Meningitis-Impfung schützt auch vor „Tripper“
Gegen eine bakterielle Meningitis gibt es wirksame Impfungen – gegen Gonorrhoe nicht. Erstere ist eine gefährliche Entzündung der Hirnhäute, das zweite eine Geschlechtskrankheit, die mit höchst unangenehmen Begleiterscheinungen im Genitalbereich einhergeht, vor allem aber auch unfruchtbar machen kann.
„Familienähnlichkeit“ unter Bakterien
So unterschiedlich die zwei Erkrankungen sich auswirken mögen – und auch übertragen werden (Gonorrhoe beim Sex) – sind die verursachenden Bakterien doch nah verwandt. Nah genug, dass das Immunsystem nach einer Impfung gegen Meningitis auch eingedrungene Gonorrhoe-Bakterien als bekämpfungswürdig erkennt. Mediziner bezeichnen das als Kreuzimmunität. Grund dafür sind Besonderheiten der Oberflächenstruktur von Meningokokken und Gonorrhoe-Bakterien, an denen sich das Immunsystem orientiert.
Eine solche Kreuzimmunität funktioniert allerdings nur bei Impfungen gegen Meningitis vom Serotyp B: Geimpfte sind dann auch ein Stück weit vor Gonorrhoe – umgangssprachlich auch Tripper genannt – geschützt.
Gonorrhoe: Kein Impfstoff, viele Resistenzen
Das ist umso bedeutender, als es gegen Gonorrhoe auf absehbare Zeit keine eigene Impfung geben wird und zudem die verfügbaren Antibiotika zunehmend ihre Wirksamkeit gegen die auslösenden Bakterien verlieren: Viele Stämme des Erregers Neisseria gonorrhoeae sind resistent.
Die Schutzwirkung der Impfung gegen Meningokokken liegt bei sehr guten 94 Prozent. In einer grossen Beobachtungsstudie mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus Neuseeland verhindert die Impfung aber auch 33 Prozent der Fälle von Gonorrhoe. Und zwar bereits nach der ersten Impfdosis – vorgesehen sind insgesamt zwei.
Impfschutz gegen Gonorrhoe von bis zu 40 Prozent
In einer Beobachtungsstudie aus den USA mit 53.000 jungen Erwachsenen schützte ein Meningitisvakzin nach einer Zweifachimpfung mit 40 Prozent sogar noch etwas erfolgreicher vor Tripper. Auch wer nur eine Impfstoffdosis erhalten hatte, profitierte in Hinblick auf Gonorrhoe: Hier betrug der Impfschutz immer noch 26 Prozent.
Selbst wenn der Schutz einer Meningitis-Impfung gegenüber Gonorrhoe damit lückenhaft ist, könnte er dazu beitragen, die Zahl der Infektionen deutlich zu reduzieren. Denn je weniger Personen sich mit Tripper anstecken, desto weniger können den Erreger auch weitergeben. Nach und nach wird die Erkrankung so immer weiter zurückgedrängt.
Gonorrhoe zurückdrängen
Eine britische Modellrechnung zeigt, dass sich allein in Grossbritannien über einen Zeitraum von zehn Jahren mehr als 100.000 Tripper-Fälle verhindern liessen. Sinnvoll könnte eine Meningokokken-Impfung zum Schutz vor Tripper insbesondere für Personen mit einem hohen Ansteckungsrisiko sein. Dazu gehören vor allem Männer, die mit Männern Sex haben.
Wirkt der Routineimpfstoff gegen Gonorrhoe?
Nein, gegen Meningokokken wird in der Schweiz routinemässig ein Kombinationsimpfstoff gegen die Serotypen A, C, W und Y eingesetzt. Dieser wirkt nicht gegen Meningokokken B und daher auch nicht gegen Gonorrhoe.
Im Jahr 2020 hat die Swissmedic einem separaten Impfstoff gegen Meningokokken B die Zulassung erteilt. Es handelt sich um das gleiche Vakzin, das auch in der US-Studie eingesetzt worden war und gegen den Serotyp B (und damit gegen Tripper) wirkt. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern ist dieses jedoch nur bei Personen im Alter von 11 bis 24 Jahren zugelassen und wird eingesetzt, falls es die epidemiologische Situation erfordert. Eine offizielle Empfehlung der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF) steht noch aus.
Autoren- & Quelleninformationen
- Bing Wang et al.: Effectiveness and impact of the 4CMenB vaccine against invasive serogroup B meningococcal disease and gonorrhoea in an infant, child, and adolescent programme: an observational cohort and case-control study
- Bundesamt für Gesundheit und Eidgenössische Kommission für Impffragen, Schweizerischer Impfplan 2022, Stand Januar 2022, unter: www.bag.admin.ch (Abrufdatum: 12.05.2022)
- Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Impfplan Österreich 2022, Stand: Jänner 2022, unter: www.sozialministerium.at (Abrufdatum: 12.05.2022)
- Lilith K Whittles et al.: Public health impact and cost-effectiveness of gonorrhoea vaccination: an integrated transmission-dynamic health-economic modelling analysis, The Lancet, 12. April 2022
- Petousis-Harris H. et al. Effectiveness of a group B outer membrane vesicle meningococcal vaccine against gonorrhoea in New Zealand: a retrospective case-control study. Lancet published online am 10. Juli 2017. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(17)31449-6.
- Warum wird die Impfung gegen Meningokokken B bislang nicht als Routineimpfung von der STIKO empfohlen? , Robert Koch-Institut, www.rki.de, Stand Jan 2018