Kind mit Neurodermitis kratzt sich den Arm

Monoklonale Antikörper: Hilfe für Neurodermitis-Babys

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Bei schwerer Neurodermitis half viele Jahre nur eines: Medikamente einsetzen, die das Immunsystem unterdrücken. Doch Immunsuppressiva wie Cortison haben auf Dauer erhebliche Nebenwirkungen, insbesondere wenn sie hochdosiert und in Tablettenform eingenommen werden.

Einen echten Sprung in der Therapie bedeuteten für viele Betroffene monoklonale Antikörper. Solche sogenannten Biologika können die Symptome drastisch verbessern - bei geringen Nebenwirkungen.

Der Wirkstoff Dupilumab ist ein solcher biotechnologisch hergestellter Antikörper, der die Signalwege der Immunbotenstoffe Interleukin-4 (IL-4) und Interleukin-13 (IL-13) blockiert. Beide gelten als treibende Faktoren für bestimmte Entzündungsprozesse vom Typ-2. Diese spielen bei sogenannten atopischen Erkrankungen wie Allergien, Asthma und Neurodermitis eine zentrale Rolle.

Noch keine Zulassung für Babys und Kleinkinder

In der Europäischen Union ist der Wirkstoff seit 2020 für Kinder ab sechs Jahren zugelassen. Doch Säuglingen und Kleinkindern bleibt der Zugang zu den Medikamenten bislang verwehrt – aus Sorge vor möglichen Neben- und Langzeitwirkungen bei den Jüngsten. Eine klinische Phase-3-Studie – die entscheidende Hürde vor einer Zulassung - konnte solche Bedenken nun weitgehend ausräumen.

Das Team um Amy Paller von der Northwestern University Feinberg School of Medicine untersuchte eine Gruppe von rund 200 Kindern zwischen sechs Monaten und fünf Jahren, die unter mittelstarker bis schwerer Neurodermitis litten.

Die Hälfte der Kinder erhielt über einen Zeitraum von 16 Wochen in vierwöchigen Abständen eine Dosis Dupilumab unter die Haut gespritzt, die andere Hälfte ein Placebo. Beide Gruppen erhielten zusätzlich eine kortisonhaltige Salbe.

Ohne Juckreiz durchschlafen

Bei mehr als der Hälfte der Kinder, die das Medikament erhalten hatten, gingen die Anzeichen von Ekzemen um mindestens 75 Prozent zurück. Am Ende hatten doppelt so viele Kinder der Dupilumab-Gruppe eine erscheinungsfreie oder nahezu erscheinungsfreie Haut wie in der Kontrollgruppe.

Auch der quälende Juckreiz liess bei Kindern der Dupilumab-Gruppe deutlich häufiger so weit nach, dass sie wieder durchschlafen konnten. Das ist entscheidend: Juckreiz und Schlafstörungen haben erheblichen Einfluss. Sie können sich extrem negativ auf die kognitive Entwicklung der Kinder, ihren Gemütszustand und ihre Persönlichkeitsentfaltung auswirken.

"Neurodermitis ist so viel mehr als nur juckende Haut. Es handelt sich um eine verheerende Krankheit. Die Lebensqualität mit einem schweren Ekzem ist der von Patienten mit manchen lebensbedrohlichen Krankheiten vergleichbar", sagt Paller. Das gelte nicht nur für das Kind, sondern auch für die Eltern.

Bremse für weitere allergische Entwicklungen

Dupilumab könnte darüber hinaus einen zusätzlichen Nutzen haben: Durch seine beruhigende Wirkung auf das Immunsystem könnte es verhindern, dass weitere allergische Erkrankungen wie Asthma und Allergien zur Neurodermitis hinzukommen. Das ist häufig der Fall: Diese Krankheiten stammen alle aus dem atopischen Formenkreis und haben dieselben immunologischen Wurzeln.

Tatsächlich hatten 80 Prozent der Kinder zu Beginn Studie bereits zusätzlich eine allergische Erkrankung wie Asthma oder eine Nahrungsmittelallergie entwickelt.

Jedes fünfte Kind unter sechs Jahren leidet an Neurodermitis

Neurodermitis, auch bekannt als atopische Dermatitis, ist eine chronische entzündliche Hauterkrankung. Auf der Haut bilden sich teilweise grossflächig gerötete, trockene, rissige Ekzeme, die häufig nässen. Hinzu kommt ein quälender Juckreiz.

Neurodermitis kann das Leben der Patienten und ihrer Familien stark beeinträchtigen. Rund 20 Prozent der Kinder unter sechs Jahren sind davon betroffen. Bei einem Drittel von ihnen ist die Erkrankung so schwer ausgeprägt, dass Pflegeprodukte nicht ausreichen, um sie zu beherrschen.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Prof Amy S Paller et al.: Dupilumab in children aged 6 months to younger than 6 years with uncontrolled atopic dermatitis: a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial, The lancet, 17. Sep. 2022, DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(22)01539-2
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