Instant Nudeln in einer Schüssel

Krebs: Wie riskant sind hochverarbeitete Lebensmittel?

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Alle NetDoktor.ch-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Würstchen, Schokoriegel, Toastbrot, Tütensuppen: Bevor solche Lebensmittel in den Supermarktregalen und Tiefkühlfächern landen, sind viele Verarbeitungsschritte nötig. Fachleute bezeichnen solche Produkte als „hochverarbeitete Nahrungsmittel“.

Dass diese nicht sonderlich gesund sind, lässt sich oft schon beim Blick auf die Liste der Inhaltsstoffe erkennen: viel Zucker und viel Fett (vor allem mehrfach gesättigte Fettsäuren), Transfette, reichlich Salz. Hinzu kommen diverse Zusätze, die Geschmack, Farbe, Konsistenz und Haltbarkeit verbessern sollen, sowie chemische Verbindungen, die beim Verarbeitungsprozess entstehen.

Diabetes, Herzinfarkt - und jetzt auch noch Krebs?

Inzwischen ist gut belegt, dass hochverarbeitete Lebensmittel mit einer Reihe von Gesundheitsproblemen in Verbindung stehen: von Fettleibigkeit über Typ-2-Diabetes bis Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Forscher um Dr. Kiara Chang von der School of Public Health am Imperial College London haben den Konsum des „Fertigfutters“ jetzt auch auf einen möglichen Zusammenhang mit Krebserkrankungen hin untersucht.

Dazu werteten sie die Ernährungsdaten der britischen Biobank von 200.000 Erwachsenen mittleren Alters aus. Diese wurden innerhalb von zehn Jahren fünfmal zu ihrer Ernährung interviewt.

Auf dieser Basis erstellten die Forschenden ein Ernährungsprofil der Teilnehmenden. Dabei zeigte sich: Der Anteil der hochverarbeiteten Lebensmittel an der Ernährung lag zwischen 10 und 40 Prozent – im Schnitt waren es 23 Prozent.

Ausserdem umfassten die Daten das Auftreten von Krebserkrankungen. Insgesamt gab es unter den Teilnehmenden rund 16.000 Krebsfälle. Rund 4000 Teilnehmende starben an Krebs.

Um zwei Prozent höheres Krebsrisiko

Die Auswertung ergab: Ein höherer Verzehr stark verarbeiteter Lebensmittel ging tatsächlich mit einem höheren Krebsrisiko einher. Besonders auffällig war der Zusammenhang in Hinblick auf Brust- und Eierstockkrebs.

  • Mit jeder 10-prozentigen Erhöhung des Anteils ultraverarbeiteter Lebensmittel an der Ernährung stieg das allgemeine Krebsrisiko um 2 Prozent, die Sterblichkeitsrate für Krebs sogar um 6 Prozent.
  • Das Risiko für Brustkrebs stieg um 16 Prozent, das Risiko für Eierstockkrebs um 30 Prozent.

Diese Zusammenhänge blieben auch bestehen, nachdem die Forschenden relevante Faktoren wie Raucherstatus, Alkoholkonsum, sozialer Stand, körperliche Aktivität und Body-Mass-Index (BMI) berücksichtigt hatten.

Die Forscher weisen darauf hin, dass es sich bei ihrer Studie um eine Beobachtungsstudie handelt. Das heisst: Aufgrund ihres Beobachtungscharakters liefert die Studie keinen Beweis für den Zusammenhang zwischen hochverarbeiteten Lebensmitteln und Krebs. Dazu seien weitere Arbeiten notwendig. Doch legten die aktuelle sowie frühere Untersuchungen einen ursächlichen Zusammenhang nahe, so die Autoren.

Wie hochverarbeitete Lebensmittel Krebs erzeugen könnten

Warum aber können sich Tütensupppen, Toastbrot & Co. so gesundheitsschädlich auswirken? "Unser Körper reagiert auf diese ultraverarbeiteten Zutaten und Zusatzstoffe möglicherweise nicht so wie auf frische und nährstoffreiche, minimal verarbeitete Lebensmittel“, erklärt Chang, Erstautorin der Studie.

Mögliche Erklärung für eine krebsbegünstigende Wirkung von hochverarbeiteten Lebensmitteln sind:

  • Die Produkte enthalten mehr Energie, Gesamtfett und gesättigte Fette, Salz und freien Zucker.
  • Sie enthalten weniger Ballaststoffe und weniger Mikronährstoffe.
  • Durch die Verarbeitung verschlechtert sich die Bioverfügbarkeit von Nährstoffen.
  • Sie enthalten künstliche Substanzen, die zwar als unbedenklich eingestuft wurden, deren Schädlichkeit sich mitunter aber erst später zeigen könnte oder die in der Kombination mit anderen Stoffen bedenklich sind.
  • Sie könnten die natürliche Bakterienflora im Darm (Darm-Mikrobiom) ungünstig verändern.
  • Während der Verarbeitung entstehen potenziell krebserregende Substanzen wie Acrylamid.
  • Über die Verpackung geraten Weichmacher und andere Substanze in die Lebensmittel, die gesundheitlich bedenklich sind.

Allgegenwärtige Verlockungen

Tatsächlich sind hochverarbeite Lebensmittel allgegenwärtig. Durch künstliche Aromen, Fett und Zucker regen sie die Esslust an. Und durch eine Kombination günstiger Preise und attraktiver Verpackungen und werblicher Massnahmen werden sie massenhaft gekauft.

Zu den ultrahochverarbeiteten Produkten gehören unter anderem

  • Fertiggerichte
  • abgepacktes Brot und Backwaren
  • Fruchtjoghurts mit Zuckerzusatz und Zusatzstoffen
  • Limonaden
  • Süssigkeiten
  • salzige und frittierte Snacks
  • verarbeitetes Fleisch wie Würstchen, Chicken-Nuggets

Wenig Geld, wenig Frisches

"Haushalte mit niedrigem Einkommen sind besonders anfällig für diese billigen und ungesunden ultraverarbeiteten Lebensmittel“, sagt Chang. „Minimal verarbeitete und frisch zubereitete Mahlzeiten sollten subventioniert werden, um sicherzustellen, dass jeder Zugang zu gesunden, nahrhaften und erschwinglichen Optionen."

Unser Lebensmittelumfeld müsse dringend reformiert werden, um die Bevölkerung vor hochverarbeiteten Lebensmitteln zu schützen, fordert die Wissenschaftlerin. „Wir brauchen klare Warnhinweise auf der Vorderseite der Packung für hochverarbeitete Lebensmittel.“

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) empfehlen schon lange, den Konsum solcher Nahrungsmittel im Rahmen einer gesunden und nachhaltigen Ernährung einzuschränken.

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Autor:

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.: Hochverarbeitete Lebensmittel, unter: www.dge.de
  • Kiara Chang et al.: Ultra-processed food consumption, cancer risk and cancer mortality: a large-scale prospective analysis within the UK Biobank, The Lancet Clinical Science, 31. Jan 2023, DOI: 10.1016/j.eclinm.2023.101840
Teilen Sie Ihre Meinung mit uns
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie NetDoktor einem Freund oder Kollegen empfehlen?
Mit einem Klick beantworten
  • 0
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
0 - sehr unwahrscheinlich
10 - sehr wahrscheinlich