Mann mit Prostatakrebs beim Arzt

Prostatakrebs: Neuer, weit verbreiteter Subtyp entdeckt

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Ein bisher unbekannter Subtyp macht etwa 30 Prozent aller Fälle von Prostatakrebs aus. Nun hoffen Forscher, den betroffenen Männern in Zukunft mit gezielteren Therapien helfen zu können.

Bislang hatte die Medizin zwei Prostatakrebs-Subtypen beschrieben: den androgenabhängigen Typ, der von männlichen Sexualhormonen befeuert wird, und den neuroendokrinen Typ, der selbst Hormone produziert und schwer zu behandeln ist.

Ein Team um Yu Chen vom Human Oncology & Pathogenesis Program am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York hat nun einen dritten Typus ausgemacht. Die Forschenden charakterisierten ihn als stammzellähnlich (SCL). Der Grund: Einige der Gene, die in den Krebszellen aktiviert werden, erinnern an die aktiven Gene von Stammzellen.

Wie konnte diese verbreitete Unterform von Prostatakrebs derart lange der medizinischen Aufmerksamkeit entgehen? Eine Erklärung: "Prostatakrebs lässt sich im Labor nur sehr schwer vermehren", erklärt Chen. Während es Hunderte von Zelllinien für Haut- und Lungenkrebs gebe, seien nur drei oder vier Zelllinien für Prostatakrebs brauchbar.

Tumorzucht im Labor

Um dieses Problem zu lösen, wandte das Team eine neue Technologie an: Die Forschenden züchteten sogenannte Organoide. Diese organähnlichen Strukturen entwickelten sie im Labor aus Teilen des Tumors. Diese liefern so ein Modell des Krebsgeschwürs des jeweiligen Patienten. An ihnen konnten die Forscher Genetik und biochemische Abläufe der Krebszellen untersuchen.

Darüber hinaus verwendete das Team von Patienten stammende Xenografts – Tumorgewebe, das einem Patienten entnommen und in eine Maus verpflanzt wurde.

Anhand dieses Materials konnten die Forscher feststellen, welche Gene in den Krebszellen an- oder abgeschaltet sind und so eine Art genetischen Fingerabdruck der untersuchten Tumore anfertigen. Dabei stiessen sie auf den neuen Subtyp von Prostatakrebs.

Zweithäufigste Tumorform

Als Gegenprobe testeten sie, wie häufig das Genprofil in einer Biobank von 366 Prostatakrebstumoren zu finden war. Tatsächlich war das häufig der Fall: Bei dem neu entdeckten stammzellähnlichen Typ handelte es sich um die zweithäufigste Prostatakrebs-Form nach der androgen-abhängigen Untergruppe.

Für die zukünftige Behandlung von Prostatakrebs könnte das entscheidend sein:

"In den vergangenen 80 Jahren war die Hormonentzugstherapie das Rückgrat der Behandlung von Prostatakrebs ", erklärt Chen. "Das liegt daran, dass im Grunde alle Prostatakarzinome bei der Erstdiagnose von Testosteronsignalen abhängen.“ Doch diese Therapie verliert im Laufe der Erkrankung zunehmend an Wucht. Der Tumor wird resistent gegen den Hormonentzug und wächst.

An diesem Punkt könnten die neuen Erkenntnisse helfen, die Behandlungsmöglichkeiten für viele Betroffene zu verbessern. Und das könnte vergleichsweise schnell gehen: Tatsächlich gibt es bereits Wirkstoffe, die das Wachstum des Prostatakrebs-Subtyps in Labor- und Tiermodellen blockieren. Eine Studie, welche die Wirksamkeit beim Menschen überprüft, wird derzeit vorbereitet.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Fanying Tang et al.: Chromatin profiles classify castration-resistant prostate cancers suggesting therapeutic, Science, 27. Mai 2022, Vol 376, Issue 6596, DOI: 10.1126/science.abe1505
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