Fettleibiges Kind mit freiem Oberkörper

PCOS: Hohes Fettleibigkeit-Risiko für Söhne

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Söhne von Müttern mit polyzystischem Ovarialsyndrom (PCOS) sind doppelt so häufig fettleibig wie andere. Damit steigt auch ihr Risiko, an Diabetes zu erkranken. Der Effekt setzt sich sogar bis in die Enkelgeneration fort.

Bei Frauen mit polyzystischem Ovarialsyndrom (PCOS) produzieren die Eierstöcke zu viel Testosteron. Weltweit sind etwa 15 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter betroffen. Sie haben nicht nur Schwierigkeiten, schwanger zu werden, die Hälfte von ihnen leidet auch an Übergewicht, Diabetes und psychischen Erkrankungen wie Depressionen.

Auch die Söhne sind betroffen

Ein schwedisches Forschungsteam hat nun herausgefunden, dass die Krankheit nicht nur häufig an die Töchter weitergegeben wird. Sie kann auch die Gesundheit der Söhne negativ beeinflussen.

„Klinische Beobachtungen deuten darauf hin, dass mütterliches Übergewicht und PCOS auch die Entwicklung männlicher Föten beeinträchtigen. Dies kann sie im späteren Leben anfälliger für Fortpflanzungs- und Stoffwechselstörungen machen, wie es bei ihren weiblichen Geschwistern der Fall ist“, schreibt das Team um Prof. Elisabet Stener-Victorin vom Karolinska Institutet.

Die Forscherinnen und Forscher analysierten die Daten des schwedischen Geburtsregisters von rund 460.000 Jungen, die zwischen Juli 2006 und Dezember 2015 geboren wurden. Anschliessend verfolgten sie die Entwicklung der Kinder ab dem Alter von zwei Jahren. Etwa 9.800 von ihnen wurden von Frauen mit bekanntem PCOS geboren.

Fettleibigkeit und Fettstoffwechselstörung

"Wir haben herausgefunden, dass Söhne von Frauen mit PCOS ein doppelt so hohes Risiko für Fettleibigkeit haben“, erklärt Studienleiterin Stener-Victorin. Damit steigt das Risiko, im späteren Leben einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln.

Auch die Gesamtblutfettwerte, insbesondere die des ungünstigen LDL-Cholesterins, waren bei Jungen, deren Mütter unter PCOS litten, vergleichsweise höher. Damit steigt später die Wahrscheinlichkeit für Herzinfarkt und Schlaganfall. Solche negativen Folgen betrafen allerdings nur Söhne übergewichtiger PCOS-Mütter.

Testosteronschwemme und Überfütterung im Mutterleib

Um den Auswirkungen von PCOS genauer auf den Grund zu gehen, untersuchten die Forscher die Nachkommen von Mäuseweibchen, die vor und während der Trächtigkeit entweder eine Standarddiät oder eine fett- und zuckerreiche Diät erhielten. Zusätzlich bekam ein Teil der trächtigen Nager Dosen des männlichen Sexualhormons Dihydrotestosteron.

Die männlichen Nachkommen wurden dann bis zum Erwachsenenalter mit einer Standarddiät gefüttert. Danach untersuchten die Forschenden die Fettverteilung und den Stoffwechsel der Tiere. Auffälligkeiten zeigten sich sowohl bei den Männchen, deren Mütter überfüttert und deshalb übergewichtig waren, als auch bei den Männchen, deren Mütter Testosteron erhalten hatten.

"Wir stellten fest, dass diese männlichen Mäuse trotz gesunder Ernährung mehr Fettgewebe, grössere Fettzellen und einen gestörten Glukosestoffwechsel aufwiesen", sagt Stener-Victorin. Am deutlichsten waren die Auswirkungen bei Männchen, die vor der Geburt beiden Einflüssen ausgesetzt waren.

Auf Gewichtszunahme programmiert

Da sich diese Tiere nicht weniger bewegten als ihre Artgenossen aus der Kontrollgruppe, vermuten die Forschenden, dass diese Veränderungen auf eine Programmierung im Mutterleib zurückzuführen sind.

Tatsächlich fanden sie im Blut der betroffenen Männchen sogenannte microRNA-Schnipsel, die diese Hypothese untermauern.

Die microRNA steuert, welche Gene im Körper aktiv sind und welche stumm geschaltet werden. Dies geschieht unter anderem als Reaktion auf äussere Einflüsse. Man bezeichnet diesen Vorgang als epigenetische Prägung. Sie kann mit dem Erbgut von Generation zu Generation weitergegeben werden, ohne dass sich die eigentliche Genstruktur verändert.

Bei den betroffenen Männchen waren dem microRNA-Profil zufolge verschiedene Gene aktiv, die unter anderem mit Typ-2-Diabetes, erhöhten Blutfettwerten, Körpergewicht, Fettgewebsbildung und hormonellen Reaktionen in Verbindung gebracht werden.

Auswirkungen noch auf die Enkel

Um zu überprüfen, ob die ungünstige Programmierung tatsächlich an die nächste Generation weitergegeben wird, verpaarten die Forschenden in einem zweiten Schritt die vorbelasteten Männchen mit gesunden Mäuseweibchen. Diese erhielten während der Trächtigkeit weder männliche Geschlechtshormone noch eine fett- und zuckerreiche Ernährung.

Dasselbe wiederholten die Forschenden mit den männlichen Nachkommen aus diesen Verpaarungen. Das Ergebnis: Erst in der dritten Nachkommengeneration wirkten sich das polyzystische Ovarialsyndrom oder das Übergewicht der “Urgrossmuttertiere” nicht mehr auf die Gesundheit der männlichen Nachkommen aus.

Abnehmen vor der Schwangerschaft

„Die Ergebnisse weisen somit auf ein bisher unbekanntes Risiko hin, dass PCOS-bedingte Gesundheitsprobleme über Generationen hinweg an die männliche Seite einer Familie weitergegeben werden“, schreiben die Forschenden.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Söhne fettleibiger Frauen - unabhängig davon, ob das Übergewicht mit PCOS zusammenhängt oder nicht - stärker von Stoffwechselstörungen betroffen sind. „Dies unterstreicht die Bedeutung einer Gewichtsberatung und vorzugsweise einer Gewichtsreduktion vor der Schwangerschaft, insbesondere bei Frauen mit PCOS“, schreiben die Autoren. Nur etwa die Hälfte der Frauen mit PCOS ist tatsächlich übergewichtig.

Für Frauen mit bekanntem polyzystischem Ovarialsyndrom bedeutet das zudem, nicht nur die Gesundheit der Töchter besonders im Blick zu behalten, sondern auch auf die Ernährung und körperliche Aktivität ihrer Söhne zu achten. So lassen sich Gewichts- und Gesundheitsproblemen frühzeitig entgegenwirken.

Hohe Dunkelziffer von PCOS

Der Einfluss des PCOS auf die Söhne könnte noch weitaus gravierender sein, als die Auswertung der oben beschriebenen Daten aus dem schwedischen Geburtenregister vermuten lässt. Zum einen wirkt sich eine Veranlagung zu Übergewicht in der Regel im Laufe des Lebens immer stärker aus. Die Daten stammen jedoch von heute 7- bis 17-Jährigen.

Zum anderen ist die Dunkelziffer beim PCOS hoch. Das scheint auch hier der Fall zu sein: Denn während 10 bis 18 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter betroffen sind, lag in der untersuchten Gruppe nur bei 2,1 Prozent der Mütter eine entsprechende Diagnose vor. Es ist also von einer hohen Dunkelziffer auszugehen - selbst wenn man berücksichtigt, dass ein PCOS die Empfängnis erschwert. .

Somit besteht die Möglichkeit, dass Daten von nicht diagnostizierten PCOS-Müttern und ihrer Söhne nicht in die Ergebnisse der PCOS-Gruppe einflossen, sondern stattdessen der nicht betroffenen Gruppe zugeschlagen wurden. Das bedeutet: Die Zahlen sind möglicherweise stark verwässert. Der tatsächliche negative Effekt von PCOS auf die Söhne erkrankter Mütter wäre dann deutlich höher, als es die vorliegenden Zahlen ohnehin schon zeigen.

Autoren- & Quelleninformationen

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Sanjiv Risal et al.: Transgenerational transmission of reproductive and metabolic dysfunction in the male progeny of polycystic ovary syndrome, Cell reports Medicine, 5. Mai 2023, DOI: https://doi.org/10.1016/j.xcrm.2023.101035
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