsicht geraten (wegen der möglichen Beeinträchtigung der Pillen-Aufnahme in den Körper):
Frauen sollten sicherheitshalber entweder auf eine nicht-orale Verhütungsmethode (z.B. Kondom, Spirale) umsteigen.
Oder sie wenden für mindestens vier Wochen nach Beginn der Tirazepatid-Therapie und nach jeder Dosissteigerung zusätzlich eine Barrieremethode zur Empfängnisverhütung an. Das kann zum Beispiel ein Kondom oder Diaphragma sein.
Kombination mit anderen Diabetes-Medikamenten
Manche Typ-2-Diabetiker wenden Tirzepatid gemeinsam mit Sulfonylharnstoffen (wie Glibenclamid oder Glimepirid) an. Oder Ärzte verordnen Patienten eine kombinierte Therapie mit Tirzepatid und Insulin.
In solchen Fällen muss in ärztlicher Absprache möglicherweise die Dosierung der Sulfonylharnstoffe oder von Insulin verringert werden. Sonst könnte der blutzuckersenkende Effekt insgesamt so gross sein, dass die Gefahr einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) besteht.
Diabetiker sollten sich das Insulin nicht an der gleichen Stelle wie Tirzepatid injizieren.
Autoren- & Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
- Europäische Arzneimittelagentur (EMA): Produkt-Information zu Mounjaro (Stand: Oktober 2023), unter: www.ema.europa.eu (Abruf: 07.02.2024)
- Fachinformation zum Tirzepatid-Präparat (Deutschland), unter: www.pharmnet-bund.de (Abruf: 07.02.2024)
- Fachinformation zum Tirzepatid-Präparat (Österreich), unter: www.basg.gv.at (Abruf: 07.02.2024)
- Fachinformation zum Tirzepatid-Präparat (Schweiz), unter: www.swissmedicinfo.ch (Abruf: 07.02.2024)
- Frías, J. P. et al.: Tirzepatide versus Semaglutide Once Weekly in Patients with Type 2 Diabetes, in: The New England Journal of Medicine (2021), 385(6), 503–515; doi: 10.1056/NEJMoa2107519
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- Min, T. et Bain, S. C.: The Role of Tirzepatide, Dual GIP and GLP-1 Receptor Agonist, in the Management of Type 2 Diabetes: The SURPASS Clinical Trials, in: Diabetes therapy: research, treatment and education of diabetes and related disorders (2021), 12(1), 143–157; doi: 10.1007/s13300-020-00981-0
- Schmeisl, G.W.: Schulungsbuch Diabetes, Urban & Fischer Verlag / Elsevier, 10. Auflage, 2023
- „Tirzepatid mit doppeltem Wirkansatz“, in: Info Diabetol 17, 50 (2023); doi: 10.1007/s15034-023-4580-8