Mädchen mit Liebeskummer

Schmerzmittel: Tabletten gegen Liebeskummer?

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Bei seelischen Blessuren einfach ein paar Paracetamol-Pillen einwerfen? Das könnte tatsächlich funktionieren - Nebenwirkungen inklusive.

Bei seelischen Blessuren einfach Paracetamol einwerfen? Das klingt erst einmal abwegig. Tatsächlich beeinflussen gängige rezeptfreie Schmerzmittel aber nicht nur körperliche Empfindungen, sondern auch psychische. Doch das chemische Dämpfen seelischen Schmerzes könnte auch Tücken haben.

Dass seelischer und körperlicher Schmerz zusammenhängen, darauf liefert schon der Sprachgebrauch Hinweise. So kann Mitleid einem das Herz im Leibe herumdrehen, Verrat wird als Dolchstoss in den Rücken verspürt, ein Verlust kann einem schon mal an die Nieren gehen.

Forscher um Kyle Ratner von der University of California haben in einer Übersichtsstudie zusammengetragen, welche Forschungsergebnisse es zum Zusammenhang von Schmerzmitteln und Psyche bereits gibt.

Übereinstimmende Schmerzmuster im Gehirn

Tatsächlich haben Bilder von Hirnaktivitäten vor einigen Jahren gezeigt, dass bei seelischem und körperlichem Schmerz überlappende Regionen aktiviert werden. Verschiedene Forschergruppen haben daraufhin untersucht, ob sich seelischer Schmerz durch freiverkäufliche Schmerzmittel lindern lässt. Sie wurden fündig.

Frauen beispielsweise litten weniger stark darunter, von einem virtuellen Ballspiel ausgeschlossen zu werden oder Erinnerungen an eine Trennung niederzuschreiben, sofern sie zuvor Ibuprofen eingenommen hatten.

Reduziertes Mitgefühl

Doch auch die Fähigkeit zum Mitgefühl nimmt durch Schmerzmittel offenbar ab. So zeigten Probanden, die Paracetamol eingenommen hatten, weniger emotionale Reaktionen, wenn sie über leidvolle Erfahrungen anderer Menschen lasen, als Teilnehmer, die ein Placebo erhalten hatten.

Auch reagierten Personen, die glücklich stimmende oder unerfreuliche Fotos betrachteten, weniger stark auf diese, wenn sie Paracetamol einnahmen.

Seelische Schmerzen abfedern

Man könne Schmerzmittel möglicherweise also gezielt einsetzen, um seelische Schmerzen abzufedern, schreiben die Forscher. Beispielsweise nach einer Trennung oder einem frustrierenden Erlebnis im Job.

Problematisch bei Depressionen?

Auf Menschen mit Depressionen könnten sich Schmerzmittel allerdings eher negativ auswirken. Sie leiden oft ohnehin unter der Unfähigkeit Gefühle zu empfinden. Diese emotionale Taubheit könnte durch Schmerzmittel noch verschlimmert werden, mutmassen die Forscher.

Und noch einen weiteren Haken hat die Sache möglicherweise. Seelische Schmerzen haben genau wie körperliche eine Warnfunktion. Beispielsweise sorgen sie dafür, dass man sich um seine zwischenmenschlichen Beziehungen bemüht um den Schmerz durch Zurückweisung zu vermeiden. Wer durch die Schmerzmittel im Blut abstumpft, könnte zum Aussenweiter werden. Für soziale Wesen wie den Menschen ist das mit Nachteilen verbunden.

Gefährliche Ahnungslosigkeit

„Menschen, die Schmerzmittel einnehmen, rechnen nicht damit, dass diese weitreichende psychologische Effekte haben könnten“, warnen die Forscher. Von einer gezielten Anwendung bei seelischen Verletzungen raten die Wissenschaftler ab. Dazu fehlten noch weitere Untersuchungen zur Wirksamkeit und Nebenwirkungen.

Auch sei lediglich ein kurzfristiger Einsatz möglich. Denn die gesundheitlichen Risiken, die eine längere Schmerzmitteleinnahme mit sich bringt reichen von Magenblutungen über chronische Kopfschmerzen bis hin zu Leber- und Nierenschäden.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Ratner et al.: Can Over-the-Counter Pain Medications Influence Our Thoughts and Emotions? Policy Insights from the Behavioral and Brain Sciences, 2018
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